Stummfilme

  • Zitat

    Den Stummfilm gibt es ebensowenig wie den Tonfilm, und insofern ist es auch kaum möglich, einen bestimmten Film als "Stummfilm-Botschafter" auszusuchen.

    Klar sucht man sich keinen Film absichtlich als "Stummfilm-Botschafter" raus. Solche "Mandate" entwickeln sich von selbst. Aber wer vom deutschen Stummfilm auch nur das kleinste bisschen weiß, der kennt den Titel Metropolis, selbst wenn er sonst keinen anderen Film kennt. Umgekehrt habe ich es noch nie erlebt, dass jemand irgendeinen anderen deutschen Stummfilm kennt, ohne Metropolis auch zu kennen. Insofern ist dieser Film einfach ein Mythos.


    Natürlich wirkt jeder Film auf jeden anders. Das ist selbstverständlich (Der letzte Mann reißt mich persönlich zum Beispiel auch nicht grad vom Hocker, obwohl ich nicht im Geringsten bestreiten will, dass das ein ganz toller Film ist) Und ich will auch überhaupt nicht bestreiten, dass Metropolis tolle Szenen hat. Mir ist halt nur aufgefallen, dass jeder bei dem Film Riesenerwartungen hat, aber dass eben doch sehr viele danach enttäuscht sind. Und nachdem Metropolis so ein Mythos ist, scheinen viele zu versuchen ihn als "Einstieg" zu nehmen.

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

    2 Mal editiert, zuletzt von Austernprinzessin ()

  • Ich bin auch nicht wirklich ein Stummfilm-Spezialist und

    kenne von früher vorwiegend die Slapstick-Filme. Bei mir ist es eher so, dass ich mir eigentlich nur dann einen Stummfilm anschaue, wenn ein Schauspieler aus der Tonfilmzeit mitwirkt (zB "Der Turm des Schweigens" hab ich mir wegen Jenny Jugo angeschaut, als er auf ARTE lief)

    Irgendwie hab ich den Eindruck, dass sich viele neuerdings eher für den Stummfilm interessieren, als für den Tonfilm bis ´45 und ein paar Jahre darüber hinaus. Liegt das eventuell u.a. auch daran, dass man viele Stummfilme mit einer neuen, zum Teil zeitgenössisch-klingenden Musik zeigt und deshalb diese Filme eher "geupdatet" wirken als zb die frühen Tonfilme?

    "Alkohol in Maßen genossen, schadet auch in größeren Mengen nicht"


    Anderl Heckmair (1906-2005), deutscher Bergführer und Alpinist

  • Also ich muss schon sagen, dass gerade die Urfassung von Metropolis sehrwohl ein guter Stummfilm-Vorgzeigefilm ist. Ich habe mir vor der Premiere in Frankfurt bewusst mal ganz in ruhe die alte unvollständige Fassung angeschaut und fand die ganz nett. Die Urfassung hat mich aber richtig mitgerissen (also allein von der Handlung her, unabhängig vom live-orchester usw). Es war zwar alles sehr lang nach hinten raus, aber die Geschichte war, wie Carry Klips sagt bestes Popcornkino, wie ein Urvater des modernen Hollywoodfilms, nur eben stilvoller und aufgrund der Bilder, der "alten Zeit" usw. viel mitreissender. Und gerade auch die Figur die Fritz Rasp darstellt, "rockte" für mich die neue/alte Fassung ordentlich, wenn ich es mal so formulieren darf ;)

    "Es ist besser, ein einziges kleines Licht anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen."


    Konfizius

  • Mathias77: In den letzten Jahrzehnten konnte man schon deutlich beobachten, dass ein Umdenken stattgefunden hat. (Mir ist das persönlich schon in den 80er Jahren aufgefallen. Aber das liegt natürlich auch mit daran, dass ich damals eingestiegen bin.) Da hängt viel natürlich auch damit zusammen, dass man jetzt ganz andere technische Möglichkeiten der Konservierung oder Restaurierung hat als früher.

    Zum Beispiel ist jetzt Fritz Langs Film Harakiri zugänglich. Joe Hembus schreibt noch Anfang der 80er Jahren, dass der Film auf Grund seiner Schrumpfschäden nicht spielbar sei.

    Und es ist jetzt kein Problem an viele Komödien der Slapstickschauspieler im Original zu kommen. Als ich angefangen habe mich dafür zu interessieren, war das allenfalls bei wirklich großen Namen möglich. Sonst ging das nur über Väter der Klamotte oder Klamottenkiste


    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • Zitat

    Zitat von Conrad:

    Ich bin froh, dass sich da mittlerweile das Interesse nicht mehr nur auf die großen Namen richtet, sondern auch die Komiker aus der zweiten und dritten Reihe in den Fokus rücken. Und da gibt es sehr viel Interessantes. Roscoe Arbuckle und Charley Chase haben in den letzten Jahren eine gewaltige Aufwertung erfahren, genauso wie davor schon die Our Gang-Komödien. Irgendwie hat sich auch Larry Semon nach oben "geschlichen". Bei ihm ist das ganz kurios: Jeder kennt ihn, fast jeder kritisiert ihn, aber die gleichen Leute verehren ihn auch, ohne sich das einzugestehen.

    Über die Laurel und Hardy Filme bin ich auch zu Roscoe Arbuckle, Larry Semon und Charly Chase gekommen, die hatte ich in meinem vorherigen Beitrag ganz vergessen zu erwähnen. Ich finde alle drei Darsteller gut, und wüsste nicht, was ich an Larry Semon kritisieren sollte

  • Metropolis war glaube ich auch mein erster deutscher Stummfilm den ich gesehen habe. Als erster sogar die Moroder-Fassung mit moderner Musik der 80er. Habe ich übrigens auch auf DVD. Metropolis ist meiner Meinung nach sicher, neben "Die Nibelungen" und "Nosferatu" das Aushängeschild des deutschen Stummfilms. Wie bei den Ufa-Tonfilmen z.B. "Die Drei von der Tankstelle", "M" und "Münchhausen" und auch "Die Feuerzangenbowle". "Der blaue Engel" ist meiner Meinung nach schrecklich. Überhaupt nicht mein Fall. Kann auch mit der Dietrich im deutschen Tonfilm gar nichts anfangen. Auch Jannings gefiel mir in der Rolle gar nicht. Meiner Meinung nach eine seiner schlechtesten Rollen. Also mich konnte er in "der blaue Engel" nicht überzeugen.


    Metropolis gefiel mir ehrlich gesagt in der kürzeren Fassung besser da er viele Längen hat. Viele Leute von heute verstehen nicht warum viele Filme damals vom Regisseur verkürzt und geschnitten wurden. Das hatte ja ein paar Gründe: 1. Spannungsbogen aufrecht halten. 2. Wirtschaftlicher Gedanke. 3. Den Film an das Publikum anpassen, niemand wollte damals überlange Filme sehen...


    Oft gefallen mir die kürzeren Fassungen besser als die überlangen. Sicher habe ich mich damals auch gefreut als die Langfassung aufgetaucht ist. Aber filmisch gefällt mir die kürzere Version besser. Ich wunderte mich schon als davon die Rede war dass die Langfassung verschollen ist und wie schrecklich das ist. Aber das hatte ja einen Sinn und Fritz Lang wusste das und wollte sicher nicht dass das Publikum während des Films einschläft. Ja, Metropolis war damals noch nicht Kult und war eher ein Flop weil das Publikum damals noch nicht für seinen Film bereit war...


    "Mein wichtigstes Lebensmotto war immer: Treue. Auch mir selbst gegenüber."
    (Heinz Rühmann, 1902-1994, Schauspieler)


  • Zitat
    Ich finde alle drei Darsteller gut, und wüsste nicht, was ich an Larry Semon kritisieren sollte

    Ganz kurz zusammengefasst: Larry Semon wird oft vorgeworfen, dass seine Filme bei weitem nicht so sensibel waren wie die von ganz vielen anderen. Auch vom Filmischen her steht der Aufwand, den er für seine Komödien trieb, letzten Endes nicht dafür, was als Resultat dabei rauskam. Außerdem sorgte er ziemlich rabiat dafür, dass neben ihm niemand anders zur Geltung kam. Für seine "Vorschlaghammer-Methoden" kann man auch tatsächlich viele Belege in seinen Filmen finden. Und in dem Moment, als er ambitionierter wurde, hat er konsequenterweise Schiffbruch erlitten und ist pleite gegangen. Sein früher Tod war ganz sicher auch eine Folge aus all dem. Trotzdem war er nicht nur zeitweise einer der erfolgreichsten Komiker, er steht immer noch als ein Symbol für den Stummfilmkomiker, obwohl auf ihm immer wieder rumgehackt wird. Interessanterweise scheint die Popularität seiner Filme vollkommen immun gegen all die Kritik zu sein. Deshalb bin ich überzeugt davon, dass sie die Zeit überdauern werden.

    Bei Roscoe Arbuckle hat es aber auch sehr lange gedauert bis sein Wert als eigenständiger Komiker anerkannt wurde. Dass er in die vorderste Reihe vorgerückt ist, ist so richtig erst in den letzten Jahren geschehen.

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

    4 Mal editiert, zuletzt von Austernprinzessin ()

  • Viele Leute von heute verstehen nicht warum viele Filme damals vom Regisseur verkürzt und geschnitten wurden. Das hatte ja ein paar Gründe: 1. Spannungsbogen aufrecht halten. 2. Wirtschaftlicher Gedanke. 3. Den Film an das Publikum anpassen, niemand wollte damals überlange Filme sehen...


    [...]

    Ich wunderte mich schon als davon die Rede war dass die Langfassung verschollen ist und wie schrecklich das ist. Aber das hatte ja einen Sinn und Fritz Lang wusste das und wollte sicher nicht dass das Publikum während des Films einschläft. Ja, Metropolis war damals noch nicht Kult und war eher ein Flop weil das Publikum damals noch nicht für seinen Film bereit war...

    Ich bezweifle, daß der arme Fritz Lang mit den Kürzungen - ob nun aus guten Gründen oder nicht - etwas zu tun hatte. Das geschah allein auf Veranlassung der UFA, weil der Film bei der Premiere gefloppt war und die Kritiken teils vernichtend waren.


    Zitat aus wikipedia:


    "Die finanziell angeschlagene Ufa wurde im März 1927 von dem damals einflussreichsten deutschen Medienunternehmer Alfred Hugenberg übernommen. Danach wurde die Premierenfassung eingezogen, die Kopien wurden vernichtet. Am 25. August desselben Jahres hatte eine nach amerikanischem Vorbild gekürzte und inhaltlich abgewandelte Version in den Münchener Sendlinger-Tor-Lichtspielen und im Ufa-Palast Stuttgart „Premiere“, fand aber ebenfalls kaum Publikum."


    Und in Bezug auf die amerikanische Fassung, die offenbar das Vorbild für die gekürzte UFA-Version war, heißt es:


    "Auf Metropolis angesprochen, meinte Lang später gelegentlich, er äußere sich nicht zu einem Film, der „nicht mehr existiere“."


    Das klingt alles überhaupt nicht so, als ob der Regisseur mit den Änderungen einverstanden gewesen wäre.


    Und der weitgehend wiederhergestellte Film (in der Rekonstruktion von 2010) hat mich persönlich noch weitaus mehr überzeugt hat als in den kürzeren Fassungen. Der ganze Rhythmus des Films ist viel ausgewogener, und dann auch noch der von Sebastian bereits erwähnte Fritz-Rasp-Subplot... Großartig! Und keine Minute zu lang ;)


  • ja das war die einzige interessante Sequenz die mit Fritz Rasp. ;) Aber der Rest vom wiedergefundenen Material ist nicht so prickelnd, also dem Film helfen sie nicht weiter. Spannender als Metropolis fand ich Fritz Langs "Spione" und "Frau im Mond". Wunderbare spannende Filme bis zur letzten Minute. Ich schätze Metropolis auch sehr und ich finde ihn genial gemacht aber von der Spannung her und vom "an den Bildschirm fessel Karakter" ziehe ich "Spione" und "Frau im Mond" Metropolis vor.:)


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    (Heinz Rühmann, 1902-1994, Schauspieler)


  • Ja, Spione finde ich auch super. Auf den Film hatte ich zwanzig Jahre gewartet bis ich ihn endlich mal sehen konnte und war kein bisschen enttäuscht, obwohl der Film zweieinhalb Stunden lang ist. Frau im Mond muss ich mir demnächst mal wieder anschauen. Da kann ich im Moment nicht richtig was zu sagen.

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  • Quax

    Geht mit mit "Der blaue Engel" genauso. Der Film ist so ein "bäh"-Film, der mir nicht gefällt. Der hat eine ähnliche Wirkung wie "Die Blechtrommel" auf mich - abstoßend. Auch wenn ich ihn in seinem historischen Kontext sehr interessant finde. Und allein wegen Rosa Valetti ist es wert, den Film zu sehen.


    Carry Klips

    Zitat

    Ich bezweifle, daß der arme Fritz Lang mit den Kürzungen - ob nun aus guten Gründen oder nicht - etwas zu tun hatte. Das geschah allein auf Veranlassung der UFA, weil der Film bei der Premiere gefloppt war und die Kritiken teils vernichtend waren.

    Wird nicht in den Metropolis-Dokus irgendwo gesagt, dass Fritz Lang sehr gegen die Kürzungen war und er die diktatorische Art und Weise wie viele Filmverleihe mit dem Originalwerk umgehen, nicht befürwortet? Ich glaube man hat sogar einen Brief von ihm gezeigt, den er geschrieben hat zu diesem Thema, nachdem Enno Patalas, wars glaube ich, im Rahmen der Restaurationsbemühungen, ihn bzgl. der Reihenfolge der Sequenzen angeschrieben hatte.


    Zitat

    Und der weitgehend wiederhergestellte Film (in der Rekonstruktion von 2010) hat mich persönlich noch weitaus mehr überzeugt hat als in den kürzeren Fassungen. Der ganze Rhythmus des Films ist viel ausgewogener, und dann auch noch der von Sebastian bereits erwähnte Fritz-Rasp-Subplot... Großartig! Und keine Minute zu lang ;)

    Ja, sehe ich absolut auch so. Wobei ich schon verstehen kann, wenn es manchen zu lang ist. Gerade die Finalsequenzen mit der Flutung usw. sind schon spürbar lange.


    Quax


    Zitat


    ja das war die einzige interessante Sequenz die mit Fritz Rasp. ;) Aber der Rest vom wiedergefundenen Material ist nicht so prickelnd, also dem Film helfen sie nicht weiter.

    Finde ich schon. Also nicht die einzelnen Stellen an sich, sondern einfach der Gesamteindruck - bzw. wie Carry es schreibt, der Rhythmus und der "Flow" des ganzen Films wird dadurch ein ganz anderer, ein besserer (meiner Meinung nach). Alles wird viel runder, verständlicher und "richtig". So wie er eben von seinem Urheber erdacht war bzw. umgesetzt wurde.


    Spione habe ich als Blu-ray im DVD-Regal stehen - den werde ich mir in ruhigen Stunden mal gönnen. Frau im Mond muss ich mir auch erst mal anschauen.

    "Es ist besser, ein einziges kleines Licht anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen."


    Konfizius

  • Zitat

    Und der weitgehend wiederhergestellte Film (in der Rekonstruktion von 2010) hat mich persönlich noch weitaus mehr überzeugt hat als in den kürzeren Fassungen. Der ganze Rhythmus des Films ist viel ausgewogener, und dann auch noch der von Sebastian bereits erwähnte Fritz-Rasp-Subplot... Großartig! Und keine Minute zu lang ;)

    Also ich bin bei sowas schon aus anderen Gründen absoluter Purist. Die Filmschaffenden haben die vollkommene Autorität über ihr Kunstwerk. Und Kürzungen, die nicht vom Regisseur autorisiert wurden, sind für mich persönlich absolute NoGo-Fassungen. Im Zweifelsfall kämpfe ich mich dann lieber durch einen Film durch...

    William K. Everson lobt die gekürzte Fassung von Das Testament des Dr. Mabuse, die in den USA gelaufen ist, weil da viele Längen rausgeschnitten worden seien. Dadurch sei der Film besser geworden. Ich schätze Everson und seine Arbeit sehr, aber solche Brachialmethoden als legitime filmkosmetische Methoden anzuerkennen entspricht eigentlich nicht dem Niveau seriöser Filmhistoriker X(

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • Habe mir ja vor ein paar Wochen die "Fritz Lang Blu-Ray Box" gekauft in der Spione, Frau im Mond, Metropolis, Die Nibelungen, Dr. Mabuse - der Spieler und Der müde Tod gekauft. Alles restaurierte Fassungen. (Siehe Anhang) Hast du auch diese Box, Sebastian?


    Ja, "Der blaue Engel" ist streckenweise gut aber im Ganzen gefällt er mir nicht. Mir sagen eigentlich nur Filme zu in denen mich die Schauspieler in ihren Rollen überzeugen können. z.B: "M", Peter Lorre, Gustaf Gründgens, etc... Oder Emil Jannings in "Der zerbrochene Krug". ;)

  • Nein, aber die kann ich mir mal vormerken.


    Was ich habe von Fritz Lang:


    Blu-ray:
    - Spione
    - Metropolis
    - M

    DVD
    - M

    - Das Testament des Dr. Mabuse
    - Die 1000 Augen des Dr. Mabuse
    - Metropolis Deluxe Edition (mit der Filmversion von 2001)

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    Konfizius

  • ..

    Irgendwie hab ich den Eindruck, dass sich viele neuerdings eher für den Stummfilm interessieren, als für den Tonfilm bis ´45 und ein paar Jahre darüber hinaus. Liegt das eventuell u.a. auch daran, dass man viele Stummfilme mit einer neuen, zum Teil zeitgenössisch-klingenden Musik zeigt und deshalb diese Filme eher "geupdatet" wirken als zb die frühen Tonfilme?

    Viele Stummfilm Restaurierungen erhalten tatasächlich mangels überlieferter (oder schlichtweg nicht vorhandener) Originalmusik einen neuen "Soundtrack". Leider, muss man sagen. Denn oftmals erhalten diese Filme eine eher experimentelle, avantgardistische musikalische Begleitung, die überhaupt nicht mehr zum Film passt, und im schlimmsten Fall sogar gegen den Film arbeitet und ihn damit unanschaubar macht. Krassestes Beispiel ist die Restaurierung von E.A. Duponts Meisterwerk Varieté mit Emil Jannings. Die Begleitmusik der "Tiger Lillies" macht den Film ernsthaft nicht anschaubar und damit die ganze ansonsten sehr schöne Restaurierung kaputt. Das gleiche gilt in abgeschwächter Form für den Film Mutter Krausens Fahrt ins Glück von 1929. Die sehr avantgardistische Musik passt überhaupt nicht zum Film und stellt sich zu sehr in den Mittelpunkt. Damit verkommt der Film als optisches Beiwerk zur Musik. Bestenfalls ist die moderne Musik weniger aufdringlich und mit etwas Toleranz ertragbar, wie zuletzt bei der Restaurierung von Das Alte Gesetz. Ein Glücksfall sind die Filme, von denen es eine überlieferte Originalmusik gibt, wie z.B, Die Nibelungen, Metropolis, oder auch Richard Wagner (1913) , die dann mit Orchester neu eingespielt wird. Das ist dann eine wirklich authentische Restaurierung und macht den Film wieder so erlebbar wie er damals auch aufgeführt wurde. Warum man viele Restaurierungen mit moderner Musik wieder zunichte macht, bleibt ein Rätsel. Eine simple, improvisierte Klavierbegleitung wird einem Stummfilm viel gerechter und unterstützt den visuellen Eindruck wesentlich besser, als irgendein selbstverliebter Avantgarde / Elektronik Soundtrack, der aber auch garnichts mit dem Film mehr zu tun hat!!

  • sisterandi

    Ich persönlich finde auch, dass mit so einer modernen Musik die Filmatmosphäre verfälscht wird. Mit fehlt dann schon die Aura des damaligen Zeitgeistes, der jeweiligen Dekade. Würdest du meinen, dass vielleicht das so gewollt ist, um die Filme gewissermaßen "upzudaten", sowie man das doch auch mit modernen Theater- oder Operninszenierungen macht.

    "Alkohol in Maßen genossen, schadet auch in größeren Mengen nicht"


    Anderl Heckmair (1906-2005), deutscher Bergführer und Alpinist

  • Zitat

    Zitat von sisterandi:

    Warum man viele Restaurierungen mit moderner Musik wieder zunichte macht, bleibt ein Rätsel. Eine simple, improvisierte Klavierbegleitung wird einem Stummfilm viel gerechter und unterstützt den visuellen Eindruck wesentlich besser, als irgendein selbstverliebter Avantgarde / Elektronik Soundtrack, der aber auch garnichts mit dem Film mehr zu tun hat!!


    Mein Eindruck ist einfach der, dass jeder Komponist halt auch Künstler ist, der sich persönlich einbringen will und selbst zum Ausdruck bringen will. Und das gilt dann auch für die Verantwortlichen der DVD-Editionen, die ihrer eigenen Ausgabe einen persönlichen Stempel aufdrücken wollen. Und das ist bei einer Begleitmusik natürlich eine gefährliche Gratwanderung, weil man dort hinter den Film zurücktreten müsste. Das fällt vielen schwer.

    Ich habe schon viel Unterschiedliches zu Filmmusiken gelesen, aber viele Vorführungen wurden doch von Musikern begleitet, die feste musikalische Sequenzen variiert haben, oder nicht?


    Zu der Veröffentlichung von Varieté gibt es ein Interview mit Anke Wilkening von der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Gesellschaft, das sie einige Monate vor der Veröffentlichung gegeben hat. Da wird deutlich, dass sie schon ein mulmiges Gefühl hatte, weil sie sinngemäß gesagt hat, dass die neue Begleitmusik für einige Leute etwas gewöhnungsbedürftig sein könnte.


    Die gelbe Einfärbung der Restaurierung von Die Nibelungen wurde teilweise auch sehr negativ aufgenommen. Irgendwie scheint die Murnau-Gesellschaft bei ihren Veröffentlichungen immer wieder zu polarisieren. Nach den persönlichen Erfahrungen, die ich mit ihr gemacht habe, gehe ich davon aus, dass dort einfach zu viele Elefanten im Porzellanladen nach dem Motto "Augen zu und durch" mitmischen. Anders kann ich mir das nicht vorstellen.

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

    Einmal editiert, zuletzt von Austernprinzessin ()

  • Der Film "Nerven" von 1919 ist meiner Meinung nach ein Vorzeigefilm bezüglich Musik aus der Stummfilmära. So würde ich mir das für viele Filme wünschen, dann könnte ich mich diesen Filmen wesentlich besser nähern.


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