Re-Enactment in Dokumentationen

  • In vielen Dokumentationen, vor allem solchen, die historische Stoffe behandeln, bedient man sich des sogenannten Re-Enactments. Das heißt, daß die behandelten Ereignisse mit Schauspielern nachgespielt werden. Insbesondere Dokumentationen aus dem angelsächsischen Raum nutzen dieses Stilmittel häufig, aber auch deutsche Produktionen (z. B. die 10-teilige Dokumentation "Die Deutschen") setzen dies immer häufiger ein. Um die Inhalte einem breiten Publikum näher zu bringen, ist diese Methode prinzipiell nicht verkehrt. Doch bei der Umsetzung gilt es vieles zu beachten.


    Möchte man die Szenen so authentisch wie möglich darstellen, erfordert dies einen großen Aufwand und tief greifende Recherchen, damit z. B. die Kleidung der Protagonisten korrekt dargestellt wird. Besonders bei historischen Ereignissen sind in der Regel die Dialoge der darzustellenden Personen nicht überliefert. Hier muß man also Kompromisse machen. Es wäre z. B. auch nicht sinnvoll, in einer Szene, die im Mittelalter spielen soll, die Akteure mittelhochdeutsch sprechen zu lassen, weil es die Zuschauer verwirren oder abschrecken könnte. Da sich historische Ereignisse eben einfach nicht exakt rekonstruieren lassen, ist auch immer ein bestimmtes Maß an Fiktion dabei. Heraus kommt eine Art "Infotainment", bei dem sachliche Information und Schauspiel vermischt werden. Wer natürlich über entsprechendes Hintergrundwissen verfügt, dem ist klar, daß die dargestellten Szenen nicht authentisch sein können. Aber bei interessierten Laien könnte evtl. schon die Gefahr bestehen, das gezeigte zu wörtlich zu nehmen?


    Daher ist das Re-Enactment in Dokumentationen in wissenschaftlichen Kreisen entsprechend umstritten. Aber die Macher der Dokumentationen müssen sich eben überlegen, wen sie ansprechen wollen, nur ein kleines, akademisch gebildetes Publikum oder so viele Zuschauer wie möglich? Allen Zuschauern wird man es sowieso nicht recht machen können und ich finde es eigentlich sinnvoll, wenn das Fernsehen so vielen Menschen wie möglich Wissen vermitteln möchte. Die Gebildeten wissen schließlich sowieso, wie sie an ihre Informationen kommen und sind nicht in dem Maße auf Fernsehdokumentationen angewiesen, wobei natürlich auch für diese Gruppe Fernsehdokumentationen sehr interessant sein können. Was ist Eure Meinung dazu?

  • Ich finde das eigentlich immer eine schöne Sache, weil es das Ganze besser verdeutlicht. Dass es in Wirklichkeit ein wenig oder deutlich anders war, müsste jeden Zuschauer klar sein. Von daher finde ich das in Ordnung, schließlich sollte eine Doku nicht nur informiere, sondern auch unterhalten, wenn sie einem breiten Publikum gezeigt werden soll.

    "Es ist besser, ein einziges kleines Licht anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen."


    Konfizius

  • Ich finde das auch eine sehr gute Sache, denn Dokumentationen, die einfach nur etwas erzählen ohne diese "Spielszenen" schalte ich eigentlich ab, da es mir schlichtweg zu langweilig ist, ich irgendwann abschalte und nicht mehr mitkriege, um was es geht.


    Natürlich ist eine gewisse Authentizität auch wichtig, aber überkorrekt sollte man wirklich nicht werden und die Schauspieler zum Beispiel Mittelhochdeutsch sprechen lassen. Versteht ja eh kaum einer (der es nicht zufällig studiert hat). Wer es superwissenschaftlich will, der guckt sich eh keine Fernsehdokumentationen an, sondern studiert Originaltexte in Latein etc. Fernsehdokumentationen sind eher für das breite Publikum gemacht und das finde ich auch richtig so.

  • Also ich finde Reenactment im deutschen Fernsehen grauenhaft.
    Da werden dann irgendwelche Pseudomimen aus der untersten Schublade aufgeboten, die mit den "verkörperten" historischen Persönlichkeiten aber auch gar keine Gemeinsamkeit haben, und die müssen dann bedeutungsschwere Mimik oder Gestik auffahren oder im schlimmsten Fall sogar peinliche Dialoge von sich geben.
    Gerade bei Dokumentationen über den Nationalsozialismus krieg ich die Krise, wenn ich sowas sehe.
    Sorry - aber da ist bei mir die Toleranzgrenze erreicht. Wenn die wenigstens Geld investieren würden, um uns vernünftige Nachinszenierungen zu bieten - aber bei dem, was ich im deutschen TV gesehen habe, liegt das künstlerische Niveau etwa auf Höhe des durchschnittlichen Pornos - der Unterhaltungswert wesentlich darunter!

  • Ich habe vor einem Jahr ca. auf N24 eine Doku über Göring in Nürnberg gesehen. Da war der Schauspieler, der Göring spielte, auch alles andere als authentisch... Wenn es um direkte Personen der Geschichte geht, ist das immer sehr kritisch. Prinzipiell finde ich es aber gut, damit die Doku nicht zu trocken wird. Ich habe auch schon gesehen dass man die Person, um die es geht, gar nicht richtig zeigt, in solchen Dokumentationen. Man sieht die Person z.B. nur gehen oder in eienr Runde diskutieren, ohne, dass man hört was er sagt, oder dass man ihn von vorne sieht. Das ist eigentlich auch eine gute Lösung. Man veranschaulicht das, was damals geschehen ist, verfälscht dies aber auch nicht im Wesentlichen.

    "Es ist besser, ein einziges kleines Licht anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen."


    Konfizius

  • Da bin ich ganz der Meinung von Deutsche Farben, Dokus solcher Art kann ich grundsätzlich nicht ernstnehmen, weil sie umgekehrt mich als Zuschauer nicht für voll nehmen. Schnelle Schnitte, billige Animationen, klischeehafte Darstellungen, an der Oberfläche kratzender Inhalt reißerisch erzählt - so nehme zumindest ich die jüngeren ZDF-Sendungen wahr. Wenn ich eine Dokumentation anschauen möchte, weiß ich, worauf ich mich einlasse und nehme einen trockenen Stil gerne für wertvolle Information in Kauf.
    Allerdings bin ich nicht grundsätzlich gegen nachgestellte Szenen, wenn sie keine Möchtegern-Hollywood-Machart aufweisen und authentisch wirken, was sicher auf so ziemlich alle Produktionen des vorigen Jahrtausends zutrifft.