Der Neubeginn nach dem Zusammenbruch des Dritten Reichs - eine vergebene Chance?

  • So, das ist der Thread ;) .
    Was sagt ihr: War der Schnitt, den man bei der Gründung der Bundesrepublik gemacht hat, radikal genug? Oder ist zuviel vom Dritten Reich mehr oder weniger deutlich in die Bundesrepublik übernommen worden?

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • Ich migriere meinen Beitrag aus dem Maria-Braun-Thema:


  • Ein schwieriges Thema, ich glaube auch deswegen, weil es unendlich komplex ist. Prinzipiell würde ich sagen, dass die Besatzungszeit für eine Art Schwebezustand gesorgt hat, der zwanzig Jahre lang angehalten hat und erst durch die 68er durchbrochen wurde. Innerhalb dieses Schwebezustandes ist vieles konserviert worden, vieles war Aufgrund der Besatzung und der Umerziehung verpönt. der Schwebezustand war auch immer durch den Kalten Krieg bedroht. Dies mal als erste Gedanken von mir zu diesem Thema.

    "Es ist besser, ein einziges kleines Licht anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen."


    Konfizius

  • Was sagt ihr: War der Schnitt, den man bei der Gründung der Bundesrepublik gemacht hat, radikal genug? Oder ist zuviel vom Dritten Reich mehr oder weniger deutlich in die Bundesrepublik übernommen worden?

    Interessieren würde mich noch, warum Du die Frage ausschließlich auf die Bundesrepublik beziehst.

  • Vor Jahren ist ein sehr guter Freund von mir wegen einer Depression behandelt worden. Der hat damals zu mir gesagt: Unsere Eltern haben sich um den Wiederaufbau gekümmert und wir müssen jetzt die Therapien machen. Das würde die Aussage mit dem Schwebezustand sehr unterstützen. In Deutschland ging es nach '45 ja zuerst mal ausschließlich um den Wiederaufbau.


    @ Detlef Fischer: Die Allianz ist nach 1945 ja sehr schnell auseinandergebrochen. Und das lag vor allem an zwei vollkommen unterschiedlichen Ideologien. Wenn man die DDR betrachtet, glaube ich, dass man die Frage ganz anders angehen müsste. Zwischen der Einführung der Demokratie in der Bundesrepublik und dem Marxismus-Leninismus in der DDR liegen ja doch Welten. Und Stalin ist noch einmal ein ganz eigenes Kapitel

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • @ Detlef Fischer: Die Allianz ist nach 1945 ja sehr schnell auseinandergebrochen. Und das lag vor allem an zwei vollkommen unterschiedlichen Ideologien. Wenn man die DDR betrachtet, glaube ich, dass man die Frage ganz anders betrachten müsste. Zwischen der Einführung der Demokratie in der Bundesrepublik und dem Marxismus-Leninismus in der DDR liegen ja doch Welten.

    Ich würde mir als Westdeutscher auch kein Urteil darüber erlauben - aber dennoch fand ich es interessant, dass Du die Fragestellung von vornherein auf die BRD beschränkt hast.
    Wie viel das DDR-Regime aus der NS-Zeit - bewusst oder unbewusst - herübergerettet hat, ist eine spannende Frage!
    Die Massenorganisationen und -mobiliserungen der SED stehen jedenfalls in einer deutlichen Tradition zu denen des NS-Staates. Wer heute Aufnahmen von den Zeltlagern und Apellen der FDJ aus den 50er Jahren besichtigt, erkennt außer den Symbolen keinen Unterschied zur Hitlerjugend.
    DDR und Drittes Reich waren - bei aller Unterschiedlichkeit - totalitäre Systeme und gleichen sich daher zwangsläufig auch in ihren Erscheinungsformen.


    Ich würde daher spaßeshalber mal ganz provokativ die These aufstellen, dass es in der BRD eher einen Neuanfang gegeben hat als in der DDR :)

  • Für die DDR stellt sich die Frage für mich eigentlich auch nicht, weil dort ein mehr oder weniger freies kollektives Gesellschaftsbewusstsein kaum möglich war. Im Westen schon eher, auch wenn ich dem Kapitalismus, so wie er bisher ausgeführt wurde auch kritisch gegenüber stehe. Detlef gebe ich von daher soweit recht. Interessant wäre hier wirklich zu beleuchten, was man aus der Zeit des Nationalsozuialsmus übernommen hat. Aufmärsche usw. in dieser Form gab es ja auch schon in Russland, von daher hatten sie ein eigene sozialistische legitimität.


    Was man sagen muss ist, dass Deutschland mit all seiner leidvollen Geschichte doch einwas Besonderes hat: Hierzulande wurde nahezu alles durchgemacht, was Staatsformen und Lebensweisen angeht:


    - Monarchie
    - "Demokratie"/Kapitalismus
    - Sozialismus
    - Besatzungen in allen möglichen Formen (Rheinlandbesetzung, Vertreibung im Deutschen Osten, Ostbesetzung, unheimlich viele Minderheitenvarianten und Gebiete mit mehrheitlich deutschen Einwohnern unter fremder Verwaltung, ....)

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    Konfizius

  • Dass man bei Diktaturen sehr sehr viele Parallelen findet, ist ja bekannt. Das hat ja auch Gründe.
    Was bei der DDR einen großen Unterschied ausmacht , ist meiner Meinung nach die Tatsache, dass es zwei ganz extreme Systemwechsel gegeben hat - nach dem Zusammenbruch des Dritten Reichs und nach dem Fall der Mauer.
    Nach der Wiedervereinigung sind mir zwei Sachen aufgefallen: Da war zum einen die Erfahrung, dass sehr viel von dem, was ich über die DDR im Kalten Krieg gehört hatte, nichts als Propaganda war bzw. Fakten, die zwar gestimmt hatten, aber die durch Vorurteile und Klischees ausgedeutet worden waren und deswegen die Schlussfolgerungen falsch waren.
    Außerdem habe ich immer den Eindruck, dass man die DDR sofort ohne jede Einschränkung als schlecht bezeichnet.
    Wie du gesagt hast, Detlef, da erlaube ich mir als Westdeutscher jetzt wirklich kein Urteil, aber Karl Marx wird ja vor allem deswegen kritisiert, weil man seine Gesellschaftsvorstellungen als unrealistisch bezeichnet und die Voraussetzungen, von denen er ausgeht, genauso anzweifelt. Man bezeichnet ihn aber nicht als menschenverachtend. Aber wie das in der Realität umgesetzt wurde, und was das für die Bevölkerung bedeutet hat, damit habe ich mich nie richtig beschäftigt. Ich habe allerdings oft das Gefühl, dass sich die Frage auch nur sehr wenige von denen stellen, die die DDR jetzt in Bausch und Bogen verdammen.

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  • Ich würde daher spaßeshalber mal ganz provokativ die These aufstellen, dass es in der BRD eher einen Neuanfang gegeben hat als in der DDR :)

    Ich beschränke die These nachträglich auf die Alltagswirklichkeit in der DDR. Was Tradition und Deutschtum betrifft, stellte der Sozialismus natürlich einen radikalen Bruch mit allem vorhergegangenen dar.
    Insofern müsste man etwas ausdifferenzieren und käme dann etwa zu folgendem Postulat:


    Zitat

    Während die Organisation des gesellschaftlichen Lebens in der DDR erkennbar an die totalitäre Vergangenheit des NS-Staates anknüpfte, bestand auf westdeutscher Seite eine zumindest partielle und bis in die 70er Jahre reichende geschichtliche Verbundenheit mit der Ära vor 1945.
    Weltanschaulich-ideologisch waren beide Systeme - Kapitalismus-Liberalismus im Westen und Marxismus-Leninismus im Osten - grundverschieden gegenüber denzuvor in Deutschland maßgebenden Strömungen. Allerdings hatte die BRD in der Weimarer Republik immerhin einen geschichtlichen Vorläufer, den die DDR auf deutschem Boden nicht gehabt hatte.

    Die große Gemeinsamkeit beider Staaten besteht für mich allerdings auf jeden Fall darin, dass es beide Satellitenstaaten und das entzweite Volk ein Vasallenvolk war.

  • Außerdem habe ich immer den Eindruck, dass man die DDR sofort ohne jede Einschränkung als schlecht bezeichnet.
    Wie du gesagt hast, Detlef, da erlaube ich mir als Westdeutscher jetzt wirklich kein Urteil, aber Karl Marx wird ja vor allem deswegen kritisiert, weil man seine Gesellschaftsvorstellungen als unrealistisch bezeichnet und die Voraussetzungen, von denen er ausgeht, genauso anzweifelt. Man bezeichnet ihn aber nicht als menschenverachtend. Aber wie das in der Realität umgesetzt wurde, und was das für die Bevölkerung bedeutet hat, damit habe ich mich nie richtig beschäftigt. Ich habe allerdings oft das Gefühl, dass sich die Frage auch nur sehr wenige von denen stellen, die die DDR jetzt in Bausch und Bogen verdammen.

    Also jetzt kannst Du gleich ein DDR-Thema aufmachen :D

  • Ich halte mich jetzt lieber zurück ;)
    Ich hätte schon noch ein paar Gedanken, aber dann hätten wir mindestens vier Threads in einem. Und das will ich hier dann doch keinem antun :D

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • Ach es spricht doch nichts dagegen das hier ausführlich anzugehen. Ich finde die Ausführungen sehr interessant und kann weitestgehend beipflichten. Viele vergessen, dass auch hierzulande eine politische und mediale Manipulation stattfand und stattfindet. So ist mir auch schon oft aufgefallen, wie sehr die DDR pauschal schlecht gemacht wird, und wie wir wissen ist das bei anderen Staatsmodellen genauso.

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    Konfizius

  • Na gut, dann lege ich mal vor in Sachen DDR.


    Die DDR war eine totalitäre Diktatur, die dem deutschen Volk immensen Schaden zugefügt hat.
    Sie hat nicht nur die alten wirtschaftlichen und intellektuellen Eliten, sondern das gesamte Bürgertum systematisch bekämpft und verfolgt.
    Mit ihrem Spitzelsystem hat sie das Gemeinwesen und die zwischenmenschlichen Beziehung in einer beispiellosen Weise zersetzt und zerstört.
    Die sozialistischen Funktionäre haben unser Land, unsere kulturellen und sonstigen Güter ausgeplündert und ausgesogen, um ihren maroden Staat am Leben zu erhalten.
    Jeder nationale Freiheitswillen in der DDR wurde brutal unterdrückt - am deutlichsten sichtbar beim Volksaufstand vom 17. Juni 1953 - ein Datum, das jedem deutsch gesinnten Deutschen beim Gedanken an die DDR vor Augen stehen muss:


    Hier ließ der Arbeiter- und Bauernstaat Panzer gegen Arbeiter auffahren!


    Und die korrupten "Arbeiterdichter" gab ihren Segen dazu...

  • Für die DDR stellt sich die Frage für mich eigentlich auch nicht, weil dort ein mehr oder weniger freies kollektives Gesellschaftsbewusstsein kaum möglich war. Im Westen schon eher, auch wenn ich dem Kapitalismus, so wie er bisher ausgeführt wurde auch kritisch gegenüber stehe.


    Deine Bemerkung ist mir vorhin aufgefallen. Was sind denn für dich wesentliche Kritikpunkte?
    Ich habe mich in den letzten Jahren oft mit unserer Gesellschaft beschäftigt und bin dabei immer mehr auf die Wirtschaftspolitik gestoßen. Die Kälte und Brutalität, mit der dabei teilweise vorgegangen wird, finde ich schon sehr schockierend. Vor einigen Monaten bin ich auf Frank Poulsens Film Blood in the mobile gestoßen. Eine kurze Version davon habe ich mit Freunden gesehen. Danach war Totenstille. Kein Mensch hatte gewusst, was Coltan war, aber die meisten von uns hatten neue Handys in der Tasche mit zahllosen Funktionen, die wir nie brauchen. Das ist zwar nur ein Beispiel, aber man kann ja problemlos viele andere aufzählen.
    Und es stellt sich ja dann doch auch die Frage, wie weit wir darin verstrickt sind. Auf der einen Seite kann man natürlich sagen, ohne Handy gehts nicht (und Coltan ist ja auch in vielen anderen digitalen Geräten), aber auf der anderen Seite ist es ja auch Fakt, dass die Frage kaum jemanden interessiert.


    Ich nehme an, dass nicht jeder von euch den Film kennt. Das ist zwar nur eine Vorankündigung, aber sie gibt gute Informationen: http://bloodinthemobile.org/de/

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  • Besonders auffällig ist für mich, dass in den westlichen "Demokratien" unheimlich viel geheuchelt wird. Ich habe nie im 3. Reich und in der DDR gelebt, deswegen ist es schwer Vergleiche zu finden. Was mich sehr stört:


    - Die unterschwellige (im 3. Reich und in der DDR war das offensichtlicher) Propaganda in der Politik und den Medien
    - Die Heuchelei und die Lügen (z.B. vorzugeben, als handelt es sich um die BRD um einen souveränen Staat / Geschichtsfälschung usw)
    - Nur begrenzt vorhandene Meinungsfreiheit
    - Die Abhängigkeit vom Kapital und von den Banken (Die Wirtschaft hat viel mehr zu sagen als die Politik)
    - Gutmenschentum
    - Die nicht vorhandene Demokratie (Spätestens seit Ende des kalten Krieges nähern sich die Parteien immer mehr an, sodass es egal ist, wen man wählt. Und die, die gewählt werden, haben dann sowieso nichts zu sagen - man bekommt dann Gesetze und Entwicklungen vorgesetzt, die kaum jemand wollte)


    Das ist das, was mir so spontan einfällt. Man muss dazu sagen, dass vieles ineinander spielt, das eine oft mit dem anderen zu tun hat.


    Ein wunderbares Beispiel ist das Gesetz zur Beschneidung:


    Einerseits heisst es jetzt offiziell, dass Beschneidung bei Kindern Körperverletzung ist, andererseits ist es nach Aufklärung in Ordnung, wenn die Eltern dafür sind. Wenn man dieser Logik folgt, dann dürfen Eltern ihre Kinder wieder schlagen und misshandeln ohne bestraft zu werden...?!

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    Konfizius

  • Wenn ich den Quatsch hier lese, muss ich fast schon wieder Lachtränen vergießen, so traurig es auch ist. Aber ich darf offiziell verkünden, dass ich Detlev ausdrücklich recht gebe. Die DDR war ein totalitärer Staat, davon abgewichen ist man sukzessive erst ab Oktober 1989. Ein großer Unterschied zum NS-Staat besteht darin, dass man sich dem System unterordnen konnte. Die Nazis schlossen von sich aus viele Menschen aus der Gemeinschaft aus und ließen sie verfolgen und umbringen.


    Was übernahm die DDR also aus dem "Dritten Reich"? Politisch nichts, aber am Vermögen wollte man bei allem Sozialismus schon teilhaben, weswegen man die Deutsche Reichsbahn übernahm. Normal hätte sie "VEB Deutsche Bahn" oder "VEB Bahn der DDR" oder ähnlich geheißen, doch hätte das bedeutet, erhebliche Vermögen in West-Berlin aufzugeben. Dies hat noch heute zur Folge, dass es Neonazis gibt, die meinen, die DDR war das bessere Deutschland.


    @Sebastian: Dein letzter Beitrag enthält viel Halbwissen. Es beinhaltet wohl auch nur die Erfahrung der Quellen, die dir zugänglich sind; wie die Situation wirklich wahr oder ist, ist viel zu kompliziert, um sie in einem Forenbeitrag unterzubringen. Da wäre es angebrachter, ein ganzes Buch darüber zu schreiben. Ein Beispiel:


    Zitat

    (z.B. vorzugeben, als handelt es sich um die BRD um einen souveränen Staat


    Die BRD ist ein souveränder Staat seit 1955. Bis 1990 mit einigen wenigen Einschränkungen, aber alles in allem durfte sie uneingeschränkt eine eigene Außen- und Verteidigungspolitik betreiben. Die Übertragung souveränder Rechte an andere Organisationen ist im Grundgesetz festgelegt. Das ist auch in vielen anderen Staaten der Welt so üblich.


    Zitat

    Ein wunderbares Beispiel ist das Gesetz zur Beschneidung: [...]


    Wenn man dieser Logik folgt, dann dürfen Eltern ihre Kinder wieder schlagen und misshandeln ohne bestraft zu werden...?!


    Unsinn!


    Es geht nur um die Beschneidung, nicht darum, Kinder zu schlagen und zu misshandeln, wie immer man will. Das weißt du auch, kann mir nicht erklären, warum du so etwas schreibst. Kannst du's mir sagen?

  • Deiner "Unsinn!"-Argumentation ließt sich wie eine Bildzeitungsüberschrift.


    Es geht nur um die Beschneidung, nicht darum, Kinder zu schlagen und zu misshandeln, wie immer man will. Das weißt du auch, kann mir nicht erklären, warum du so etwas schreibst. Kannst du's mir sagen?


    Ich schreibe das, weil es ein sehr schönes Beispiel ist, wie mit zweierlei Maß gemessen wird. Oder was verstehst Du unter Körperverletzung? Ich glaube nicht dass es hierfür verschiedene Definitionen gibt. Dieser Gesetzentwurf sagt, dass in diesem Fall die Körperverletzung bei Kindern in Ordnung ist. Körperverletzung ist Körperverletzung. Und das wird damit in dieser Form legalisiert. Warum? Weil es dem Kind gut tut? Weil es medizinisch notwendig ist? Wenn nur ein Kind in 20 Jahren bereut, dass das an ihm gemacht wurde, ist so ein Eingriff nicht in Ordnung. Genau das meinte ich auch mit Heuchlerei und Gutmenschentum. In einer Unterhaltung zu dem Thema kam ich mit jemanden vor wenigen Tagen drauf, dass man es ja dann auch ins Extreme führen kann, wenn man z.B. anprangert, dass man kleinen Kindern Ohrlöcher steckt. Im Grunde ist das auch Körperverletzung und ich persönlich finde auch das nicht in Ordnung.


    Zum Thema souveränder Staat: Ja, genau :wacko:

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    Konfizius

  • Ein großer Unterschied zum NS-Staat besteht darin, dass man sich dem System unterordnen konnte. Die Nazis schlossen von sich aus viele Menschen aus der Gemeinschaft aus und ließen sie verfolgen und umbringen.

    Politische Gegner ("Faschisten", "Spitzel", "Konterrevolutionäre") wurden auch in der DDR systematisch aus der Gemeinschaft ausgeschlossen, verfolgt und umgebracht - letzteres freilich nicht in einem vergleichbaren Stil wie das im Dritten Reich der Fall war. Dies ist natürlich auch im Zusammenhang mit der allgemeinen innersowjetischen Entwicklung nach Stalins Tod zu sehen.
    Es ist unwahrscheinlich, dass Stalin seine in Vorbereitung begriffenen Säuberungen, wenn sie denn noch erfolgt wären, nur auf sein "Kernreich" beschränkt hätte.
    Am Wochenende lief im Radio ein schöner Beitrag mit Original-Tondokumenten einer Gerichtsverhandlung gegen zwei DDR-Bürger, die Ende der 50er wg. Spionage zum Tod verurteilt wurden.
    edit: dank google gefunden:
    Die Sendung heißt: Fallbeil für "Gänseblümchen". Der Spionageprozess gegen Elli Barczatis und Karl Laurenz im Originalton.

    Es geht nur um die Beschneidung, nicht darum, Kinder zu schlagen und zu misshandeln, wie immer man will.


    Hier dürfen wir nun Tränen lachen. :D Das ist einfach zu gut!

  • Ich habe wohl den Anfang des Threads verpasst, inzwischen ist das Thema schon wieder ausgeufert. Meiner Meinung nach hätte man bei der Bundersrepublik bleiben sollen und der DDR einen eigenen Thread widmen sollen, da sich beide deutschen Teilstaaten doch sehr unterschiedlich entwickelt haben.


    Ich übertrage nach dem Vorbild Detlefs meinen schon geschriebenen Text an diese Stelle:

    Der Vorwurf, dass nach 1945 eine Chance für einen wirklichen Neuanfang vertan wurde, wird ja häufig gemacht. Haltet ihr ihn für gerechtfertigt?

    "Das wäre eigentlich ein Thema für einen eigenen Thread. In Kürze möchte ich sie mit einem eindeutigen "Ja" beantworten. Das zeigt z.B. der Wahlslogan, mit dem Adenauer mehrere Wahlen gewann: "Keine Experimente", aber auch vieles andere. Hinsichtlich Filmen die Mißachtung und Abwertung von Werken wie "Der Verlorene" von und mit Peter Lorre, "Der Ruf" von Joseph von Baky und weiterer, die heute als Klassiker von hohem Wert neu entdeckt und bewertet werden; Flucht in "Heile Welt"-Filme; die Schnittorgien der FSK u.a."


    Selbstverständlich gab es nach Kriegsende Möglichkeiten eines echten Neuanfangs. Diese sind nicht abhängig davon, ob das Land nach außen hin souverän ist oder nicht, sondern von den Menschen des Landes selbst. Eine große Anzahl von Menschen war durch Krieg, Vertreibung etc. schwer traumatisiert, die allmähliche Bewußtwerdung, in was für einem entsetzlichen System man zwölf Jahre gelebt hatte und welchem Rattenfänger man auf den Leim gegangen war, tat ihr Übriges dazu.* Verständliche Reaktion war, zu verdrängen und den Mantel des Schweigens darüber zu breiten. Aber damit half man weder seiner eigenen seelischen Beeinträchtigung noch den nachfolgenden Generationen - ganz im Gegenteil. Wer seinen Finger in die Wunden legte, wurde als Nestbeschmutzer niedergemacht bzw. vergrault, auch von staatlicher Seite (vgl. z.B. die Geschichte von Peter Lorres Film "Der Verlorene" und seine nochmalige Vertreibung, nachzulesen bei Wikipedia u.a.)


    *Die Bewußtwerdung der ganzen Dimension der Vernichtung von Juden u.a. in den KZs nicht zu vergessen....
    Bekomme ich jetzt die Anti-Moralkeule übergebraten?

  • Ich denke die Rahmenbedingungen in denen man lebt, sind schon sehr wichtig, weil dieser Rahmen große Bevölkerungsteile prägt. Ansonsten glaube ich dass der Neuanfang einfach deswegen nicht möglich war, weil man nicht bei "0" war. Es war ja nicht alles "sauber" und "gut". Es ist ein dreckiger Krieg zu Ende gegangen und die Gefahren waren für niemanden gebannt. Schließlich stand sowohl der Kapialismus als auch der Kommunismus (wenn ich es mal auf diese Begriffe runterbrechen darf) mitten in Europa/Deutschland. Die Deutschen selbst wurden ausgenutzt um sie für die jeweilige Seite zu instrumentalisieren. Das hat es hierzulande unmöglich gemacht einen vernünftigen und zukunftsfähigen Neuanfang zu starten.

    "Es ist besser, ein einziges kleines Licht anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen."


    Konfizius