Kriegserzählungen

  • Da es bis zum Anschluss 1938 keine allgemeine Wehrpflicht in Österreich gab wurde mein Großvater (geboren 1914) erst 1938 eingezogen. Grundausbildung und Ausbildung zum Panzerfahrer. 1939 gings dann los. Er war stets sehr erzählfreudig und konnte sich noch an viele Erlebnisse gut erinnern. Da die Soldaten damals oft tagelang wach sein mussten wurden Tabletten (Amphetamine) an die Truppen ausgeteilt. Dadurch blieb man lange Zeit wach. Einmal hat er vergessen die Tablette zu nehmen und schlief ein. Als er aufwachte lag er unter einem Haufen toter Soldaten. Man hatte ihn für tot gehalten. Später dann fuhr er in Russland auf eine Panzermine auf und wurde schwer verwundet. Er wurde dann mit einer Ju 52 nach Deutschland bebracht. Dort wollte man ihm die Beine amputieren. Gottseidank hat man dann eine andere Lösung gefunden. Im Krankenzimmer lagen sicher so um die 20 Verletzte. Als eine Putzfrau mit einem Staubsauger saubermachen wollte schrie er "Fliegeralarm". Das Geräusch des Staubsaugers war damals noch recht laut... Sicher eine witzige Szene. Später wollte man ihn noch Afrika schicken. Doch dazu kam es dann nicht mehr...


    "Mein wichtigstes Lebensmotto war immer: Treue. Auch mir selbst gegenüber."
    (Heinz Rühmann, 1902-1994, Schauspieler)


  • Es gab bzw. gibt ja leider viele Zeitzeugen, die nicht über diese Zeit reden und ihre Erinnerungen mit ins Grab nehmen, was sehr schade ist. Denn jedes Schicksal ist auf seine Weise spannend und ein wichtiger Teil der Geschichte.


    Meine Großmutter, die im letzten Jahr leider gestorben ist, erzählte mir immer wieder, dass ich als Kind immer Geschichten von früher hören wollte und auch schon als Kind immer sagte, dass man das unbedingt aufschreiben muss. In meiner Familie ist es so, dass meine Großeltern jeweils zu Jung waren, um "aktiv" im Krieg gewesen zu sein, meine Urgroßeltern waren zu alt. Einige waren noch im Volkssturm und anschileßend in Kriegsgefangenschaft. Meine Großväter sind jeweils Flüchtlinge aus dem deutschen Osten gewesen (Oberschlesien und Österreich-Schlesien). Allein was dort in Erzählungen angedeutet wurde, ist schon sehr hart.

    "Es ist besser, ein einziges kleines Licht anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen."


    Konfizius

  • Die Erinnerungen sind meist schmerzhaft und wurden daher zumeist zurückgehalten. Erinnerungen an unwiederbringliche Verluste, an Demütigungen, Schmerzen, Vergewaltigungen, Traumata durch Fliegerangriffe, Vertreibung, Gewalterfahrungen. Leider hat die Nachfolgegeneration es der Erlebnisgeneration sehr schwergemacht, offen zu reden. Das ist eine Schande, die sich in einem Bruch in der Erinnerungskultur gerächt hat. Heute ist es zu spät, daran noch etwas zu ändern. Ich habe über die Schwierigkeit der Kommunikation zwischen der Großväter- und Enkel-Generation eine kurze Erzählung geschrieben, aber bislang erfolglos versucht, sie zu veröffentlichen.
    In meiner Familie wurde mütterlicherseits gar nichts, und väterlicherseits immer das gleiche (Luftterror) erzählt. Leider war ich damals zu jung, um aufmerksam hinzuhören. Inzwischen sind sie alle lange verstorben, und man kann davon nichts mehr dokumentieren.

  • Meine nahen Angehörigen haben den Krieg fast alle überlebt. Mein Großvater väterlicherseits hatte noch zwei Geschwister die beide älter als er waren. Einen Bruder und eine Schwester. Die Schwester hat in den späten 30ern bis Kriegsende bei der deutschen Post gearbeitet bei der sie viele Briefmarken mitgenommen hat. Beim durchstöbern alter Sachen die mein Großvater aufgehoben hat, habe ich viele interessante Dokumente, Urkunden, Briefe und Pläne gefunden. Habe z.B. gar nicht gewusst dass, die Schwester meines Großvaters (die bei der Post gearbeitet hat) Mitglied bei der NSDAP war. Ich fand mehrere amtliche Dokumente die eigens für ehemalige NSDAP-Mitglieder die Arbeit suchten ausgestellt wurden. Wahrscheinlich wurde man im öffentlichen Dienst wie hier z.B. bei der Reichspost oft in die NSDAP gedrängt. Auf jeden Fall wurden ehemalige NSDAP-Mitglieder nach dem Krieg sehr viel strenger behandelt als andere. Besonders bei der Arbeitssuche nach dem Krieg wurde man deshalb oft abgewiesen. Deswegen wurde eine eigene Abteilung eingerichtet, die nur für ehemalige NSDAP-Mitglieder geschaffen wurde. In den alten Dokumenten fand ich auch einige Dokumente, Schuldscheine und Hauspläne meines Urgroßvaters und meines Ur-Urgroßvaters väterlicherseits aus dem 19. Jahrhundert. So 1850-1890. Interessant war die alte Rechtschreibung: z.B. Cassa statt Kassa oder "th" statt "t". Auch die original Pläne unsere alten Gründerzeithäuser habe ich gefunden. Unsere Häuser wurden so 1840 und 1898 von meinem Ur-Urgroßvater erbaut. Ich werde demnächst ein paar Fotos davon einstellen... :)


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    (Heinz Rühmann, 1902-1994, Schauspieler)


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  • Beim durchstöbern alter Sachen die mein Großvater aufgehoben hat, habe ich viele interessante Dokumente, Urkunden, Briefe und Pläne gefunden.

    Unbedingt gut aufheben! In unserem Haushalt gibt es fast nichts, weil Großeltern und Eltern fast alles entsorgt haben, das nicht den Bomben zum Opfer fiel :(

  • Bei uns ist sehr viel verloren gegangen, weil meine Großeltern (jeweils die Großväter) Flüchtlinge waren. Bei einer Seite bin ich froh, dass noch ein Foto meiner Urgroßeltern erhalten ist, die Kurz vor Kriegsende gestorben sind (und deshalb glücklicherweise die Strapazen der Flucht nicht mehr mitmachen mussten - die sie vielleicht garnicht überlebt hätten). Bei der anderen Seite hat mein damals 14-jähriger Großvater alle Familienfotos mit eingepackt, weil er schon ahnte was passieren könnte (damals hieß es ja lediglich, man soll die Häuser verlassen, in 2-3 Tage darf man wieder rein. Da hat man in der Regel nur das Wichtigste mitgenommen). Er sagte damals zu seinen Eltern "Alles kann man ersetzen, nur das nicht". Von dieser Seite habe ich nach und nach immer mal 1-2 Fotos von meinem Großvater geschenkt bekommen, aber das Meiste (sehr sehr viel) der Unterlagen und Sammlungen (die er teilweise erst nach dem Krieg zusammengetragen hat), besitzt mein Onkel. Aber hier ist auch interessant, dass meine Vorfahren aus Österreich-Schlesien schon viel fortschrittlicher waren, als die aus Oberschlesien oder Franken. Sie haben sehr viel photographiert, obwohl sie auch eher Bauern waren. Mein Großvater hat auch erzählt, dass sie, als die Russen kamen, die Geigen und Klarinetten auf dem Feld vergraben haben. Dort gab es scheinbar auch zahlreiche grausame Vergewaltigungsfälle von den Russen.


    Von der anderen Seite habe ich wenigstens ein paar schöne Unterlagen meines Urgroßvaters großmütterlicherseits bekommen. Jedoch sind hier die ältesten Sachen aus den 20r Jahre (Arbeitsunterlagen, Ein Nachtkästchen, eine Uhr). Frühere Dinge sind nicht erhalten, da meine Vorfahren alles Bauern waren (mein Urgroßvater von dem ich gerade geschrieben habe war z.B. Schäfer, dessen Vater auch. Für ländliche Verhältnisse damalas ein "besserer" Beruf, gerade weil sie für ein sehr großes Schloßgut gearbeitet haben). Neben der Tatsache, dass es alles einfache Leute waren, spielt sicher auch mit, dass es viele Geschwister gab und alle meine Großeltern/Urgroßeltern weggezogen sind bzw. nicht immer die ältesten Geschwiester waren. Die Kinder die jeweils bei den Eltern blieben haben sicher die Unterlagen aufgehoben (mein Urgroßvater der Schäfer war hatte noch 4 Brüder). So hat sich das alles verstreut und da im Grunde kein Kontakt zu den jeweiligen Familien da ist bzw. man ggf. garnicht weiss wer das ist, wird das schwer werden, die alten Unterlagen einzusehen - wenn sie überhaupt noch vorhanden sind.


    Bei meinem Urgroßvater der Schäfer war, gab es auch noch eine Kriegserzählung, dass sie damals den Schinken, den sie zu Kriegsende hatten, alle unter den Küchentrisch gehängt haben, damit US-Armee den Schinken nicht klaut.

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    Konfizius

  • Geschichte ist einfach einmalig, wunderbar und soooooooooooo spannend. Vor allem die einen Familiengeschichte.:)


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  • Ich suhle mich nahezug tagtäglich darin. Wenn Du wüsstest wies in meinem Büro ausschaut :D Wobei es in dem Fall nicht die Familiengeschichte ist, aber mit der beschäftige ich mich im Rahmen meiner Möglichkeiten natürlich auch immer wieder gerne. Leider sind jedoch kaum Schriftzeugnisse aus der Zeit vor 1950 vorhanden. Immerhin einige Fotos usw.

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    Konfizius

  • 2014 hatte ich woanders ein Thema eröffnet mit dem Titel "Zeitbilder der Brückenwelt Courage". Für mich gibt es keine Familienkriegserzählungen. Außer das, was Opa mir mündlich erzählte.


    Ich hatte mit diesem Menschen eröffnet:

    https://charismatismus.wordpre…che-und-retter-der-juden/

    Wenn ich sowas sehe, dann packt es mich. Ganz anders als bei Filmen, wo ich das Grausen kriege.....

  • Habe hier den original Waffenpass meines Urgroßvaters väterlicherseits (geb. 1876) aus dem Jahre 1913 kurz vor dem Ersten Weltkriege gefunden. Wunderbar ein 106 Jahre altes Dokument meines Ur-Großvaters. Schade, dass er schon 1952 verstarb.: ;)




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  • Mein Urgroßvater aus der väterlichen Linie ist kurz vor der Jahrhundertwende geboren. Und Du bist jünger als ich. Da sieht man mal wie sich die Generationen verschieben können ;)

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    Konfizius

  • Meine Urgroßväter waren dann zum Teil für den 1. Weltkrieg zu Jung und für den 2. Weltkrieg zu alt.


    Wobei der besagte Großvater aus der väterlichen Linie am Ende noch im 1. Weltkrieg war und im 2. dann zum Schluss wieder im Volkssturm. Andere wurden in der Landwirtschaft gebraucht (einer war z.B. Schäfer). Aber Mütterlicherseits war ein Urgroßvater ich glaube in beiden Weltkriegen aktiv. Und ein Ururgroßvater im 1. Weltkrieg

    Zum Glück habe ich viel notiert und auch einige Gespräche mit Verwandten aufgezeichnet, sonst könnte ich vieles nicht mehr rekonstruieren. Leider interessiert sich kaum jemand für die Familiengeschichte. Dafür kommen ggf. mal die späteren Generationen alle auf mich zu weil ich die einzigen Infos habe.

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    Konfizius

  • Mein Urgroßvater aus der väterlichen Linie ist kurz vor der Jahrhundertwende geboren. Und Du bist jünger als ich. Da sieht man mal wie sich die Generationen verschieben können ;)

    Mach kein Drama wegen 2 1/2 Jahren. :D Ja das stimmt, das ist ja auch das Problem zwischen meinen Eltern. Die sind 11 Jahre auseinander und sind beide von drei Kindern die Jüngsten gewesen. Ich dagegen bin der Älteste meiner Familie. Mein zwei Geschwister sind jünger.


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    (Heinz Rühmann, 1902-1994, Schauspieler)


  • Hier habe ich auch noch zwei Entlassungsscheine meines Ur-Großvaters (geb. 1876) aus dem Jahr 1918/22 gefunden die nach dem Ende des 1. Weltkrieges (1914-1918) 1918 dann 1922 ausgestellt wurden. Enthalten sind auch die Kriegsschausplätze-Einsatzgebiete:




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  • Sehr sympathischer Kerl der noch sehr klar und agil für sein hohes Alter wirkt. Ein sehr ehrlicher und aufrechter Mensch:;)


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  • Ostpreußischer Rundfunk: Anneliese Goebel: Memel, Flucht aus Ostpreußen, Dänemark, Neubeginn im Rheinland (vollst. Gespräch)


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