Alte Briefe / Dokumente

  • Nachdem hier in diesem Thema Über was wundert ihr euch gerade? schon ein paar Mal etwas über alte Briefe geschrieben habe, möchte ich hier nun ein Sammelthema eröffnen, da ich sicher ab und zu noch Fragen / Bermerkungen zu alten Briefen habe bzw. manche von Euch ggf. auch mal alte Dokumente entdecken und darüber was berichten möchten.


    Hier ein Zitat aus dem anderen Thema



    Das zeigt, wie spannend so etwas sein kann.


    Gerade liegt vor mir auch ein Brief vom 20. Juni 1919, also 8 Tage bevor das Versailler Diktat unterschrieben wurde. Darin schreibt eine junge Frau, dass sie befürchtet, dass der "Feind" ins Westfalenland einmarschiert, wenn der Frieden nicht unterzeichnet wird. Alfred (18 Jahre, vermutlich ihr Bruder) hat sich schon gemeldet, um gegen den Feind zu kämpfen. Die junge Frau hofft, dass nach dem schlimmen Krieg bald Friede herrscht.

    "Es ist besser, ein einziges kleines Licht anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen."


    Konfizius

  • Solche Briefe sind eine wertvolle Quelle, weil aus ihnen hervorgeht, was die Menschen damals wirklich gedacht haben. Auch wenn es individuelle Einsichten sind, in der Masse betrachtet spiegeln diese Briefe die Stimmungen der damaligen Zeit wieder und können erklären, warum sich die Dinge so entwickelt haben. Darin zeigt sich, was der "kleine Mann von der Straße" gedacht hat. Das kann aufschlußreicher sein, als die offiziellen Bekundungen der Mächtigen.


    In diesem Fall erschien die Angst vor einem Einmarsch der Alliierten, die bereits das Rheinland unter ihrer Kontrolle hatten, wohl berechtigt. Man muß sich fragen, warum Deutschland diesen Diktatfrieden mit all seinen fast unerfüllbaren Bedingungen unterzeichnet hat. Da wird es womöglich schon entsprechende Drohungen bei Nichtunterzeichnung gegeben haben.

  • Soweit ich weiss gab es Seeblockaden usw. Durch den Krieg gab es sowieso schon sehr viele Hungertote in Deutschland und hätte man das Diktat nicht unterschrieben, wäre das so weiter gegangen.


    Ja ich finde diese Einzelansichten auch bemerkenswert. Gerade bei den Briefen im 2. Weltkrieg ist mir bisher auch sehr deutlich aufgefallen, dass die Leute, von denen ich Briefe habe, stets auf Frieden hoffen. In der heutigen Geschichtsschreibung wird das gerne so dargestellt, als wäre das gesamte Volk kriegshungrig gewesen.


    Die Besonderen Briefe mit sehr relevanten Inhalt versuche ich auf Dauer abzutippen, damit man sie besser lesen kann. In einer großen Tabelle notiere ich alles, damit man die Briefe, die man sucht, schnell finden kann.

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    Konfizius

  • Habe auch erst vor kurzen angefangen alte Briefe zu sammeln. Bisher hatten bei mir Fotos und Filme einen höheren Stellenwert. Auf Ebay werden Feldbriefe oft recht teuer deswegen suche ich gerne und auch oft erfolgreich am Flohmarkt. Dort bekommt man einen Brief oft um 1 Euro und wenn du mehr nimmst bekommst du ab einer gewissen Menge auch noch einen Rabatt. Außerdem kann man sich die Briefe genau durchlesen und auswählen, denn nicht jeder alte Brief ist interessant sondern eher umgekehrt. Die meisten alten Briefe beinhalten harmlose Geburtstags und Namenstagswünsche. Mich interessieren aber eher Einzelschicksale im Krieg. (Kriegserlebnise und wie die Menschen früher gedacht haben. Aber auch Filmbezüge sind natürlich klasse). ;)


    "Mein wichtigstes Lebensmotto war immer: Treue. Auch mir selbst gegenüber."
    (Heinz Rühmann, 1902-1994, Schauspieler)


  • Das stimmt, gerade Feldpostbriefe gehen bei ebay zu stolzen Preisen raus. Auch die Inhalte der Briefe sind zu 75% belanglos. Aber dann gibt es genug kleine Sätze mit zeithistorischen Bezug. Ab und zu sind das sogar ganze Briefe mit solchen Bezügen. Diese Dokumente sind dann besonders interessant. Für mich haben Briefe von Auswanderern bis in die 50er/60er Jahre (umso älter umso besser natürlich) besonders spannend. Ich finde die Thematik sehr interessant und interessiere mich sehr für die Lebensumstände der Auswanderer, aber auch, wie sie das Weltgeschehen wahrgenomen haben. In einem Paket mit Briefen von einer Frau, die ihre Post von 1915 bis Anfang der 50er Jahre gesammelt hat (sie war auch die Empfängerin der Briefe des Herren, der in München zur Revolution erschosen wurde - Briefe an ihn waren ebenfalls reichlich vorhanden, die hat sie wohl von seiner Familie wieder bekommen). Von 1946 bis 1948 sind unzählige Briefe aus Chile dabei (die vorhandenen Umschläge sind von der Zensur gekennzeichnet, dass sie in Chile geöffnet wurden) - mit diesen Briefen (Alle mit Maschine geschrieben, was das Lesen einfacher macht) konnte ich eine komplette Mappe füllen. Sie sind sehr gut geschrieben und beinhalten immer wieder interessante Aussagen über Krieg, die Lage des Reiches und die Situation Deutscher in Chile. Im Grunde ist das soviel Text, dass man ein ganzes Buch damit füllen könnte.


    Ich selbst bevorzuge beim Erwerb größere Mengen, ohne zu Wissen, was genau geschrieben wurde. Diese kriegt man - mit etwas Geschick - sehr günstig und es sind dann in der Regel auch immer Briefe dabei, die - entsprechend gekennzeichnet - bei ebay zu einem höheren Preis wegwegen würden.

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    Konfizius

  • Ja, einerseits sind es ja Unikate. Von daher sollte es, solang man die Namen unkenntlich macht (damit man die ursprünglichen Verfassernicht zurückführen kann, keine Probleme geben...? Wie da die genaue Rechtslage ist, weiss ich aber nicht. Im Grunde ist Rechteinhaber weiterhin der Verfasser und seine Erben (mit dem Erwerb eines Briefes erwerbe ich ja nicht die Rechte der Texte..?), andererseits werden Texte doch nach einer bestimmten Zeit rechtefrei. Oder ist das nur bei veröffentlichten bzw. für die öffentlichkeit gedachten Werke so?

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    Konfizius

  • In einem Brief von 1944 schreibt jemand, der in der Marinekriegsschule in Mürwig (später knapp einen Monat Lang der Sitz von Dönitz, als neues Staatsoberhauptes des Reiches) als Schüler tätig war, dass er in den nächsten Tagen "Die Feuerzangenbowle" zu sehen bekommt. Mal schauen, ob in den späteren Briefe nochmal drauf eingegangen wird :)

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    Konfizius

  • Die Brief-Recherche erweist sich als sehr spannend. Neben vielen zeitgenössischen Aussagen der damaligen Zeit habe ich offenbar einige Briefe, die ein junger Mann, offensichtlich eine Art Heiratsschwindler (?), von seinen Frauen bekommen hat. Auch von ihm habe ich ein paar Briefe vorliegen. Es sind alles sehr übertriebene Texte und es läuft oft darauf hinaus, dass seine Eltern nicht erlauben, mit dem jeweiligen Fräulein zusammenkommen zu dürfen und erst ein paar Mille (Tausend) Reichsmark sehen möchten, da er sonst kein Erbe bekommt, wenn er kein Fräulein aussucht, das Geld vorweisen kann. Oftmals wurden die Kontakte mit Hilfe von Kontaktanzeigen geknüpft.

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    Konfizius

  • Aus den frühen 30er Jahren. Der Herr hat mit vielen jungen Damen geschrieben. Eine war auch offensichtlic besseren Hause und hat ihn ordentlich zappeln lassen (der Briefverkehr lief lediglich über eine Angestellte der Dame, da diese erst noch Abstand wahren wollte). Es sind mehrere empörte Briefe dabei. Ein Fräulein beschimpft ihn sehr arg und verlangt ihre 20 Reichsmark zurück die sie ihm geliehe hat. Später bezieht sich der Groll nur noch auf seine Eltern. Ich denke dass er diese aus taktischen Gründen später mit ins Spiel brachte, dass eben die Eltern Druck machen dass er ein Fräulein mit Geld beibringen soll. Wirkt aber alles so, als wäre es von ihm berechnet und als wenn er nur auf das Geld aus ist. Bei 20 RM bleibt es übrigens nicht, später schuldet er einer Frau 960 RM, die er ihr dann in Raten von 20 RM monatlich zurück zahlen soll - was er offenbar nicht machen möchte.

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    Konfizius

  • Ich lese in den letzten Tagen zahlreiche Briefe an eine Münchnerin die Scheinbar in Frankreich bei einem Bauprojekt in den Jahren 1942 und 1943 stationiert war. Aus der Heimat bekommt sie zahlreiche Briefe mit Schilderungen über die Bombenangriffe. Zum Teil mit Zeitangaben. Und vielen Schilderungen, wie es den Leuten erging. Da sind wertvolle Aussagen mit dabei. Aktuell mache ich mit in einem Dokument Stichpunkte davon. Ich habe vor dann mal die Erlebnisse bzgl. München zusammenzufassen. Interessant ist, dass wenig bis keine patriotische oder nationalsozialistische Töne angeschlagen werden. Alles sehr sachlich und neutral. Es haben nur alle angst um das Leben ihrer Lieben und um die Stadt.


    Einer der wenigen politischen Aussagen ist z.B. diese hier:


    "..."


    In eine andere Richtung geht dieses Zitat:


    "..."


    -> Namen habe ich mal entfernt und mit ... gekennzeichnet. Interessant sind die Abfälligkeiten und die Bezeichnung "4er".

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    Konfizius

  • Ja das ist wirklich ein spannendes Themengebiet. Oftmals aber sehr antrengend, weil die Handschriften gerne undeutlich sind. Außerdem liest man manchmal 10-20 Briefe langn nur banalaes. Aber dann mehrere Briefe hinterereinander in jeder Zeile hochinteressante Aussagen. Ich versuch stichwortmässig mitzuschreiben und ganz besondere Aussagen als Zitat direkt abzutippen. Ich finde das Themengebiet äußerst spannend, weil man hier wirklich authentische Zeitgeschichte zu Lesen bekommt. Außerdem sind das Dokumente, die es in dieser Form nur einmal gibt. Wenn man die Umstände berücksichtigt kann man viele wertvolle Informationen und Aussagen aus den Texten heraus holen. Man muss nur berücksichtigen, dass der Sohn von der Front seinen Eltern mit Sicherheit keine schlimme Grausamkeiten (außer in Ausnahmefällen) schildert. Er möchte ja schließlich nicht, dass sie sich Sorgen machen. Ebenso gab es ja auch eine Zensur - obwohl das letzte Zitat zeigt, dass man sich da wohl auch mal was traute. Bzw. ich muss auch noch recherchieren wo die Zensur zugange war?


    Hinzu kommt, dass man viel lernen kann dabei. Besonderes freue ich mich dann wenn ich ins Detail gehe und zur Hilfe zahlreiche Briefe aus unterschiedlichen Quellen nehme. z.B. wenn ich das Thema Bombenterror in München angehe. Oder Kriegsberichte.


    Bei Gelegenheit gibts weitere Kostproben. Allgemein gesehen muss ich aber für mich erstmal eine Übersicht schaffen. Prinzipiell müsste ich ALLES abtippen, was im Moment noch nicht möglich ist.

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    Konfizius

  • Zensur: Na ja, es ist ja nicht so, dass jeder Inlandsbrief von der Gestapo gelesen worden wäre ;) Sowas gabs erst in der DDR. Eine flächendeckende Zensur der Front-Heimat-Sendungen hat es auch nicht gegeben, sonst wär nicht so viel Bildmaterial (Fotoabzüge) von Massenerschießungen und -erhängungen von der Ostfront in die Heimat gelangt.


    Scannst du die Briefe auch ein? - Das dürfte das sinnvollste und materialschonendste Mittel sein, um mit ihnen zu arbeiten, gerade wenn man längere Zeit benötigt, um sie zu entziffern.


    Walter Kempowski hatte ja dieses große Projekt, das Echolot, in dem er Unmengen privater Schriftzeugnisse mit wenigen offiziellen Dokumenten zusammenführte, um eine Art kollektives Tagebuch des Zweiten Weltkrieges zu schaffen. Ein großes Vorhaben eines großen Deutschen. Er ruhe in Frieden :|

  • Auf Dauer ist das alles geplant. Nur würde das aktuell zuviel Zeit kosten. Ich bin froh wenn ich einigermaßen hinter her komme mit der Auswertung. Erster Schritt ist erstmal die Briefe zu katalogisieren mit Stichworten und so in Ordner abzulegen, dass ich sie innerhalb von 1-2 Minuten finde, sobald ich einen bestimmten Brief brauche.


    Solche Vorhaben wie die von Herrn Kempowski finde ich toll. Mal schauen was sich aus meinem Projekt so entwickelt.

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    Konfizius

  • Hier mal eine verkleinerte Ansicht meiner Briefe-Datei, dass man sieht wie genau ich das dokumentiere. Ich habe mittlerweile über 600 zeilen Voll. Davon ist jede Zeile ein Brief (+ Namensverzeichnis der oft vorkommenden Schreiber, Konvolut-Auflistung - damit man auch nachvollziehen kann welcher Brief aus welcher Quelle stammt). Ich glaube wenn man da dran bleibt hat man ruck zuck einige tausend Briefe archiviert. Ich kann dann durch die Suchfunktion und den Stichworten sehr schnell das finden, was ich brauche. Genauso verfahre ich auch mit meinem TV/Film-Archiv, das ich in einer anderen Datei ähnlich ausführlich dokumentiere. Denn das größte Archiv bringt nichts, wenn man nicht das findet, was man sucht.


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    Konfizius

  • Und hier noch ein Zitat zum Thema Bombenterror:


    Quote

    "[...]Mit meiner Gesundheit.[...]"


    Ich hab den Text 1:1 abgeschrieben. Fehler und fehlende Satzzeichen sind also unverfälscht übernommen. Ein Wort konnte ich nicht entziffern. Tippfehler meinerseits könnten vorgekommen sein.


    Im Selben Brief wird die Invaion (D-Day) angesprochen, weil die Empfängerin des Briefe scheinbar bis kurz vor der Invasion an der Französischen Nordküste weilte.

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    Konfizius