Die Regelungen haben sich dahingehend zumindest bisher nicht geändert, kann mir vorstellen, dass das auch ein riesiger bürokratischer Akt ist. Die Sportlerinnen haben die Strafe – hier eine Geldstrafe – in Kauf genommen, was schon eine Ansage ist. Ein Boykott wäre sicherlich ein noch deutlicheres Signal, aber du darfst nicht vergessen, für die Sportverbände ist Olympia die offensichtlich bedeutendste Einnahmequelle, ohne die sich sicher viele auf Dauer gar nicht finanzieren könnten, weil die Sponsoren abspringen. Da brauchen wir auch gar nicht in andere Länder zu blicken, Deutschland ist in der Hinsicht wohl ziemlich rückständig, was die Finanzierung von Leistungssport angeht – von Fußball mal ganz abgesehen.
Wenn die Verbände das dann trotzdem machen, könnten auch die Leistungsträger sich von den Verbänden abwenden. Das wäre dann ein natürlicher Vorgang wie es im freien Markt üblich wäre. Aber ansonsten bin ich bei Dir. Außer eben, dass ich das Thema der Verhältnismässigkeit hier auch mit rein bringen muss. Wenn das manchen Sportlern so wichtig wäre, hätten sie schon entsprechend agiert. Im Zuge von aktuellen Aktivismuswellen, den mechanismen in den Leitmedien und den sozialen Plattformen ist das alles eine Sache, die nicht viel Mut ("Gratismut") erfordert. Denn wer hier "dagegen" agiert und einen offensiven Aktivismus zeigt, kann sich sicher sein, uneingeschränkte Solidarität zu erfahren und am Ende auf mehreren Ebenen zu gewinnen. Niemand darf zu irgendwas gezwungen werden, aber wenn einem gewisse Bestandteile eines Wettbewerbs bzw. einer Veranstaltung stört, gibt es auch andere Wege das zum Ausdruck zu bringen. Wobei das natürlich auch ein Weg ist, den ich nicht verurteile (höchstens den Gratismut dahinter) - Nena habe ich ja auch nicht verurteilt, dass sie erst auf die Bühne ist und sich dann beschwert hat. Der Unterschied ist nur, dass Nena den Mainstream, große Teile der Medien usw. nicht auf ihrer Seite hat bzw. ihre Aktion gegen vorhandene Agendasettings geht, da kann man automatisch mit mächtig Gegenwind rechnen. Und im ersten Moment ist die Nena-Aktion mit der Aktion der Sportler auf einer Ebene, im Grunde geht es bei Nena aber tiefer, da es nicht nur um diese Veranstaltung bei ihr ging, sondern um grundlegende Fragen in Bezug auf die Freiheit aller Menschen und die Übergriffigkeit der Staaten auf die Freiheit der Menschen, während die Sportler sich eben auf Rahmenbedingungen in dieser Veranstaltung beziehen. Vielleicht auch auf mehrere bzw. viele Veranstaltungen, aber die grundsätzliche Freiheit wird dadurch trotzdem nicht untergraben.
Sehe ich anders: Jemand, der während eines internationalen Wettkampfes andere Menschen aufgrund ihres Aussehens bzw. ihrer Herkunft derart beleidigt, ist bei Olympia bzw. in solch einer Position völlig fehl am Platz – und das muss gerade Sportfunktionären einfach klar sein. Gerade Olympia soll als Veranstaltung ein Zeichen für Völkerverständigung, Toleranz und Frieden untereinander sein, gerade dort muss es für derartige Entgleisungen Konsequenzen geben.
Auf dein Argument bezüglich Beschimpfungen gegen deutsche Sportler kann ich nur entgegnen: Hätte, wäre, könnte ... Ich höre solche Relativierungen öfters, allerdings sehe ich nie tatsächliche Beispiele, dass deutsche Sportler rassistisch beleidigt wurden. Abgesehen davon sehe ich zwischen Kraut und Kameltreiber schon noch einen ziemlichen Unterschied im Grad der Diskriminierung.
Mal abgesehen davon, dass ich Krauts und Kameltreiber schon auf eine Stufe stelle bin ich da bei Dir. Rassistisch sind aber beide Begriffe nicht. Aber beleidigend. Es geht ja nicht nur um Völkerverständigung, sondern um Sportsgeist und eine Vorbildsfunktion für Kinder.