Der Hintergrund der Schauspielerin Mely Lagarst war bis jetzt vollkommen unbekannt. Es ist mir gelungen, ihn mit Hilfe von Archivanfragen und Internetrecherchen zu entschlüsseln. Hier sind die wichtigsten Ergebnisse, die auf deiner Seite, Vogel Specht, größtenteils zum ersten Mal veröffentlicht werden Die Angaben beruhen vor allem auf ihrer Geburtsurkunde und ihrer Sterbeurkunde, die ich im Stadtarchiv München erhalten habe. Weitere Angaben beziehen sich auf diverse Zeitungsartikel.
Mely Lagarst - auf TV-Kult zum ersten Mal veröffentlicht
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Mely Lagarst (auch Nelly Lagarst, Melly Lagarst und Meli Lagarst) war eine deutsche Theater- und Filmschauspielerin. Ihr bürgerlicher Name, unter welchem sie am 28. September 1889 als Tochter des Kaufmanns Johann Strangl und seiner Frau Maria in Großhöhenrain (Gemeinde Höhenrain) bei Bad Aibling geboren wurde, lautete Amalie Strangl.
Erste Bühnenauftritte Mely Lagarsts lassen sich bereits vor 1910 in München nachweisen. So sprach sie dort den verbindenden Text zu einem Liederzyklus nach Franz Schuberts „Die schöne Müllerin“, für welchen der prominente Opernsänger Raoul Walter den Gesangspart übernahm. Zudem war sie am 5.5.1909 als Münchner Kindl bei einem Festabend zum 40jährigen Bestehen der Alpenvereinssektion München zu sehen. Anschließend erhielt sie einen Vertrag am Trianontheater in Berlin, wo sie regelmäßig neben bekannten Namen wie Olga Limburg, Hans Junkermann oder Max Laurence überwiegend in Komödien besetzt wurde. Gastspiele führten sie dabei ans Kleine Theater in Hamburg und nach Witten, wo sie unter der Regie von Otto Rippert – ihres späteren Trauzeugen - in „Schein und Sein“ auftrat. Allerdings blieb auch München Teil ihres Wirkens. Zum Beispiel war sie dort im Juli 1920 neben Carl Günther und Lisa Kresse unter der Regie von Richard Hirsch bei den Künstlerspielen Boccaccio und zuletzt 1921 bei einem Sommerfest der „Geselligen Vereinigung bildender Künstler“ auf der Bühne zu sehen.
Der Schwerpunkt von Mely Lagarsts künstlerischem Schaffen lag jedoch spätestens ab 1915 auf ihrem filmischen Werk. Bis 1921 lassen sich Auftritte in über 30 Produktionen nachweisen, in welchen sie vor allem dramatische bis melodramatische Rollen übernahm. Die heutzutage bekanntesten Titel aus jener Zeit sind Otto Ripperts „Homunculus“ (1916), in welchem sie im 2. Teil zu sehen war und Richard Oswalds „Es werde Licht! 1. Teil“ (1918), wo sie neben Bernd Aldor, Hugo Flink, Leontine Kühnberg und Lupu Pick eine tragende Rolle übernahm.
Besondere Aufmerksamkeit erhielten allerdings auch Produktionen wie „Am Amboss des Glücks“ (1916; Regie: Emmerich Hanus) „mit den genialen Künstlern Friedrich Zelnik, Nelly Lagarst und Fritz Schrödter […] Spannend in Handlung und meisterhaft im szenischen Aufbau“ („Grazer Lokalnachrichten“ in Grazer Mittags-Zeitung, 17.11.1917, S. 2), „Die Sündenkette“ (1917) (Regie: Otto Rippert), wo sie neben Gisa Bund und Theodor Loos eine der Hauptrollen übertragen bekam und der Kriminalfilm „Der 7. Oktober“ (1918). Zahlreiche weitere Auftritte weisen ebenfalls auf ihre Popularität zur damaligen Zeit hin.
1918 wurde von der Produktionsfirma „Münchner Film-Industrie“ zudem eine Serie von sechs Lagarst-Filmen unter der Regie von Hans Oberländer angekündigt. Zwei der geplanten Werke, „Das Herz vom Hochland“, in welchem sie in einer „mit ungeheurer schauspielerischer Feinheit auseinandergehaltene(n) Doppelrolle“ („Allerlei“ in Neue Kino-Rundschau, 20.7.1918, S. 82) zu sehen war, und „Frühling im Winter“, waren zu diesem Zeitpunkt bereits abgedreht[i].
Ihren letzten nachweisbaren Leinwandauftritt hatte Mely Lagarst schließlich 1921 in "Schiffbrüchige der Liebe" (Regie: Hans Oberländer).
Zuletzt in München wohnhaft, verstarb sie am 28.12.1947 im Alter von 58 Jahren im Städtischen Krankenhaus Waldtrudering an einem Nierenleiden.
Mely Lagarst war zweimal verheiratet, zuerst 1916 mit dem Schauspieler Josef Coenen. Diese Ehe wurde 1923 geschieden. 1928 heiratete sie den Schlosser Walter Kosse, der noch im gleichen Jahr verstarb.
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[i] Es ist jedoch fraglich ob die Filmreihe tatsächlich in der geplanten Form realisiert wurde. Es ist anzunehmen, dass sie in andere Projekte mit Mely Lagarst und Hans Oberländer einfloss.
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Zusätzlich zu den Angaben IMDb und filmportal konnte ich neun weitere Titel finden. Es ist natürlich nicht ausgeschlossen, dass der eine oder andere lediglich ein Alternativtitel zu einem schon bekannten Film darstellt. Da sollten noch weitere Recherchen angestellt werden. Die Jahreszahlen beziehen sich dabei nicht zwangsläufig auf das Produktionsjahr, sondern sind das Jahr des ältesten Zeitungsartikels, den ich gefunden habe, wo der Film genannt wird.
Des Lebens Possenspiel (1915)
Der Lebensweg eines armen Mädchens (1917) (auch: Maja, der Lebensweg eines armen Mädchens und Maja, die Tänzerin)
Zwei glückliche Tage (1917)
Die Leidensstraße des Lebens (1917)
Am Amboss des Glücks (1917)
Edelweiß (1918)
Frühling im Winter (1918)
Wenn die Sünde lockt (1918)
Der 7. Oktober (1918)
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Trivia: Wenn man herausfinden will, wie ihr Künstlername entstanden sein dürfte, muss man ein bisschen mit Buchstaben spielen Der Vorname dürfte der Name sein, unter dem sie von ihren Bekannten angesprochen wurde. In Bayern wird niemand von Freunden oder Eltern mit "Amalie" angesprochen. "Lagarst" entstand aus dem Verschieben der Buchstaben ihres Familiennamens "Strangl", wobei sie ein 'n' durch ein 'a' ersetzte.
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Der Ausgangspunkt für meine Recherchen war dieses Foto, das ich vor einigen Jahren gekauft habe
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Großartige Arbeit! Glückwunsch und vielen Dank für die Präsentation!
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Die Pfarrkirche St. Michael in Großhöhenrain. Hier muss Amalie Strangl getauft worden sein.
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