Den Begriff des 'Genies' sollte man sicherlich vorsichtig verwenden, vielleicht gerade auch in der heutigen Zeit, in der wir mit Genie-Kult ja oftmals nicht mehr so viel anfangen können. Aber im Fall von Fassbinder würde ich wirklich davon sprechen.
Natürlich war er manisch, hat seine 'Truppe' ausgebeutet, übrigens genauso wie sich selbst und wie es übrigens auch Fritz Lang gemacht hat. Natürlich war er ein Vieldreher, hat auch schwächere Filme produziert usw. Ich kann die Einwände alle nachvollziehen. Aber gleichzeitig war er im deutschen Film nach 1945, eher sogar nach 1933 eine absolute Ausnahmeerscheinung.
Fassbinder hat quasi als Autodidakt angefangen, hat aber von Beginn an eine eigene Filmsprache gehabt. Die kann man mögen, muss man aber nicht. Aber sie war eigen, ganz persönlich. Und gleichzeitig fußte sie auf einer immensen Kenntnis der Filmgeschichte. Fassbinder war sicherlich eine Art von Revolutionär des Kinos, v.a. des deutschen Kinos der 60iger Jahre, aber gleichzeitig knüpfte er auch an an große Filmtraditionen. Aber so sehr er eine eigene Filmsprache entwickelte, gerade auch in Verbindung mit Michael Ballhaus als Kameramann, so sehr war er auch in der Lage seine visuellen Vorstellungen den jeweiligen Sujets anzupassen. Insofern erfand er sich immer wieder neu. Und er war bereit, gerade auch in den politisch wildbewegten 70iger Jahren sich mit seinen Filmen immer zwischen alle Stühle zu setzen. Sei es der Terrorismus, der Feminismus, sei es Homosexualität oder das schlichte Linkssein, Fassbinder hatte stehst seine eigene Sicht und brachte diese auf die Leinwand. Angepasst war er (fast) nie. Zu Karlheinz Böhm sagte er mal in etwa: 'Links, rechts, oben oder unten - das ist mir alles egal. Ich richte meine Kamera darauf und schieße auf jeden.' Wie schön, wenn es eine solche Haltung heute noch gäbe!
'(fast) nie' - bezieht sich, für mein Empfinden, auf seine großen kommerziellen Erfolge ab 'Angst essen Seele auf', aber vor allem ab 'Die Ehe der Maria Braun'. Fassbinder träumte immer von Hollywood, von entsprechenden Erfolgen. Aber gerade diese Großproduktionen zeigen für mich eine Anpassung an den Mainstream, der eigentlich nicht mehr er selber war. Für mich ist der geniale Fassbinder der der mittleren Phase. Ich liebe seine frühen Filme ab 'Liebe ist kälter als der Tod' und v.a. ab 'Katzelmacher' auch, weil sie so schön sperrig und fremd sind. Aber die wirklichen 'Hammer' sind sicherlich 'Die bitteren Tränen der Petra von Kant', 'Martha', 'Händler der vier Jahreszeiten', 'Fontane Effi Briest', 'Faustrecht der Freiheit', 'Mutter Küsters' Fahrt zum Himmel', 'Die dritte Generation', 'In einem Jahr mit 13 Monden' und wenn man sich richtig die Kante geben will 'Satansbraten'.
Aber eigentlich sind sie alle sehenswert, weil sie alle irgendwie, irgendwo etwas Besonderes haben, etwas Verqueres, was es im deutschen Film bis dahin so selten bis gar nicht gegeben hat.
Wenn man einen Fassbinder schaut, dann bekommt man auch einen Fassbinder. Dann bekommt man in den allermeisten Fällen keine leichte Kunst, dafür aber etwas wirklich Außergewöhnliches.