Hilde Warren und der Tod (D, 1917)

  • Nachdem der Film jetzt endlich auf Bluray erscheint, kann ich es nicht erwarten bis ich ihn endlich gesehen habe und schicke jetzt schon einmal einen Post voraus. Ich bin sehr gespannt ob der Film wirklich die Erwartungen erfüllt. Bis jetzt ist er ja vor allem durch den Beitrag von Fritz Lang bekannt. Außerdem wurde die Rolle des Tod bisweilen fälschlicherweise Fritz Lang zugeschrieben. Die eindrucksvollen Bilder von Georg John haben natürlich auch zum Ruf des Films beigetragen. Wobei man natürlich nie vergessen darf, dass Filme die Arbeit eines Kollektivs sind. Regie führte Joe May, der zum Beispiel mit "Das indische Grabmal" (1921) einen sehr beeindruckenden Film geschaffen hat. So let's see :)



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    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • Ich habe die BluRay gestern erhalten und geguckt, hier mal ein paar Eindrücke zur Edition.


    Das wichtigste zuerst: die Bildqualität ist sehr gut, mit ein paar wenigen immer noch vorhandenen Filmbeschädigungen kann man angesichts eines 105 Jahre alten Films ziemlich gut leben. Eher weniger begeistert war ich von der musiklaischen Seite: der neu produzierte Soundtrack von Julian Gramm ist in einem leicht jazz-rockigen, aber zum Glück nur zurückhaltend 'experimentellem' Stil gehalten. Es nervt also nicht, aber hat mir trotzdem nichts gesagt und hilft meiner Ansicht nach dem Film nicht weiter.


    Also hab' ich nach einer Viertelstunde umgeschaltet auf den Piano-Soundtrack. Das Problem hier ist bloß, daß es sich offenbar nicht um einen Soundtrack im eigentlichen Sinne handelt, sondern anscheinend um GEMA-freie Musik eines gewissen Jochen Schlierkamp, die ziemlich sicher nicht speziell für diesen Film komponiert wurde, was man leider auch hört. Das ist zumeist banales Piano-Gedudel mit 'Wellness'-Charakter, das offenbar auf 'gut Glück' an den Film angelegt wurde, weswegen dann an manchen Stellen völlig unpassend über Sequenzen hinweg weitergespielt wird und an Stellen, die definitiv Musik bräuchten, plötzlich Stille herrscht, eben weil da zufällig das Stück zu Ende ist. An einer Stelle wird dagegen mitten im Stück einfach abgeschnitten, weil die Produzenten wohl selbst gemerkt haben, daß da jetzt dringend eine andere Stimmung her mußte. Da hilft es auch nicht, daß man da an ein paar Stellen den Klang von Pistolenschüssen hineingemischt hat, weil die eben dann gerade im Film passieren.


    Wenn man den eigentlichen Soundtrack von Julian Gramm mag, ist das natürlich kein Kritikpunkt. Ich hätte mir aber dennoch gerade bei einem solchen Premium-Produkt (wenn man den Verkaufspreis betrachtet!) einen 'echten' zweiten Soundtrack gewünscht. Oder eben nur einen Soundtrack, bei dem man dann aber einen echten Stummfilmspezialisten wie Stephen Horne oder Richard Siedhoff an Bord geholt hätte. So bleibt wohl als beste Option der 'dritte Soundtrack': nämlich ganz ohne Ton (kann man dankenswerter Weise auswählen).


    Was die Extras angeht: der Audiokommentar ist eher eine angeregte, durchaus kenntnisreiche und informative Diskussion unter Filmfans. Nicht schlecht, wenn auch kein Vergleich mit so gut durchgearbeiteten Kommentaren wie etwa von David Kalat auf diversen Masters of Cinema-Stummfilm-Veröffentlichungen. Ähnliches gilt für die beiden Essays im Booklet. Die sind zwar durchaus informativ, bieten aber für Stummfilmfans wenig Neues: eine Analyse des Films im engeren Sinne sucht man in beiden Essays vergeblich. Stattdessen sind sie etwas von fanmäßigem Eigen-Enthusiasmus getragen. Da wird von dieser Veröffentlichung gesagt : "Angesichts des leider weiterhin äußerst überschaubaren Interesses der Öffentlichkeit an Filmen aus der Zeit vor Caligari ist dies [diese Blu Ray] geradezu eine Pioniertat". Im anderen Essay wird nochmal darauf hingewiesen, daß es ein Verdienst ist, "dass ein kleines Label wie OSTALGICA den Mut aufbrachte, es [d.h. dieses Filmwerk] dem Vergessen zu entreißen".


    Das stimmt ja auch, aber sollte man das Lob nicht lieber dem Publikum überlassen? Und die Rede von der Pioniertat, was deutsche Filme vor Caligari angeht, ist auch ziemlich zweifelhaft. Ein Blick auf die Webseite von edition filmmuseum dürfte ausreichen, um sich vom Gegenteil zu überzeugen.


    Also, ich hoffe, daß das jetzt nicht viel zu negativ herüberkommt, denn in der Tat ist das natürlich eine sehr verdienstvolle und absolut anschaffenswerte Veröffentlichung. Aber gerade weil es die erste Veröffentlichung in einer neuen Reihe ist, denke ich, daß man auch ein wenig Kritik üben kann, damit die nächsten Releases eben vielleicht noch besser werden können. Zumindest bei "Die Pest in Florenz" sollte es keine Soundtrack-Probleme geben: die Musik, die bei der arte-Ausstrahlung benutzt wurde, liegt ja vor und ist recht passend, wenn ich mich recht erinnere.

  • Eeeeendlich ist die bluray angekommen. Ich hatte zwischenzeitlich schon einen Fall auf geöffnet. Wirklich ein toller Film, leider nur mit 60 von 80 Minuten erhalten, was man teilweise bei sehr abrupten Schnitten merkt.

    Fritz Langs Drehbuch deutlich von der deutschen Romantik geprägt, ist kompakt und bietet visuelle Möglichkeiten, die von Joe May und Curt Courant an der Kamera hervorragend interpretiert und visualisiert werden. Unglaublich effektvolle Doopelbelichtungen mit Georg John als Tod, dem eigentlichen Star des Films. Sehr gut aufgelegt Mia May als Hilde Warren, die ihren komplexen Part angenehm zurückhaltend spielt und nur bisweilen in heute unangenehm theatralische Mimik und Gestik verfällt. Hans Mierendorff und Ernst Matray füllen ihre Rollen sehr souverän aus. Daneben wirkt Bruno Kastner darstellerisch blass.

    Eine Darstellerin fällt allerdings unfairerweise immer unter den Tisch, die geradezu Anita Berbers Laster vorwegnimmt: Aud Egede-Nissen fühlt sich in ihrer Rolle als verkommenes Sugarbabe sichtlich wohl und ist Verführung und Berechnung bis in die Haarspitzen - heute immer noch.

    Sehr gut auch die Kulissen, die neben einigen Lichteffekten in einzelnen Fällen schon eindeutige Hinweise auf den filmischen Expressionismus um das Jahr 1920 herum bieten.


    Fazit: Ein rundum gelungener Film, der seinen heimlichen Klassikerstatus, den er schon lange hat, absolut rechtfertigt. Äußerst empfehlenswert :thumbup:

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • Carry Klips: Da waren wir ja beide ziemlich gleichschnell. Was die Veröffentlichung selbst angeht, gebe ich dir absolut recht. Das wirkt recht amateurhaft und mit viel Luft nach oben. Den Audiokommentar habe ich nach "Liebe Zuhörende" ausgestellt - also nach zwei Wörtern :D

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • Tja, da haben wir ja anscheinend wirklich parallel gepostet :)


    Ich hab' natürlich völlig vergessen, etwas über den Film selbst zu sagen, aber bin völlig deiner Meinung. Filmisch für die damalige Zeit wirklich sehr weit vorn, und von Aud Egede-Nissen war ich auch hingerissen. Bloß daß ich überhaupt nicht realisiert hatte, daß es diese späterhin ja doch bekannte Schauspielerin in einer sehr frühen Rolle ist... danke für die Info!

  • Schön, dass man sich auch bei der Aufmachung des Produktes Mühe gegeben hat. Optisch macht die Blu-ray ja einen guten Eindruck. Und wenn ein Beiheft mit weiterführenden Texten dabei ist, ist das schon einmal sehr lobenswert!


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    "Es ist besser, ein einziges kleines Licht anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen."


    Konfizius

  • Endlich konnte ich den Film nun auch ansehen und kann mich allen Vorrednern anschließen!

    Eine ganz wunderbare Ausgabe, auch sehr schön aufgemacht und mit einem kenntnisreichen Booklet versehen.

    Auch die Musik, zumindest die auf der zweiten Tonspur, fand ich ganz gut. Das " Gedudel" von erstern Tonspur fand ich total unpassend und nervtötend.


    Die Zwischentitel hätte man vielleicht zeitgemäßer gestalten können, aber das ist Jammern auf ganz hohem Niveau. Ich bin sehr gespannt was noch von Ostalgica kommt ( bzw. sollte ich mir erstmal die anderen beiden Filme der reihe anschauen :-))

  • Endlich konnte ich den Film nun auch ansehen und kann mich allen Vorrednern anschließen!

    Eine ganz wunderbare Ausgabe, auch sehr schön aufgemacht und mit einem kenntnisreichen Booklet versehen.

    Auch die Musik, zumindest die auf der zweiten Tonspur, fand ich ganz gut. Das " Gedudel" von erstern Tonspur fand ich total unpassend und nervtötend.


    Die Zwischentitel hätte man vielleicht zeitgemäßer gestalten können, aber das ist Jammern auf ganz hohem Niveau. Ich bin sehr gespannt was noch von Ostalgica kommt ( bzw. sollte ich mir erstmal die anderen beiden Filme der reihe anschauen :-))

    Ich habe vor ein paar Wochen zu meiner Überraschung festgestellt, dass "Die Pest in Florenz" von Ostalgica schon vergriffen ist =O

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • Ich habe vor ein paar Wochen zu meiner Überraschung festgestellt, dass "Die Pest in Florenz" von Ostalgica schon vergriffen ist =O

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    "Was ich besitze, seh ich wie im Weiten,
    Und was verschwand, wird mir zu Wirklichkeiten."


    Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832)