So, hier also unser Thread zu Ossi Oswaldas Karriere in der Emigration. Der andere wird ja zunehmend zu einem Flickenteppich und recht unübersichtlich. Ich würde vorschlagen, hier wirklich ausschließlich etwas über Ossi Oswaldas Leben ab 1933 hineinzuschreiben und nichts anderes, auch nicht als Ausnahme. Dann wird es vielleicht leichter, Dubletten zu vermeiden und vor allem, die Übersicht zu behalten.
Ossi Oswaldas Biografie ab 1933
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Zunächst einmal möchte ich damit anfangen, das zusammenzustellen, was wir bis jetzt wissen und danach mit ein paar Legenden aufräumen bzw. einiges in Frage zu stellen, was allgemein kolportiert wird.
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Ossi Oswalda erschien 1933 zum letzten Mal als Darstellerin in einem Film, nämlich in Alfred Zeislers "Der Stern von Valencia", einem Kriminalfilm, was für sie eine vollkommen neue künstlerische Herausforderung darstellte, weil sie bis jetzt nur in Komödien aufgetreten war. Obwohl das Werk positive Kritiken erhielt, verließ sie anschließend Deutschland. In tschechischen Zeitungen lassen sich auch tatsächlich mehrere Hinweise darauf finden. Zum einen werden Aufführungen von "Der Stern von Valencia" auch in Prag genannt, und zum anderen wird darauf hingewiesen, dass sich Ossi Oswalda gerade für einen längeren Aufenthalt in Prag befände. Von einer Emigration ist dort jedoch nie die Rede.
Im Anschluss danach verschwand Ossi Oswalda für eine Weile aus dem Blick der Öffentlichkeit, verblieb allerdings in Prag und das in gesicherten Verhältnissen. Ob das immer noch an ihren Ersparnissen aus der Zeit als Filmstar war, oder ob sie andere Einkommensquellen hatte, lässt sich bis dato nicht gesichert sagen.
Es spricht einiges dafür, dass sie gegen Ende der 30er Jahre Prag verließ, wobei sich bis jetzt über ihren Wohnort nichts Konkretes finden lässt. 1941 kam es dann zu einem einmaligen Auftritt als Gaststar in "La Traviata" am Pilsener Josef-Kajetán-Tyl-Theater. Dieser Auftritt ist insofern bemerkenswert, als sie dort als Sängerin zu sehen war, erneut unter ihrem Künstlernamen Ossi Oswalda auftrat und ihr zudem wieder ein Starauftritt ermöglicht wurde, der prominent in der Presse angekündigt wurde.
Spätestens 1943 führte sie ihr Weg wieder nach Prag zurück, wo sie eine vollkommen neue künstlerische Herausforderung annahm: Sie schrieb die Drehbuchvorlage für die tschechische Kriminalkomödie "Der Vierzehnte am Tisch". Erneut wurde ihr Künstlername prominent genannt, nämlich im Vorspann des Films vor dem des eigentlichen Drehbuchautoren, Josef Mach.
Es gibt Hinweise darauf, dass sie im Anschluss Prag erneut verließ und erst gegen Ende der deutschen Besatzungszeit wieder dorthin zurückkehrte, gesichert lässt sich das jedoch nicht sagen, nachdem die Quellen auch einfach lückenhaft sein können.
Im März 1947 erschienen schließlich einige Nachrufe auf sie, in denen zu lesen war, dass der ehemalige Filmstar Ossi Oswalda verarmt gestorben sei. Ab wann genau diese Verarmung eintrat, lässt sich nicht konkret sagen. Die Vermutung von sisterandi, hier die Beneš-Dekrete im Hintergrund zu sehen, erscheint mir auch in Anbetracht der Quellenlage, durchaus konsequent zu sein.
Von den zahlreichen Todesdaten, die im Netz kursieren, spricht tatsächlich das meiste für den 7. März 1947. Was genau der Grund für ihren frühen Tod war, lässt sich nur vermuten, weil die relevanten Krankenakten der entsprechenden Zeit leider nicht archiviert wurden.
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So, und jetzt zu einigen Erzählungen über sie, die ich zumindest in Frage stellen möchte.
Da wäre zunächst einmal der Grund für ihre Emigration. Im Netz wird immer wieder geschrieben, sie sei ihrem damaligen Lebensgefährten, Julius Außenberg, in die Emigration gefolgt. Das ist selbstverständlich nicht ausgeschlossen, weder, dass Julius Außenberg ihr Partner war, noch, dass er der Grund für ihre Auswanderung war. Zumindest "räumlich" sind sie sich 1933 und danach auch tatsächlich eine Weile nahe gestanden. Jedoch fehlt bis jetzt jeglicher Beleg für diese Theorie. Die Zeitungsmeldungen legen im Gegensatz dazu zunächst eher einen längeren Aufenthalt Ossi Oswaldas in Prag nahe, aus dem schließlich eine endgültige Übersiedlung wurde. Aber auch das ist reine Theorie, weil diese Meldungen selbstverständlich sehr lückenhaft sind und relativ schnell komplett versiegen.
Spätestens nach 1943 (eigentlich sogar ab 1930) erfolgte Ossi Oswaldas künstlerischer und damit auch finanzieller Abstieg.
Auch das lässt sich im Moment nicht belegen. Es könnte sich, wie bei so vielen anderen Künstlern auch, einfach um einen Rückzug ins Privatleben handeln, begleitet von dem Wunsch, nur noch besondere künstlerische Harausforderungen anzunehmen. Es ist zumindest sehr auffällig, wie unterschiedlich Ossi Oswaldas künstlerische Betätigungsfelder ab 1933 waren (Krimi im Tonfilm, Bühnenauftritt als Sängerin, Drehbuchbeteiligung). Im Moment sieht es so aus, dass gerade auf ihre längste Pause, die anscheinend doch immerhin acht Jahre betrug, zwei prominente Auftritte in neuen künstlerischen Bereichen erfolgten (auch wenn man in Betracht zieht, dass Ossi Oswalda eine Ausbildung und Karriere als Sängerin durchlaufen hatte).
Ossi Oswalda wurde auf dem Olšany-Friedhof beigesetzt.
Das ist nachweislich falsch. Zum einen handelt es sich hier nicht um einen Friedhof, sondern um zwölf Einzelfriedhöfe. Und zum anderen ergab eine Anfrage an deren Verwaltung, dass es weder ein Grab dort gibt, das ihres sein könnte, noch je eins gegeben hat, das ihres gewesen sein könnte.
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Ich bin Hinweisen auf einen Aufenthalt Ossi Oswaldas gegen Ende der 30er Jahre in einem Kurort nachgegangen. Dort hat man sich die Mühe gemacht, in der Presse und in Unterlagen nachzuschauen. Wieder Fehlanzeige! Also wenn sie tatsächlich vorhatte, ihre Karriere in der Tschechoslowakei fortzusetzen, hätte sie mal ein ernstes Wort mit ihrer Marketingabteilung sprechen sollen ☝️ Ich halte es mittlerweile allerdings für ausgeschlossen, dass das ihr Ziel war. Ossi Oswalda war schließlich Profi, keine Amateurin. Das wird allzuleicht vergessen.
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Ich habe mir angesichts der negativen Beschreibungen ihrer letzten Lebenszeit tatsächlich Sorgen gemacht, sie könne irgendeine Verzweiflungstat begangen haben und deshalb so früh gestorben sein. Das lässt sich jedoch mit ganz großer Sicherheit ausschließen. Ich lehne mich jetzt einmal ganz weit aus dem Fenster, wenn ich vermute, dass sie an Tuberkulose gestorben ist. Beweisen lässt sich das leider nicht mehr, aber es gibt doch Hinweise darauf, dass das zumindest nicht unwahrscheinlich ist.
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Nach langer Zeit, im Prinzip insgesamt neun Jahren, denke ich, dass es an der Zeit ist, die letzten Fakten über Ossi Oswaldas Leben, die ich recherchieren konnte, zu veröffentlichen. Ich habe einen Text geschrieben, den ich hier im Forum veröffentlichen möchte Es ist eine erweiterte Fassung von diesem und diesem Post, weshalb sich einiges wiederholen wird. Allerdings denke ich, dass es besser ist, wenn ich die Biografie noch einmal komplett veröffentliche. Vielleicht regt das auch den einen oder die andere an, beim einen oder anderen Fakt nachzuhaken und die Forschungen weiterzutreiben. Vielleicht liest du, Filmschauspielerin, hin und wieder nochmal hier rein und findest für deine Promotion noch die eine oder andere Anregung
Ich möchte mich insbesondere aber noch bei euch, Organoeda, sisterandi und Vogel Specht, für eure Hilfe bedanken Ich glaube schon, dass auf diese Weise einiges an Unbekanntem aufgedeckt werden konnte. Für mich als Ossi Oswalda-Fan haben sich die Recherchen auf jeden Fall gelohnt
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1933 lief ihr letzter Film in den Kinos an, „Der Stern von Valencia“. Die Kritiken waren sehr positiv. Ossi Oswalda war während einer Promotiontour auch persönlich bei verschiedenen Vorführungen anwesend, etwa in Köln oder Aachen, wohin sie interessanterweise aus Karlsbad mit dem Flugzeug anreiste. Ein weiterer UFA-Film war zwar noch geplant, ansonsten wollte sie sich allerdings gemäß eigener Aussage mehr der Bühne und ihrer Gesangsausbildung widmen.
Anschließend reiste Ossi Oswalda nach Prag, wo „Der Stern von Valencia“ ebenfalls Aufführungen erlebte. Einige Zeitungen berichten von einem längeren Aufenthalt der Schauspielerin in der tschechoslowakischen Hauptstadt. Dem Melderegister, das ich einsehen konnte, ist zu entnehmen, dass sie ab November 1933 im Hotel Alcron gemeldet war, dem Zentrum der damaligen Prager Kulturszene und vergleichbar mit dem Berliner Hotel Adlon. Inwiefern ihre Emigration wirklich mit Julius Außenberg in Verbindung steht, muss offen bleiben. Es kann lediglich nachgewiesen werden, dass auch er 1933 im Hotel Alcron wohnte und möglicherweise zu einem ähnlichen Zeitpunkt wie Ossi Oswalda Prag (in seinem Fall Richtung England) verließ. Von einem möglichen Verhältnis der beiden lässt sich in den Zeitungen nichts finden.
Mit einigen Unterbrechungen ist Ossi Oswalda im Hotel Alcron bis November 1938 unter ihrem bürgerlichen Namen Oswalda Kocziánowá nachweisbar, danach unter anderen Adressen in Prag bis Juni 1939. Von August bis November 1938 meldete sie sich zudem nach der Kurstadt Karlovy Vary (Karlsbad) ab. In den noch vorhandenen Listen der Kurgäste jener Zeit ist sie dort allerdings nicht zu finden.
Gerade der lange Aufenthalt im Hotel Alcron könnte ein Hinweis auf eine gute finanzielle Lage sein, aus welchen Gründen auch immer. Endgültige Sicherheit gäben hier natürlich nur entsprechende Dokumente, die es aber wohl leider nicht mehr geben dürfte.
Wann Oswalda Kocziánowá Prag verlassen hat, lässt sich dem Melderegister leider nicht entnehmen. Irgendwann zwischen 1939 und 1941 muss dies allerdings der Fall gewesen sein, denn am 21. Juni 1941 kam es zu einem einmaligen Auftritt als Gaststar in "La Traviata" am Pilsener Josef-Kajetán-Tyl-Theater. Dieser Auftritt ist insofern bemerkenswert, als sie dort als Sängerin zu sehen war, erneut unter ihrem Künstlernamen Ossi Oswalda auftrat und ihr zudem wieder ein Starauftritt ermöglicht wurde, der prominent in der Presse angekündigt wurde. Beworben wurde sie allerdings als „Filmkünstlerin Ossi Oswalda“. (Dies war übrigens nicht ihr erster Auftritt in einer Oper bzw. Operette, denn bereits 1929 in Wien und 1933 in Berlin war sie nachweislich als Sängerin in Erscheinung getreten.)
Erst 1943 erhielt sie als Oswalda Koczian in Prag von den deutschen Besatzern eine Kennkarte, also ein Ausweisdokument. Das zeigt, dass sie davor nicht in Prag ansässig war. „Ossi Oswalda“ ist dort als Künstlername vermerkt, als Beruf gibt sie Sängerin an, vielleicht ein Hinweis auf ihren einmaligen Auftritt in „La Traviata“ in Pilsen. Über weitere Beschäftigungen in der Zwischenzeit konnte ich auf jeden Fall nichts finden. Diese Kennkarte ist allerdings auch deswegen bemerkenswert, als ich dort das erste Foto von ihr nach ihrer letzten veröffentlichten Ross-Starpostkarte gefunden habe. Der Grund für ihre Anmeldung könnte die tschechische Kriminalkomödie „Čtrnáctý u stolu“ (1943) sein, für die sie die Drehbuchvorlage verfasste. Erneut wurde ihr Name prominent genannt, nämlich im Vorspann des Films vor dem des eigentlichen Drehbuchautors, Josef Mach.
Ab Juni 1946 ist sie erneut in Prag in einem Hotel gemeldet. Aus dem gleichen Jahr habe ich ein amtliches Schreiben gefunden, eine Art Antrag zur Ausstellung eines vorläufigen Identitätsnachweises für Osvalda Kocziánowá mit Gültigkeit bis zum Februar 1947. Dort wird auch explizit Bezug auf die sogenannten „Beneš-Dekrete" vom 28. März 1946 genommen, was in der Konsequenz bedeuten muss, dass auch Osvalda Kocziánowás Besitz enteignet wurde. Auf diesem Dokument ist ein zweites Foto von ihr zu sehen, das letzte, das ich gefunden habe. Als Beruf gibt sie Schriftstellerin an, was mir ehrlich gesagt Sorgen bereitet, da das erneut darauf hindeuten könnte, dass die Drehbuchvorlage, die sie 1943 schrieb, ihre einzige ernstzunehmende Arbeit in jenen Jahren war.
Traurigerweise ist das letzte Dokument, das ich bekommen habe, eine Nachlassurkunde, unterzeichnet von ihrem behandelnden Arzt, einem Dr. Milan Ungr aus Prag. Darauf ist vermerkt, dass Osvalda Kocziánowá am 7. März 1947 im tschechischen Žamberk (dt. Senftenberg), im dortigen Albertinum, einer Lungenklinik, gestorben ist. Ihr Sterbeort ist also nicht Prag. Das lässt sich auch mit den Nachrufen in den Zeitungen vereinbaren, da dort nur geschrieben wird, dass die Meldung ihres Todes aus Prag kommt, nicht jedoch, dass sie auch tatsächlich in Prag gestorben ist.
Die Informationen auf dieser Nachlassurkunde sind sehr trostlos: Sie hatte weder Besitz, noch irgendwelche greifbaren Verwandten. Immerhin konnte sie sich ganz offensichtlich die Behandlung und die Klinik leisten, oder sie hatte jemanden, der das bezahlte.
Angesichts ihrer Bedürftigkeit ist davon auszugehen, dass sie auch in Žamberk beerdigt wurde. Konkret etwas dazu finden konnte ich jedoch nicht. Ganz sicher nicht wurde sie allerdings auf einem der Olšany-Friedhöfe bestattet. Eine Anfrage hat ergeben, dass es dort weder ein Grab gibt, das ihres sein könnte, noch jemals eins gegeben hat. Auch eine Sterbeurkunde habe ich vergeblich gesucht. Da Osvalda Kocziánowá evangelisch war, wurde jene von der entsprechenden Kirchengemeinde ausgestellt und auf Grund der föderalen Struktur der evangelischen Kirche nicht zentral archiviert. Die Spur, der ich nachgehen konnte, versickerte jedoch zwischen einer Pfarrgemeinde und einem lokalen Archiv. Ich habe auch versucht, ihre Krankenakte einzusehen, allerdings wurde diese in der Zwischenzeit vernichtet, weil nur die Krankenakten des Albertinums bis 1945 archiviert wurden. Auf der Hand liegt jedoch, dass sie an einer Lungenkrankheit verstarb, vielleicht Tuberkulose.
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Ganz großartig - eine tolle Arbeit! Mein tiefster Respekt für diese jahrelange, mühevolle Kleinarbeit zu diesen interessanten Fakten.
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Ich habe eben eine Kritik teilübersetzt, die nach der Aufführung von "La Traviata" erschienen ist. Der Part, der Ossi Oswalda betrifft, lautet so (laut deepl )
Ossi Oswalda, die bereits durch ihre umfangreiche Arbeit in der Filmbranche bekannt ist, versuchte, die schöne Rolle der Violetta in der Samstagsaufführung von La Traviata auf der Pilsener Bühne neu zu gestalten. Es ist eine sympathische Stimme, aber sie befindet sich noch im Entwicklungsstadium. Der Klang der Stimme dieser Koloratursopranistin ist zerbrechlich und ruhig und entspricht dem subtilen Charakter der Violetta. Es wird jedoch noch einige Zeit dauern, bis sich die Stimme von Ossi Oswalda festigt und ruhiger wird, so dass das unnötige Nach-oben-Hängen wegfällt. Tatsächlich wird die Künstlerin die Rolle bis ins kleinste Detail durchdenken und sowohl bei der Darstellung als auch bei der Wahl der Kleidung auf ihre umfangreichen Erfahrungen beim Film zurückgreifen.
(Český deník, 24. Juni 1941, S. 3)
Es war stimmlich also durchaus noch "Luft nach oben" wie man so sagt.
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Heute hätte man sie wohl völlig verrissen. Allein schon, wenn die Kleidung nicht passt und du einen Hänger beim hohen C hast, bist du unten durch. Hier ist es nett formuliert worden, weil der Kritiker das Talent wohl richtig einschätzen konnte. Und er glaubte, mit der Erfahrung wird es besser.
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