Architektur: Bauwerke, Wiederaufbauten, Neubauten,...

  • "Bauklötze auftürmen kann auch er ..." :D :D


    Ich würde das nicht als Polemik abtun. Es ist eine politische Positionierung, die viele (wenn auch evtl. nicht ganz 90 %) der Deutschen teilen. Ich ebenso.


    Wir wollen wieder deutsche Seele und deutsches Wesen in den Bauten der Gegenwart verspüren!


    Das ist legitim, also lasst euch nicht abhalten, dafür zu streiten und zu kämpfen.

  • In einer TV-Serie die u.a. in der Zeit vor 100 Jahren spielt gibt es einen Dialog zwischen zwei Münchnern die sich über die Architektur beschweren, nach dem Motto "Hauptsache es ist schön". Ich glaube aber, dass diese Figuren heute auch diese schönen Gebäude bewundern würden, wenn sie sie in Kontrast zu modernen Gebäuden miterleben müssten.
    Von daher hat jh natürlich nicht unrecht, aber trotzdem bin ich klar auf der Seite des Videos bzw. auf der Seite von Detlef.

    "Es ist besser, ein einziges kleines Licht anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen."


    Konfizius

  • Ein wenig muss ich nun doch noch zurück rudern. Ich hab mir gestern noch ein wenig Gedanken über das Thema gemacht und mir fällt in alten Briefen und Tagebüchern immer wieder auf, dass die Leute entzückt sind, wenn sie die großen Bauten in den deutschen Städten sehen, egal ob Kirchenbauten oder Staatsbauten. Das Volk wurde zwar nicht gefragt, aber es waren - bisher habe ich keinen Beleg gefunden der dagegen spricht (ich spreche von einer Zeit von ca. 1820 bis heute - gerade im 19. Jahrhundert und auch durch die Kriegszerstörungen in den 40er Jahren konnte ich viele Aussagen finden) - Werke die das Volk auch angesprochen haben. Und auch wenn Sanssouci in erster Linie für den Alten Fritz selbst gebaut wurde - dass es heute eine Pilgerstätte ist für Deutsche und Touristen gibt dem Gebäude Recht. Ebenso Schloß Neuschwanstein, was ja - zumindest innen - niemals für Besucher gedacht war. Ich war letztes Weihnachten in der Bamberger Altstadt und es war einfach traumhaft schön. Mit der heutigen Architektur wäre so eine Wirkung kaum möglich.

    "Es ist besser, ein einziges kleines Licht anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen."


    Konfizius

  • Hier wurde ja schon einmal Kassel als Beispiel erwähnt für eine Stadt, die sehr stark zerstört war und nach dem Krieg nicht mehr originalgetreu, sondern nur weitgehend modern aufgebaut wurde. Ein ähnliches Beispiel ist Rotterdam, wo nur wenige alte Gebäude unzerstört blieben, aber nach dem Krieg alles modern aufgebaut wurde. Hier gibt es auch viele Wolkenkratzer mitten in der Innenstadt, aber auch viele experimentelle Architektur wie etwa die weltberühmten Kubuswohnungen. Dort gibt es tatsächlich kaum noch alte Bausubstanz, dadurch herrscht dort schon eine ganz andere Stimmung als z. B. in Amsterdam, Utrecht, Leiden usw.


    Bei modernen Bauten findet man in den Niederlanden übrigens häufig experimentelle und ausgefallene Architektur mit manchmal ungewöhnlichen Formen, die auch ihren Reiz hat, zumindest wenn man moderne Architektur mag. Dort habe ich sogar schon ein Gebäude in der Form eines Schiffes gesehen. Wer moderne Gebäude sehen will, die keine langweiligen und einfallslosen Kästen sind, ist in den Niederlanden richtig, dort scheint man in der Architektur recht mutig zu sein und hat keine Scheu davor, aus dem Rahmen zu fallen. Die alte Architektur in den Niederlanden ist sowieso herrlich, ebenso in Flandern. Außerhalb von Deutschland findet man dort meiner Meinung nach mit die schönsten Städte Europas.


    Wieder zurück zu den deutschen Städten. Ich weiß nicht, ob es hier schon einmal erwähnt wurde, aber durch Flächensanierungen in den 50er und 60er Jahren wurde hier mehr historische Bausubstanz zerstört als im Zweiten Weltkrieg, wo sowieso schon wahnsinnig viel zerstört wurde. Nicht zu vergessen die systematischen Zerstörungen in der DDR, etwa die mutwillige Sprengung der Stadtschlösser in Berlin und Potsdam.

  • Ein weiterer unverantwortlicher Schritt war die Flurbereinigung. Dort wurde unendliche Massen an Naturlandschaften die über Jahrhunderte und Jahrtausende gewachsen sind innerhalb kürzester Zeit zerstört. Ebenso die Flussbegradigungen usw. - die Isar in München wir in den letzten Jahren extrem teuer wieder renaturalisiert... aber das ist ein anderes Thema.


    Witzigerweise habe ich vorhin einen Tagebucheintrag aus den 1850er Jahren gelesen, darin lässt sich jemand sehr negativ über Cassel aus, weil die Häuser herunter gekommen sind usw. Als Argument wurde geschrieben "es ist halt eine Militärstadt".


    In einem Tagebuch von 1866 war es sehr interessant zu lesen wie ein Mann über diverse hässliche Dörfer ablästert - weil sie eben herunter gekommen sind, von den Städten schwärmt er dagegen.


    Ich bin ein großer Befürworter von Wiederaufbauten (was ja auch ein Hauptgrund war das Thema hier damals zu starten). Vor einiger Zeit habe ich mal im Fernsehen gesehen, dass es leute gibt, die dagegen sind, weil sich Städte ja auch entwickeln müssen, man nicht nur in der Vergangenheit leben sollte usw. - das kann ich ehrlich gesagt nur schwer nachvollziehen. Neubauten und Experimente kann man in neuen Stadtvierteln machen, die neu wachsen, historisch geswachsene Dörfer, Städte, Stadtteile, Straßenzüge sollten in meinen Augen ihren gewachsenen Charakter beibehalten. Damit meine ich nicht dass sie inhaltlich weiter wachsen sollen, denn meistens wurden sie ja in gewissen Zeitabschnitten "vollendet" (auch da wurde schon viel abgerissen), aber innerhalb einer Epoche oder im Zusammenspiel von verschiedenen (zueinander passenden epochen - was die moderne Architektur leider noch nicht schafft) ergeben sie ein herrliches Stadtbild. Die Hansestädte sind für mich auch sehr positive Beispiele.

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    Konfizius

  • Ja, Kassel war zur damaligen Zeit auch eine Militärstadt, aber auch eine ziemlich pompöse Residenzstadt.


    Altes und Neues sollte sich vor allem nicht gegenseitig ausschließen, sondern ergänzen. Wenn man alte Bausubstanz nicht einigermaßen originalgetreu (in der Regel ist es ja nur die Fassade) wiederherstellt, dann löscht man gewissermaßen einen Teil der Geschichte einer Stadt aus deren Gedächtnis. Somit ist historisch gesehen die Idee des Denkmalschutzes ein Fortschritt, den es noch gar nicht so lange gibt. Somit kann man auch anhand der Architektur die zeitliche Entwicklung einer Stadt nachvollziehen.


    Seit einiger Zeit scheint man in der modernen Architektur wieder abzurücken von simplen, funktionalen und zweckmäßigen Formen, wie es noch Mitte des 20. Jahrhunderts war und etwas mehr Wert auf das Erscheinungsbild zu legen. In dem Video wurde ja die Austauschbarkeit der modernen Architektur bemängelt, aber es gibt inzwischen genug Beispiele, dass auch moderne Architektur regionale oder landestypische Eigenheiten haben kann. Insbesondere im arabischen und asiatischen Raum kommt das gut zur Geltung. Man muss sich als Beispiele nur einmal das Burj-al-Arab in Dubai oder die Petronas Towers in Kuala Lumpur anschauen. Warum versucht man das in Europa nicht auch? Vor vielen Jahren habe ich einmal gelesen, dass man für Berlin Wolkenkratzer im "preußischen" Stil geplant hatte, aber daraus ist dann wohl doch nichts geworden.


    Deinem ersten Absatz muss ich übrigens vehement widersprechen, denn in Deutschland gibt es faktisch keine "Naturlandschaften", die über Jahrhunderte oder gar Jahrtausende gewachsen sind, ganz Deutschland besteht praktisch nur aus Kulturlandschaften. Da gab es in den Jahrhunderten davor noch ganz andere "Naturverbrechen" als die Flurbereinigung, als Geograph kenne ich mich damit gut aus. Aber das ist wirklich ein ganz anderes Thema.

  • Na dazu würde mich ein eigenes Thema sehr interessieren. Wenn es Wege gibt die von TIeren und Menschen über Jahrhunderte oder Jahrtausende hinweg gegangen sind - z.B. einen Berg hinauf. in leichten schlangen linien, weil das natürliche Bewegungen sind, diese Wege von alten Bäumen geschmückt werden usw. und man dann den Weg zerstört um eine gerade geteerte Straße an den Berg knallt, ist das bedauerlich, auch wenn die Straße natürlich angenehmer ist. Natürlich war dieser weg im Sinne von wilder Natur natürlich nicht, aber es war eine natürliche Symbiöse zwischen Mensch/Tier/Natur. Dass die Menschen schon immer vieles zerstört haben ist klar. Das fängt ja schon ganz früh an als die großen Wildtiere in Europa ausgerottet wurden und die Folge davon war, dass die Struktur der Wälder komplett vernichtet wurden - es keine "offenen" Wälder mehr gab, sonern nur noch den dunklen deutschen Wald bei dem keine Sonne durch kommt, so wie wir ihn seit 2000 Jahren kennen.


    Es gibt zwar schlimmere Beispiele, aber interessant was aus dem Marienplatz in München geworden ist:




    Und wenn man sich umdreht bekommen man dann DAS zu gesicht, und das auf einen der bekanntesten Plätzen des Landes:



    Und solche Bauten stehen unter Denkmalschutz als repräsentativer Bau der 60er Jahre beispielsweise.

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    Konfizius

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    Konfizius



  • Und solche Bauten stehen unter Denkmalschutz als repräsentativer Bau der 60er Jahre beispielsweise.


    Noch steht dieser greissliche Bunker ned unter Denkmalschutz, Altstadtfreunde München versuchen sich auch für einen Abriß dieses Schandfleckes einzusetzten. Eigentümer dieses Schandobjektes ist allerdings die Stadt, die Kaufhofadministration hingegen hängt wohl auch ned so sonderlich an diesem Betonklotz.

  • Ein für meinen Geschmack hässliches Gebäude in München (Hotel Königshof, Karlsplatz 25):



    Ein für meinen Geschmack wunderschönes Gebäude in München (Renaissance Haus, Arnulfstraße 19):



    Immer wieder wunderschön anzusehen, wenn man vom Hauptbahnhof aus der Stadt raus fährt.


    Auf "münchen.tv" geht es gerade um das Thema Architektur - der hässliche Bau wurde gerade angesprochen (habe erst eingeschaltet) - ich glaube der Architekturexperte hat es gelobt..

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    Konfizius

  • In der Leopoldstraße in München wurde jetzt ein wunderschönes Gebäude abgerissen wo die Post bisher immer drin war. Dort soll ein "Ersatzbau" hin der total anders als das eigentliche Gebäude ausschaut. Überall greift der Denkmalschutz, warum nicht bei einem solch schönem Gebäude?!




    So schaut dieser "schöne" Neubau nun aus.

  • Das schärfste - es lag nur eine Genehmigung des Umbaus und eines weiteren Treppenaufgangs vor - eine Abrißgenehmigung ist offiziell nie erteilt worden. Da ist mal wieder auf das übelste getrixt worden, im Normalfall hätte das ursprüngliche Gebäude wieder rekonstruiert werden müssen - aber gut, wenn in München Stadtzertreter wie Markwart und Konsorten was zu sagen haben, dann wird es bald nichts mehr von der Weltstadt mit Herz geben.