WINGS - patriotisch, reines Action-Kino oder Antikriegsfilm?

  • Wenn es um William Wellmans WINGS geht, werden üblicherweise die Flugsszenen gelobt, und das ja auch zu Recht.
    Allerdings würde mich eure Meinung zu etwas anderem interessieren: Ich habe in einer Kritik gelesen, dass der Film äußerst patriotisch sei und die Deutschen als Kriegstreiber dargestellt würden.
    Ich muss sagen, am Anfang hatte ich diesen Eindruck auch. Nachdem ich den Film jetzt aber komplett gesehen habe, ist mein Eindruck ein ganz anderer. Es stimmt, Patriotismus erscheint gerade am Anfang. Schon in der ersten Darstellung eines Lufkampfs wird aber ein deutscher Pilot als "ritterlich" gezeigt. Er schießt David nicht ab, weil dessen Waffe nicht funktioniert und er sich somit nicht verteidigen kann. (Was noch dazukommt, ist, dass das Vorbild für diesen Piloten eindeutig Manfred von Richthofen ist, der erfolgreichste deutsche Pilot aus dem Ersten Weltkrieg. So jemand wäre ja ein brauchbarer Ansatz für den "bösen" Deutschen gewesen.)
    Und je länger der Film dauert, desto mehr werden die Grauen des Kriegs dargestellt. Das Blutbad, das Jack unter deutschen Soldaten anrichtet, zeigt das ja noch einmal ganz deutlich, vor allem, wenn man dagegen die Fairness des deutschen Piloten vom Anfang setzt.
    Natürlich hat der Film patriotische Untertöne, aber ich kann mich an keine Szene erinnern, in der das Töten heldenhaft dargestellt wird. Meiner Meinung nach steht über allem die Kritik am Krieg.
    Es ist natürlich richtig, eine gewisse Uneinheitlichkeit besteht schon, weil der Film auch Action-Kino darstellt. Und den Flugszenen merkt man deutlich an, dass sie beeindrucken sollen. Bei Filmen wie ALL QUIET ON THE WESTERN FRONT stehen auch die Kriegsszenen ausnahmslos im Dienst der Aussage des Films. In WINGS ist das ein wenig anders.
    Die Kriegsschuldfrage stellt der Film meiner Meinung nach aber überhaupt nicht. Auf Grund der Tatsache, dass Kampfszenen nicht komplett unter der pazifistischen Aussage stehen, wird diese Aussage natürlich abgeschwächt. Aber weder sind die deutschen die Kriegstreiber, noch wird amerikanisches Heldentum ins Zentrum gestellt. Action-Kino ist der Film zu einem gweissen Grad natürlich schon, aber nicht "reines" Action-Kino.

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

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  • Hallo Conrad,
    ich finde Deine Ausführungen zu Wings sehr interessant, da ich diesen Film auch sehr gerne sehen würde, bislang aber noch keine Gelegenheit dazu hatte. Gibt es ein aktuelles DVD-Release des Films? Ich las einmal - ich glaube im Nitrateville-Forum - der Film habe ein Farb-Insert enthalten oder zumindest Viragen. Kannst Du dazu Angaben machen?
    Grüße
    Detlef

  • In Deutschland ist er vor einem Jahr als "Flügel aus Stahl" in der Reihe "Vergessene Kriegsfilme" erschienen. Die Qualität der DVD soll aber nicht überragend sein. Und Paramount hat ihn diesen Monat als DVD und Blu-ray veröffentlicht. Silentera spricht bei dieser Ausgabe von "special color effects and color tinting, replicating the original release prints". Und die Kritiken, die ich bis jetzt darüber gelesen habe, waren ausnahmslos positiv.

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • Wer von euch hat denn WINGS schon gesehen? Eure Meinungen würden mich zur Frage der Tendenz des Films sehr interessieren. Mit den Luftkampfszenen habe ich nämlich schon ein gewisses Problem. Die scheinen ja doch den stärksten Eindruck zu hinterlassen. Und dann muss man die Frage halt auch stellen: Wieso hinterlassen bei einem Antikriegsfilm die Szenen, wo Flugzeuge abgeschossen werden und Menschen sterben, die tiefsten Eindrücke?

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • Hallo!


    Ich habe WINGS schon zwei- dreimal gesehen, allerdings ist das schon etwas länger her, ich denke mind. ein Jahr. Ich habe ihn als NTSC Video aus den USA, also mit amerikanischen Zwischentiteln. Habe mich bislang nicht getraut, die DVD zu kaufen, weil ich über die Qualität nichts weiß. Das Video hat eine tolle Bildqualität. Ich liebe einige Szenen in diesem Film, aber eine Szene stieß mir sehr übel auf.


    Die Szene am Anfang, in der sich Richard Arlen von seiner Familie verabschiedet, ist wunderbar. Und dann gibt ihm seine Mama auch noch den kleinen Teddybären! Zum heulen schön!
    Die Szene, in der Gary Cooper (in einer kleinen Nebenrolle, die ihm Clara Bow verschafft hat) abstürzt, trifft genau die Stimmung, die sie erzeugen soll. Ein flaues Gefühl im Magen, die die Kriegsbegeisterung in Frage stellen soll.
    Die Szene in Paris, in der Charles Buddy Rogers so betrunken ist, daß er überall Champagnerbläschen rumfliegen sieht. Trotz aller tollen Flugaufnahmen erinnere ich mich an diese Szene am liebsten!


    Die negative Szene ist die, in der das deutsche Flugzeug abstürzt, und alle sich wie verrückt darüber freuen. Von "neutral" kann also keine Rede sein.
    Ok, 1927 war man noch weit entfernt darüber nachzudenken, daß auch "der Feind" Gefühle hat.
    Also im Ganzen kann ich sagen, daß ich den Film SEHR mag.. bis auf die eine Szene halt.


    Ich würde den Film als Action Kino bezeichnen, mit leicht patriotischen Untertönen.