Alte Briefe / Dokumente

  • Ja, über Twitter erreicht man viele Leute, dank den Schlüsselworten, die man dort markieren kann. Ich bin überzeugt davon, dass diese Seite ein Selbstläufer ist. Ich brauche nur genug Inhalte (im Grunde ist ja jeder Text historisch hoch relevant). Den Rest bringt die Zeit. Mit so etwas wie Twitter kann ich das dann ein wenig beschleunigen. Im Januar haben sich die Besucherzahlen (die noch sehr sehr gering sind) deutlich erhöht. Das liegt auch daran, dass ich die Seite nun erstmals außerhalb des Forums z.B. auf diversen Webseiten von mir verlinkt habe. Dadurch wird die Seite auch besser in Suchmaschinen gelistet.

    "Es ist besser, ein einziges kleines Licht anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen."


    Konfizius

  • Sehr gerne.


    Im Thema "Über was freut Ihr Euch gerade" habe ich ja schonmal ein handgeschriebenes Buch angesprochen, bei dem nicht klar war, aus welchem Jahr es stammt. Es scheint wohl definitiv aus dem 19. Jahrhundert zu sein, weil dieses Jahrhundert angesprochen wird (nicht rückblickend). Worte wie Ya statt Ja oder Theil statt Teil deuten ebenfalls darauf hin.


    Auf www.geschriebene-geschichte.de gibt es übrigens seit heute einen interessanten Text von einem Propaganda-Flugblatt.


    Ich komme gerade endlich mal wieder dazu in das Buchskript zu schauen. Einen Teil hatte ich ja schon abgetippt und Worte, die ich nicht erkennen konnte ausgelassen. Das tolle: Bisher konnte ich alle Wort entziffern. Schön zu sehen, dass Übung hilft, die alten Handschriften besser zu entziffern.

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    Konfizius

  • Ich war heute ganz zufällig auf einem Trödelmarkt und habe habe einige alte Feldpostbriefe erstanden. Habe jetzt auch schon sicher einige Hundert. Pro Brief (mit Inhalt) wollte der Verkäufer 1 Euro haben. Ich habe dann so 50-60 Briefe genommen und zahlte 22 Euro. Die erstandenen Feldpostbriefe (mit Inhalt) sind aus den Kriegsjahren 1940-1944. Die Empfänger stammen alle aus Österreich der damaligen Ostmark. Meistens schreiben junge Soldaten aus Russland ihren Müttern. Aber auch Feldpostbriefe an Ehefrauen, Freundinnen, Schwestern, etc... sind dabei. In vielen Briefen wird gesagt es handelt sich hierbei wiedermal um ein Lebenszeichen und die Verpflegung ist gut. Oft wird nach Päckchen mit Zigaretten, Feuerzeugen, Briefpapier und Fotos gefragt. Fast alle Soldaten schreiben, dass sie sich eigentlich nur mit Tauschgeschäften über Wasser halten können (Zigaretten gegen Eier, etc...). Russland ist ein verdammtes ungemütliches Land und die Straßen sind sehr schlecht wird auch sehr oft berichtet. Auch wird oft geschrieben, dass man ständig Angst hat von einer Kugel getroffen zu werden und täglich lange Märsche machen muss. Sehr oft schreiben die Soldaten, dass sie fürs Vaterland sterben können. Sie wollen nicht unbedingt aber wenn's sein muss dann wäre es ihr Wunsch einen ehrenvollen Heldentod zu sterben und von Kameraden in fremder Erde begraben zu werden. Ein junger Soldat schreibt, dass er vor kurzer Zeit nur knapp dem Tod entronnen ist. Er hat einen Russen mit dem Seitengewehr niedergestochen. Der Feldpostbrief ist vom 21.6.1942 aus Russland: "Das du für mich betest, weis ich Mutterl, da ich erst vor kurzen meinem Tod gegenüber stand. 1 Russe, aber ich war schneller als er und stach ihn mit dem Seitengewehr nieder und dann tat er mir leid. Er war bestimmt ein Familienvater. Aber es ist unser Feind und hätte ich ihn nicht niedergemacht, so wäre es umgekehrt gewesen..."


    Sehr viele Briefe enthalten grobe Rechtschreibfehler und witziger Weise auch hier und da doppelte Verneinungen. Wunderbar. Oft sind mehrere Briefe von der selben Person dabei. Das ist natürlich dann sehr interessant und man kann richtig mit der Person mitleben. Echt abenteuerliche und spannende Einzelschicksale die aber doch alle miteinander stark verbunden sind. Ein Eintauchen in die Vergangenheit...





    "Mein wichtigstes Lebensmotto war immer: Treue. Auch mir selbst gegenüber."
    (Heinz Rühmann, 1902-1994, Schauspieler)


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  • Hier ein richtiger kleiner Poet. Ein Feldpostbrief vom 17.10.1944 den ein Soldat mit dem Namen Peterle an seine Erika schreibt. Vor dem Datum rechts oben auf der ersten Seite steht ja normalerweise wo sich der Soldat gerade befindet. Hier schreibt er nur "Im Einsatz," und dann das Datum. Entweder war es zu dieser Zeit des Krieges verboten den Standort mitzuteilen oder er wusste ihn einfach nicht. Auf jeden Fall ein Klassiker. :)


    "Meine innigstgeliebte Erika!


    Heut' müsste die Welt versinken, heut' müsste ein Wunder geschehn, und in deinem Kuss will ich ertrinken. Oder stell das Radio ein mein Liebling, heute sendet dir dein Peterle auf Welle Sehnsucht, die schönste Liebesmelodie. Ich bin noch immer so lustig Schnurli aber das ist bald wieder vorbei. Es war nur das grosse Glück und die unbeschreibliche Sehnsucht nach deinen lieben Zeilen. Jetzt hatte ich sie aber das ist schon wieder 3 Tage her und von neuem warte ich mit brennendem Herzen auf den nächsten Brief in welchem ich zu lesen hoffe, das du mein Schnurli ein Putzi unter dem Herzen trägst, aus meinem Fleisch und Blut..."


    Hier der ganze 4-seitige Brief:






    "Mein wichtigstes Lebensmotto war immer: Treue. Auch mir selbst gegenüber."
    (Heinz Rühmann, 1902-1994, Schauspieler)


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  • "Welle Sehnsucht" - wirklich großartig. Aber ich seh das wie Du - es ist wirklich spannend diese alten Dokumente zu lesen. Es handelt sich hier schließilch um authentische Einzelschicksale, die helfen, die damalige Zeit besser zu verstehen. Gerade das erste Zitat, was Du nennst ist da sehr bezeichnend, dass der Soldat großes Mitleid hat, aber es ihn sonst selbst erwischt hätte. Wenn Du nichts dagegen hast kann ich das Zitat gerne auf meiner Seite mit einbauen, das passt super mit rein. Brief und weitere Verwendungsrechte liegen natürlich bei Dir. Auch das genaue Zitat mit der Angst, jeden Moment von einer Kugel getroffen zu werden könnte sehr interessant sein.


    Preislich hast Du ein tolles Schnäppchen gemacht. In der Regel gehen einfache Feldpostbriefe (zumindest bei ebay) für 1 EUR pro Brief weg. Wenn es besondere Briefe sind (Gefangenenpost ist z.B. beliebt) kann es schon deutlich teurer werden. Ab und zu macht man auch mal Schnäppchen.


    Aufgrund der Tatsache, dass es sich immer um Einzelstücke handelt, hat man natürlich den Ehrgeiz diese Sachen auch zu bekommen. Aber aufgrund der Mase und des fehlenden Budgets kann man natürlich nicht alles kaufen. Tröstlich ist aber, dass die sachen, die schon im Verkauf sind, mit Sicherheit in Sammlerhände gelangen, also nicht weggeschmissen werden. Haushaltsauflösungen und Entrümplungen sind da viel gefährlicher. Aber wenn die Entrümplungsfirmen und die Angerhörigen, die kein privates Interesse an den Schriftstücken haben, sehen, dass die Briefe etwas wert sind, werden die Sachen wenigstens noch verkauft. Besser so, als wenn es in die Mülltonne wandert.

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    Konfizius

  • Wirklich wunderbarer Text. Viele alte Briefe sind doch recht langweilig und enthalten wenig interessantes. Doch hier und da ist was spannendes dabei. Kriegserlebnisse und private Gedanken sind natürlich klasse. Das sind alles Einzelschicksale die auf ihre Weise oft sehr trauig aber auch interessant und spannend sind. Gerne kannst Du die Briefzitate verwenden und auf Deiner Seite einbauen. Du könntest ja in Zukunft bei den Zitaten die aus Briefen meiner Sammlung stammen dazuschreiben, dass sie von mir sind. So bleibt es dann auch übersichtlich und ich weiß noch welche Briefe von mir sind. Wenn ich mal wieder mehr Zeit habe werde ich die Feldpostbriefe einzeln auswerten und ggf. auch sortieren und einscannen. Das ist sicherlich ein zeitaufwändiges Projekt. :)


    Ich habe wunderbare Neuigkeiten !!! Meine Tante (geboren 1943), die älterste Tochter meines im letzten Jahr verstorbenen Großvaters (geboren 1914) hat beim Durchschauen alter Kisten in ihrer Wohnung eine Menge alter Feldpostbriefe und Dokumente meines Großvaters und seiner Geschwister entdeckt. Eine sensationelle Entdeckung. Ich dachte bis heute, dass keine Feldpostbriefe und anderer Schriftverkehr meines Großvaters mehr aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs existieren. Ich bin davon ausgegangen, dass die alten Briefe wahrscheinlich weggeworfen oder verheizt wurden. Gottseidank sind doch eine Menge der Briefe da. Ein Wunder, dass die Briefe die lange Zeit (70, 80 Jahre) "überlebt" haben. Auch einige alte Zeugnisse meines Großvaters sind dabei. Wunderbar...


    Mir ist aufgefallen, dass mein Großvater die Feldpostbriefe oft mit den Worten "Heil Hitler. Euer oder Dein ..." beendet hat. Diese Grußformel hat damals nicht jeder verwendet... ;)



    Hier ein Feldpostbrief meines Großvaters an seine Schwester:
    (so um Weihnachten 1940/41, Rumänien? - habe kein Datum/Ort und noch keinen dazugehörigen Briefumschlag gefunden)

    "Liebe Schwester!


    Von allen besten Dank für beide Pakete die mir sehr große Freude bereitet haben. Ich hoffe Du hast meine Schreiben alle erhalten, oder nicht? Es war in keinen von beiden Paketen die von mir verlangten Socken drinnen. Wenn es Dir möglich ist so sende mir so bald als möglich 4-5 Paar Socken. Wir haben eine ganz angenehme Kälte 15-20 °Minus und Schnee. In Wien wird es auf jeden Fall schöner sein als hier. Ich habe meine Weihnachten schön verbracht. Am Heiligen Abend habe ich freiwillig Wache geschoben und den anderen Feiertag mußte ich Arbeiten, so sind meine Weihnachten schnell vergangen. Viele Grüße an Gretel V. und ihrer Freundin vom B.D.M. Es würde mich freuen wenn auch Sie mir einmal schreiben würde.


    Unsere Unterkunft ist auch nicht schlecht nur liegen wir 97 Mann in einem Zimmer, 3 Mann übereinander. Wenn Post verteilt wird ist immer unsere schönste Abwechslung. Nun noch, hast Du und Vater und alle anderen Eure Weihnachten gut verbracht? Ich habe auch von der N.S.D.A.P Frauenschaft ... ein kleines Paket bekommen. Schreibe mir bitte die Anschrift von Partei, Frauenschaft, S.A. Sollte jemand von Euch auf die Idee kommen mir Wein oder Likör zu senden so müßt ihr ihn gut verpacken, es haben schon einige von uns leere Flaschen erhalten. Was Pepi betrifft habe ich einen Brief von Ihm erhalten worin Er schreibt Er hätte mir ein Paket geschickt, habe bis jetzt noch nichts erhalten. Bei dem Kostenvoranschlag von Edi ist eine Steigleitung im Hause ... nicht vorhanden. Sie wollen die alte Bleileitung verwenden. Es hat mich sehr gefreut das Erich mir eine Karte geschrieben hat. Ich habe ihm auch ein kleines Paket geschickt, den Inhalt habe ich selbst bekommen. Bei den nächsten Schreiben oder Paket darfst Du "Postsammelstelle ..." nicht mehr schreiben es ist Verboten. Beiliegend sende ich Euch ein Foto von der Feldwache am Heiligen Abend. Grüße an alle. Heil Hitler, Euer ... "




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    (Heinz Rühmann, 1902-1994, Schauspieler)


  • Super, du kannst Dich ja immer mal melden, wenn Du gute Zitate gefunden hast. Ich habe eine riesige Excel-Tabelle, dort würde ich dann Deine Briefe entsprechend kennzeichnen. Dann weiss man immer wo man was findet. Aber das können wir dann schritt für schritt machen, wir können uns da ja auch nochmal schreiben bzgl. Details.


    Der Fund mit den alten Unterlagen ist wirklich sensationell. Ich selbst bin sehr traurig, dass es aus der Zeit vor 1950 so gut wie keine Briefe/Dokumente mehr aus meiner Familie gibt. Ein paar wenige habe ich. Der Rest blieb im Verlauf der Jahrzehnte wohl bei anderen Nachkommen (ggf. taucht da noch etwas auf) oder es blieb im Osten und wurde nach der Vertreibung von den Neuansiedlern der Besatzer vernichtet oder - mit großem glück - existieren sie noch irgendwo.


    Von daher kann ich nachvollziehen wie toll es ist, solche wertvollen Familiendokumente wieder in seinen Händen halten zu können.


    Das mit dem "Heil Hitler" stimmt. Ich kennzeichne in meiner Tabelle in welchen Briefen das jemand schreibt und es kam wirklich selten vor. Wenn man es entdeckt, stammt es von offiziellen Schreiben und ab und zu von Soldaten in Feldpostbriefen.


    Das Briefzitat ist sehr typisch für Feldpost aus dieser Zeit. Es geht um Privates, in erster Linie um Pakete aus der Heimat, um die Familie, wie man den Tag verbringt als Soldat und ab und zu kommen dann auch mal ein paar zeitgeschichtlich interessante Anmerkungen über den Krieg / die politische Lager oder Berichte von der Front. Um die Lieben zu Hause nicht zu verängstigen haben viele sicher nicht zu detailiert geschrieben, oftmals findet man aber dann doch krasse Aussagen. Irgendwie musste man sein Erlebtes damals auch verarbeiten.

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    Konfizius

  • Das Zitat von Beitrag Nr. 83 habe ich nun auf www.geschriebene-geschichte.de mit eingebaut. Außerdem habe ich nun eine Stalingrad-Rubrik eröffnet mit vier Zitaten: http://www.geschriebene-geschi…/1939-1945-stalingrad.htm


    Die Russland-Rubrik ist - nun auch dank dem Zitat, das Quax beigetragen hat - eine hochwertvolle Rubrik geworden. Diese Texte erlauben es uns einen einmaligen Einblick in die Gefühlswelt der damaligen Soldaten zu bekommen. Genau diese Texte lassen verstehen, was damals los war und wie jeder damit für sich selbst versuchte, zurecht zu kommen.

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    Konfizius

  • Vielen Dank für die Unterstützung, Sebastian. Wenn ich endlich mal wieder mehr Zeit habe werde ich die ganzen Feldpostbriefe genauer lesen und sortieren. Da die Inhalte ja oft sehr interessant sind lohnt es sich die wichtigesten herauszusuchen und zu veröffentlichen. Das ist sicherlich ein großes und spannendes Projekt, welches sehr viel Zeit benötigt...


    Schade, dass Du keine Briefe und Dokumente deiner Verwandten vor 1950 besitzt. Aber vielleicht tauchen ja mal irgendwo welche auf. Wer weiß... Ich war ganz hin und weg als ich von der Existenz der Feldpostbriefe und Dokumente meines Großvaters und seiner Geschwister erfahren habe. Zuerst dachte ich an einen Irrtum oder einen Scherz. Doch es ist wahr. Ich freue mich sehr... Sogar alte Schulzeugnisse und Telegramme sind dabei.


    Interessant finde ich folgende Zeilen des Briefes:


    "Ich habe meine Weihnachten schön verbracht. Am Heiligen Abend habe ich freiwillig Wache geschoben und den anderen Feiertag mußte ich Arbeiten, so sind meine Weihnachten schnell vergangen."


    Ich wusste zwar, dass mein Großvater nicht so der Freund des Weihnachtsfestes war aber, dass er am Heiligen Abend freiwillig Wache schiebt finde ich irgendwie witzig... Wer tut das schon. Also zu Weihnachten würde ich mich wohl zu nichts freiwillig melden, da ich Weihnachten sehr gerne zu Hause bei der Familie verbringe. Aber ich wüsste auch nicht wie ich in einer Ausnahmesituation wie z.B: im Kriegszustand handeln würde... Wer weiß...



    Beim Durchschauen der aufgetauchten Dokumente meines Großvaters bin ich auf folgendes gestoßen:


    Mein Großvater war Mitglied der N.S.D.A.P. und S.A. Mitglied.


    Das wusste ich bis heute nicht. Keiner wusste das bis jetzt. Ich war ganz erstaunt. Er hat nie etwas davon erzählt. Ich habe zwei amtliche Dokumente aus den ersten Nachkriegsjahren entdeckt die das belegen. Mein Großvater hat versucht es nach dem Krieg zu vertuschen aber man konnte ihm alles nachweisen. Sein Parteibuch und belastende Dokumente hat er wohl nach dem Krieg verbrannt. Nehme ich mal an... Im ersten Dokument wird festgehalten, dass er von Mai 1938 bis April 1945 Mitglied der N.S.D.A.P. war. Ebenfalls war er seit Februar 1934 bis Kriegsende Mitglied der S.A. und bekleidete zuletzt den Dienstgrad eines SA-Scharführers. Das sind alles Tatsachen die ich bis dato nicht wusste. Ohne diese aufgetauchten Unterlagen hätte ich das alles nie erfahren...



    Hier die zwei Dokumente:




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    (Heinz Rühmann, 1902-1994, Schauspieler)


    Einmal editiert, zuletzt von Quax ()

  • Ich finde auch dass das Projekt sehr spannend ist und großes Potential besitzt. Umso mehr passende Inhalte wir dort drin haben, umso spannender wird es. Diese Texte gehen schließlich allen etwas an und sind für jedermann interessant. Besonders für Schulen, Schüler, Studenten, Historiker und allgemein historisch relevanten Leuten.


    Wie Du Dich fühlen musst mit dem Fund der alten Briefen kann ich sehr gut nachvollziehen. Das ist familiengeschichtlich hochwertvoll. Ich habe noch hoffnung, dass eine Großgroßtante von mir ein paar Briefe eines Urgroßvaters von mir aus der direkten Nachkriegszeit (Kriegsgefangener nachdem er in den Volkssturm musste) besitzt. Viel Hoffnung habe ich nicht, aber mal schauen. Ich freue mich über jedes Dokument, das auftaucht. Besonders toll sind dabei natürlich handschriftliche Briefe, weil sie ein bisschen den Einblick in die Gedankenwelt der Vorfahren gewähren.


    Das mit Weihnachten liegt ggf daran, dass er nicht heim durfte und bevor er das Fest im Felde feiert, hat er freiwillig Wache geschoben um seinen Kameraden ein ruhiges Fest zu schenken.


    Das mit den Mitgliedschaften ist sehr interessant. Leider fällt es den Leuten heute schwer sich in die damalige Zeit zurück zu versetzen. Wenn man sich objektiv damit auseinadnersetzt kann man vieles verstehen. Auch dass es dann vertuscht wurde, schließlich haben die Besatzer hart durchgegriffen und da ging es in jeder Hinsicht ums Überleben. Auf die Untaten der Sieger hat nach dem Krieg natürlich keiner mehr geschaut, da war alles schlecht was in Verbindung mit dem Nationalsozialismus stand. Bzw. der Nationalsozialismus an sich war mit allem was dazu gehörte die Untat. Ich war selbst erstaunt als ich vor wenigen Jahren erst mitbekommen habe, dass ein nahestehender Vorfahre von mir in der HJ war. Wurde mir auch nie erzählt bzw. auch immer verschwiegen. Das konnte ich nur anhang eines alten Fotos herauskriegen.

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    Konfizius

  • Ich finde das mit den zwei Mitgliedschaften bei der N.S.D.A.P. und bei der S.A. sehr interessant. Bis zu den Dokumentenfunden dachte ich, dass er "nur" bei der Panzertruppe der Wehrmacht war. Doch so kann man sich irren. Erzählt hat er mir nie etwas davon, ich habe ihn auch nie nach diversen Mitgliedschaften gefragt. Wir haben schon zusammen über den Zweiten Weltkrieg und über seine Zeit als Panzerfahrer geredet, aber nichts über etwaige Mitgliedschaften. Er hat auch gerne über Hitler und den Kriegsalltag erzählt. Auch von eigenen Nahtoderfahrungen und Begegnungen mit dem Feind konnte er einiges berichten. Einige seiner besten Kameraden musste er sterben sehen. Einen anderen Panzerfahrer hat er sogar aus einem brennenden Panzer gerettet. Noch bis vor 10-15 Jahren schrieb er meinem Großvater regelmäßig Briefe und bedankte sich bei ihm. Zu der Zeit traf er sich auch noch regelmäßig mit ehemaligen Kriegskameraden bei Veteranentreffen. Doch er hat alle seine besten Freunde überlebt...


    Familiengeschichtlich sind diese tollen Brieffunde natürlich sehr wertvoll für mich. Eine Art Zeitreise... Vielleicht tauchen ja noch ein paar Briefe deiner Groß- und Urgroßeltern auf. Da kann man sicher nichts ausschließen. Ich hoffe, dass Du einmal fündig wirst...


    Sicherlich hatten ehemalige Parteimitglieder und S.A.- und S.S.-Angehörige große Angst nach dem Krieg mit harten Konsequenzen der Siegermächte rechnen zu müssen. Interessant finde ich, dass mein Großvater 1934, noch lange vor dem Anschluss 1938, zur S.A. gegangen ist. Die war ja zu der Zeit in Österreich sicher illegal. Also eine gefährliche Entscheidung. Nach dem Krieg bekam er auf jeden Fall große Probleme mit den Behörden der Siegermächte. So musste er zu der Zeit bei der Errichtung und Instandsetzung von Wohnhäusern mitarbeiten, obwohl er bei einer Firma als Installateur angestellt war. Der Arbeitgeber musste meinen Großvater zeitweise freigeben... Ganz schön heftig... Doch ab den 50er Jahren war alles wieder beim alten und er konnte sogar seinen eigenen Betrieb eröffnen. Man konnte ja schlecht jedes ehemalige N.S.D.A.P.-Mitglied einsperren oder ausgrenzen. Schließlich waren es ja viele Millionen...


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    (Heinz Rühmann, 1902-1994, Schauspieler)


  • Viele haben das wohl nicht von sich aus erzählt, weil man nach dem Krieg entsprechend in die Ecke gestellt wurde. Ich denke, da waren viele Ängste vorhanden. Trotzdem toll, dass Dein Großvater viel erzählte. Hat er nach dem Krieg auch erinnerungen aufgeschrieben oder blieb es bei Erzählungen? Wenn er das nicht gemacht hat, könntest Du die sachen, die Du noch wiesst, nieder schreiben. Einfach, damit es nicht verloren geht. Ggf. ist es eine gute Ergänzung zu seinen Briefen aus der Zeit des Krieges.

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    Konfizius

  • Also Tagebuch führte er glaube ich keines. Zumindest habe ich noch keines gefunden. Ein Buch hat er auch nicht geschrieben. Er erzählte nur gerne über die Zeit und konnte sich auch noch an viele kleine Einzelheiten erinnern. Der einzige Nachteil ist, dass er mir den Großteil seiner Geschichten noch im Kindes- und frühen Jugendalter erzählt hat. Da war er geistig und körperlich noch in bester Verfassung. Gottseidank habe ich mir viele Sachen gemerkt da er die meisten Sachen öfters erzählt hat. Aufschreiben wäre sicher hilfreich... In den letzten Jahren konnte er sich an viele Sachen nicht mehr gut erinnern und erzählte weniger und oft nur das gleiche. Sehr oft frage ich ihn irgendwas, und er überlegte einige Minuten und konnte die Erinnerung einfach nicht mehr abrufen. Es gab Tage an denen er eher schlecht drauf war, aber auch welche an denen er witzig und erzählfreudig war. Doch durch das hohe Alter (Demenz) und die starken körperlichen Einschränkungen konnte man die letzten 2-3 Jahre oft nur sehr schlecht und eingeschränkt mir ihm reden. Oft war er verwirrt und wusste nicht mehr wo er ist und wer einzelne bekannte Personen sind. Er wurde sogar öfters agressiv und ging auf die Heimhilfe los. Das war keine einfache Zeit...


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    (Heinz Rühmann, 1902-1994, Schauspieler)


  • Das glaube ich. Ähnliche Erlebnisse habe ich auch machen müssen. Das ist auch ein großes Problem bei mir. Die eine Seite bei meiner Familie hat eben keine bzw. wenige Unterlagen und nur einzelne Erinnerungen, die mir erzählt wurden bzw. an die ich mich erinnere, bei der anderen Seite ist es nun ähnlich wie es bei Deinem Großvater war, hinzu kommt, dass extrem viel Material existiert (aufgarbeitetes in Form von aufgeschriebenen Texten, Tonbändern usw.), ich aber keinen Zugriff darauf habe, aufgrund von innerfamiliären Differenzen. Aber immerhin existieren dort noch Dinge und ein paar wenige Sachen habe ich im Laufe der Zeit noch gekriegt, das ist aber sicher nichtmal 1% von dem was vorhanden ist.

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    Konfizius

  • Das ist natürlich ärgerlich. Hoffentlich könnt ihr euch mal doch noch irgendwie positiv einigen. Wäre ja sonst schade, wenn das Material verstaubt. Wie schon gesagt, familiengeschichtlich wäre es natürlich sehr wertvoll wenn Du die vorhandenen Dokumente auswerten könntest...


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    (Heinz Rühmann, 1902-1994, Schauspieler)


  • Ob da Briefe dabei sind weiss ich z.B. nicht, aber allein das was im Nachhinein aufgearbeitet wurde ist schon sehr wertvoll. Mal schauen was die Zeit bringt. Zu wissen, dass was da ist oder mal da war und dann ggf. sogar erst in der Gegenward verschwunden ist, ist eigentlich noch ärgerlicher als die Vorstellulng, dass Material bei der Vertreibung im Osten blieb und in dieser Zeit vernichtet uwrde.

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    Konfizius

  • Wäre sicher toll wenn etwaige Briefe doch noch existieren würden. Vielleicht hast Du ja Glück und es taucht noch was auf...


    Ich bin wieder fündig geworden. Ein wunderbares Gedicht. Eine Mutter schreibt ihrem Sohn Weihnachten 1945 eine herzergreifendes Gedicht. Ihr Sohn kam fast ein Monat davor am 1. Dezember 1945 heim. Entweder aus der Kriegsgefangenschaft oder einem Lazarett. Keine Ahnung. Auf jeden Fall ist der Sohn noch recht jung so um die 20-25 Jahre alt. Ich habe noch mehrere Briefe mit dem Namen.


    Hier das wunderbare Gedicht der Mutter an ihren Sohn:



    "Weihnachten 1945


    An meinen lieben Sohn


    Immer wieder zieht es mich zum Fenster hin,
    denn meinen quälenden Gedanken kann ich nicht entfliehn.


    Ich sehe Dich förmlich um die Ecke schon kommen,
    und Deine lieben Schritte, wie oft habe ich sie schon vernommen.


    Doch es ist alles nur Illusion,
    aber ich warte, warte, täglich auf meinen geliebten Sohn.


    Dieser grausame Krieg ist nun endlich aus,
    aber wann kommen denn unsere unschuldigen Lieben nach Haus?


    Nun sind wir endlich frei und finden doch keine Ruh',
    denn es kommt ja keine Nachricht von Euch Lieben uns zu.


    Doch am 7. Juni, ich wollt' meinen Augen kaum trau'n,
    kam ein Brief mit Deinem Namen, ich musste näher erst schau'n.


    Ich konnt' es nicht fassen vor Freude und Schmerz,
    es war von Dir Nachricht, das brach mir das Herz.


    Ich wusste nicht, sollte ich lachen oder weinen,
    so tat ich halt beides, es ging schon in einem.


    Ich suchte Deinen lieben Kameraden auf,
    musste aber noch warten, denn er war nicht zu Haus'.


    Dort erfuhr ich von Deinem Leid,
    ich war tief erschüttert und hatte doch Freud',
    dass Du am Leben uns bist geblieben,
    Du ahnst ja nicht Edi, wie wir alle Dich lieben.


    Ich wollte durch die Ravag Dir Grüsse dann senden,
    damit du weisst, dass Deine Nachricht schon in unseren Händen.


    Leider sind aber die jetzigen Sender zu schwach,
    da die SS bei ihrem Rückzug alles hin gemacht.


    Auch Post- und Bahnverkehr sowie das Rote Kreuz,
    beginnen erst später ihre Tätigkeit.


    Doch Ende Juni war es endlich so weit,
    nun erkundigte ich mich fast täglich beim Roten Kreuz.


    Bis 18. Oktober dauerte diese Pein;
    an diesem Tage kam ich ganz verzweifelt heim.


    Schweren Herzens öffnete ich die Tür,
    mein Blick fiel zu Boden, doch was lag da vor mir ?


    Ein Telegramm kündigte uns Deine Heimkehr an,
    wir sollen Dich holen von Steyrermühl mit der Bahn.


    Die Freude, sie war für mich zu gross,
    jetzt hab' ich endlich diesen Alpdruck los.


    Doch gleich darauf kam die Reaktion,
    ich fühlte mich krank und elend schon.


    Obwohl ich mich zeitlich zu Bette begab,
    fand ich keine Ruhe und nur wenig Schlaf.


    Du darfst endlich ganz bei uns sein,
    musst nicht mehr fort ins Ungewisse hinein.


    Ich begann jetzt für die Fahrt alles vorzubereiten,
    denn um Dich zu holen, musste man die Demarkationslinie überschreiten.


    Ohne Protektion ist dies aber nicht so leicht möglich,
    was blieb mir über, ich versuchte es täglich.


    Fast sechs Wochen waren dabei schon vergangen,
    und es wurde immer kälter, konstatierten wir mit Bangen.


    Doch da kam wieder von Dir ein Schreiben,
    wir mögen doch lieber hier bleiben,
    Du kommst halt allein,
    denn Du freust Dich schon so riesig auf unser Heim.


    Endlich am 1. Dezember um halb 1 Uhr nachts,
    vernahm ich ein Poltern am Gang, denn ich war wach.


    Ich öffnete vor Erregung die Tür.
    Bist Du's Edi ? Doch da kamst Du schon um die Biegung herführ.


    Ja Mutti, ich bin wieder da,
    fast genau, wie vor einem Jahr.


    Jetzt hielt ich Dich zitternd in meinen Händen,
    das Herzen und Küssen, es wollte kaum enden.


    Wir waren so glücklich dann alle vier,
    denn Du musst nicht mehr fort, Du bleibst jetzt hier.


    Für uns ist dieser harte Krieg endlich aus,
    nicht aber für die, die noch nicht zu Haus !


    Darum soll feierlichst jedes einzelnen Schwur sein:
    Nie wieder in den Krieg hinein.



    In grosser Liebe,
    Deine Mutti"




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    "Mein wichtigstes Lebensmotto war immer: Treue. Auch mir selbst gegenüber."
    (Heinz Rühmann, 1902-1994, Schauspieler)


    2 Mal editiert, zuletzt von Quax ()

  • Da kriegt man richtig Gänsehaut beim Lesen. Ein ergreifend schönes Gedicht. Wenn Du nichts dagegen hast, würde ich es auf geschriebene-geschichte.de mit einbauen und auch in meiner Brieftabelle eintragen, damit wir auch wissen, dass das Original bei Dir zu finden ist.

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    Konfizius

  • Ich finde das Gedicht auch großartig. Sehr rührend und schon bedrückend. Man bekommt richtig Gänsehaut beim Lesen, wie Du schon sagst. Natürlich kannst Du das Gedicht auf Deiner Webseite einbauen. Ist ja auch ein tolles Gedicht und auch ein wunderbares Zeitdokument...


    "Mein wichtigstes Lebensmotto war immer: Treue. Auch mir selbst gegenüber."
    (Heinz Rühmann, 1902-1994, Schauspieler)


  • Vor kurzem habe ich wieder einige Dutzend Feldpostbriefe einer deutschen Familie aus dem Zweiten Weltkrieg erstanden. Besonders interessant sind zwei Briefe die ein in Brüssel stationierter (vermutlich "Luftwaffen Kdo. d.Fliegerkorps II") deutscher Unteroffizier Adolf B. ("Lg.Pa.Brüssel" bedeutet "Luftgau Postamt Brüssel") an seine Brüder (auch bei der Luftwaffe, Karl ist Obergefreiter, in München stationiert) schreibt. Beide Briefe wurden mit Schreibmaschine verfasst und stammen aus dem Jahr 1944. Der Verfasser schreibt viel interessantens und wissenswertes über den Kriegsverlauf. Auch über die V1 (Vergeltungswaffe 1) freut er sich sehr. Aber ihr könnt ja nun selbst lesen:



    Feldpostbrief vom 12. Juli 1944:



    Lieber Oswald und lieber Karl !


    Der Schnelligkeit halber schreibe ich Euch heute mal wieder zusammen mit einem Durchschlag. Seid mir bitte deshalb nicht böse und entschuldigt auch gleichzeitig, dass ich wieder mal so lange auf eine Anwort habe warten lassen. Ich hoffe, dass Ihr noch beide bei Eurer alten Einheit und im gleichen Aufgabenbereich seid und dass es Euch noch gesundheitlich und auch sonst gut geht. Von Dir, lieber Oswald, habe ich eigentlich immer geglaubt, dass Du vielleicht verlegt wirst und dass Ihr eine F.P.Nr. bekommt, aber scheinbar ist das nicht der Fall, nachdem Du mir nicht geschrieben hast. Dass Du den Posten als Re.-Fü. (Rechnungsführer) hast übertragen bekommen, freut mich sehr und bin ich auch froh um Dich. Es ist zwar eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe und auch mit allerhand Arbeit verbunden. Ich kenne es sehr genau und möchte Dir nur einen Rat geben, lasse Dir nicht alle möglichen Kleinigkeiten, was so drum und dran hängt, aufdrängen. Es gibt noch viele andere Leute in einer Einheit, die auch froh sind, wenn sie etwas zu tun und zu verwalten haben. Andererseits ist ja der Spiess auch immer da, der etwas tun kann. Besonders Kantine würde ich von vornherein abwimmeln, das geht den Re.-Fü. gar nichts an und laut HKRO (H.Dv.325) darf der Re.-Fü. nur Reichsmittel verwalten. Battr.- und sonstige Schwarzkassen sind verboten und auch die Kantinenkasse geht den Re.-Fü. nichts an. Für die Verpflegungsausgabe ist ganz allein der Küchen-Uffz. bezw. der älterste Koch verantwortlich, der soll sein Zeug von vornherein einteilen, dann muss er damit auskommen. Auch Verpfl.-Empfang ist Sache der Köche. Weisst, ich könnte Dir da mancherlei Winke geben, da ich den Laden zu genau kenne. Lasse Dir also nur nicht alles andrehen, sondern Du musst von vornherein abwimmeln und wenn es zuviel Arbeit wird, bei Deinen Vorgesetzten auf eine Hilfskraft drängen. Re.-Fü. ist im Bereich der ganzen Luftwaffe bei jeder Einheit eine Oberfeldwebel-Planstelle in Anbetracht der grossen Verantwortung !


    Und bei Dir, lieber Karl, da musste ich direkt staunen, dass Du nun schon mehr oder weniger die Geschäfte des Schirrmeisters machst. Da ist die Verantwortung nicht minder gering überhaupt bei der laufenden Benzinknappheit. Lasse Dich mit Kraftstoff in keiner Weise ein, ich weiss ja ohnehin, dass Du immer ehrlich bist, aber die Gefahr ist sehr gross. Schaue nur, dass Du diesen Posten halten kannst, wenn Du auch nicht gleich Uffz. werden wirst, dazu hast Du ja Zeit und den Lehrgang hast Du ja hinter Dir. Das wirst schon einmal hinhauen.


    Bei Euch beiden kommt leider der Feinddruck immer näher und bei Dir, Oswald, wird man den Kriegslärm bald hören. Es ist bedauerlich, wie es an allen Fronten noch zurückgeht, aber trotz allem dürfen wir den Mut nicht aufgeben, es wird schon einmal wieder für uns besser kommen und wir werden die Handelnden sein. Hier ist ja nun schon über ein Monat die Invasion und man hört täglich, dass dort gewaltig gekämpft wird. Es ist allerhand, was unsere Gegner an Menschen und Material einsetzen und für die Verteidiger in keiner Weise leicht. Eigentlich wartet man auch an anderen Stellen mit weiteren und größeren Landungen, doch scheint es sich bei unserm Gegner verzögert zu haben. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben und kommen werden sie nochmals, es frägt sich nur wo. Eines steht fest, hier im Westen wird man noch in diesem Jahr eine Entscheidung erzwingen, darauf sind beide Teile aus. Der Krieg wird hier auf einen Höhepunkt getrieben und was der Gegner hier oft auf kleine Stücke aus der Luft einsetzt ist schon allerhand. Es wird da an nichts gespart, wenn auch der weitaus grösste Teil der Bomben in freies Feld fällt und keinerlei Schaden anrichtet. Bei uns selbst am Ort ist es seit der Invasion fast etwas ruhiger geworden gegenüber den Vortagen, wo es oft ununterbrochen weiterging. Wir setzen uns hier mangels Bunker in unsere Deckungslöcher und ich fühle mich darin wirklich am sichersten.


    Der inzwischen erfolgte Einsatz der V-1-Waffe hat bei uns besonders bei Beginn grosse Begeisterung ausgelöst. Wenn der Erfolg nach aussen auch nicht so gewaltig ist, wie ihn viele Leute auf Grund der vorhergegangenen Propaganda erwartet haben, so wollen wir diese fliegenden Bomben in keiner Weise unterschätzen. Wir haben da schon manches gesehen und gehört und wenn von Detonationen von drüben bei uns noch die Fundamente wackeln und die Fensterscheiben klirren, dann sitzt gewiss auch etwas dahinter. Wir freuen uns immer, wenn wir so einen Roboter, der mit einem gewaltigen Tempo und einem Höllenlärm dahinsaust, sehen sei es bei Tage oder bei Nacht. Unsere Wünsche begleiten jeden V 1, der im Soldatenmund schon allerhand nette Namen hat. In der ersten Nacht sind wir jedesmal rausgesaust und haben gestaunt, wie es im nächsten Tag doch schon im Wehrmachtsbericht kam, nachdem doch alles so geheim gehalten war. Wir warten nur noch auf die weiteren Erfolge und den Einsatz neuer und schwererer Waffen. Es muss ermöglicht werden, dass wir denen die Flughäfen und Maschinen vernichten, damit mindestens die Heimat einmal wieder ganz zur Ruhe kommt, und die grosse Bombengefahr beseitigt wird. Alles ist ja gespannt, was die nächsten Wochen bringen werden, denn eines steht fest, dass es auf die Dauer so nicht weitergehen kann und dass die Rückzüge besonders im Osten auch einmal aufhören müssen. Wir tun unsere Pflicht, jeder an seinem Platz, nun wollen wir weiterhin abwarten in der Überzeugung, dass das Gute auf unserer Seite doch siegen muss.


    Lieber Karl ! Besten Dank für Deinen Brief vom 17.6, den ich am 27.6 erhielt. Mit dem Einsatz neuer Waffen glaubst Du gar nicht, was der Gegner alles einsetzt, um die Baustellen zu zerstören und den Betrieb zu hemmen. Keine Tonne Bomben sind ihm da zuviel und wenn sie tausendmal daneben gehen. Aber dennoch wir es schon noch recht werden. Unsere Führung wird im richtigen Moment schon zupacken. Im Geschäft haben sie vor einigen Tagen 19 to. Glasziegel von Dresden ausgeladen und zuvor eine Ladung Glas, eine Menge Arbeit, wo niemand da ist. Bleibe weiterhin gesund und Gott befohlen.


    Es grüsst Dich vielmals Dein Bruder Adolf




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    der zweite Brief folgt in ein paar Tagen. Wenn ich wieder Zeit habe...



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    "Mein wichtigstes Lebensmotto war immer: Treue. Auch mir selbst gegenüber."
    (Heinz Rühmann, 1902-1994, Schauspieler)


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