Am 18.01.2021 jährt sich der Tag der Reichsgründung zum 150. Mal. Bisher habe ich dazu nur wenige Zeitungsartikel finden können. Und das obwohl 150 ja eine ganz ordentliche Zahl ist. Insgesamt habe ich den Eindruck, dass der Tag der Reichsgründung in der deutschen Erinnerungskultur eine vergleichsweise geringe Rolle spielt oder eben immer mehr in Vergessenheit geraten ist.
Die Reichsgründung selbst und auch das Deutsche Kaiserreich sind ja sehr umstritten. Die Bundeszentrale für politische Bildung fasst die Kontroverse um das Deutsche Kaiserreich folgendermaßen zusammen:
"Seit seiner Gründung wurde der erste deutsche Nationalstaat mit Militarismus und wachsendem Antisemitismus in Verbindung gebracht – aber auch mit Erfolgen der Arbeiter- und der Frauenbewegung sowie dem Beginn der Moderne."
Quelle: https://www.bpb.de/325050/150-…chsgruendung?blickinsbuch
Unabhängig davon, ob man jetzt die Reichsgründung als positiv oder als negativ bewertet, kann der Tag der Reichsgründung meiner Ansicht nach als ein für Deutschland entscheidender Tag bezeichnet werden. So entstand erstmals ein deutscher Staat, aus meiner Sicht ein Grund (unabhängig davon, welche Meinung man dazu vertritt) sich mit dem Thema zu beschäftigen, soweit es einen interessiert.
Für mich selbst kann ich sagen, das ich das Thema sehr spannend finde und ich mich um den 18.01., soweit mir das möglich ist, viel mit dem Thema Deutsches Kaiserreich und Reichsgründung beschäftigen werde.
Da dieser Tag immer näher rückt, steht natürlich auch die kontroverse Frage im Raum, ob der Tag der Reichsgründung ein Tag zum Feiern ist oder nicht. Im Geschichte-Wissen-Forum gab es vor ein paar Jahren mal eine Diskussion zu dem Thema: https://geschichte-wissen.de/foren/viewtopic.php?t=5504
Ganz entschlossen bin ich mir da nicht, aber meiner Ansicht nach ist der Tag der Reichsgründung auch ein Grund zum Feiern. So gab es im Deutschen Kaiserreich ein für damalige Verhältnisse sehr modernes Wahlrecht. Außerdem entwickelte sich das Kaiserreich zu einem sehr modernen und aufstrebenden Staat. Berlin wurde im Laufe der Kaiserzeit eine der modernsten Großstädte Europas. Und der Hauptgrund, weshalb die Reichsgründung aus meiner Sicht auch (aber nicht nur!) ein Tag zum Feiern ist, ist der, das die Deutschen zum ersten Mal geeint waren, also im Prinzip gab es damals eine erste deutsche Einheit.
An dieser Stelle möchte ich aber nochmal klarstellen, dass ich am Kaiserreich nicht alles gut finde. Ich halte es auch für sehr wichtig, die negativen Seiten des deutschen Kaiserreiches in Erinnerung zu behalten und nicht zu vergessen. Das Thema Nationalstaatsbildung hatte ich im Abitur im Leistungskurs Geschichte, daher sind mir auch die dunklen Seiten des Kaiserreiches durchaus bewusst. So wurden im sogenannten "Kulturkampf" in den 1880er Jahren Katholiken und Juden massiv diskriminiert. Die im Deutschen Kaiserreich lebenden Polen wurden sogar besonders massiv unterdrückt.
Insgesamt finde ich es besonders wichtig, sich ein differenziertes Bild vom Deutschen Kaiserreich zu machen und sich mit all den unterschiedlichen Facetten zu beschäftigen.
Ebenfalls spannend finde ich auch die Frage nach den Auswirkungen der Gründung des Deutschen Kaiserreiches auf die einfache Bevölkerung. Generell finde ich es immer sehr spannend zu erfahren, was Entwicklungen in der Geschichte für das persönliche Leben eines Menschen bedeuten.
Hier die wenigen Veranstaltungen zum Thema 150 Jahre Reichsgründung, die ich bisher finden konnte:
Bei der Unionstiftung hält Dr. Sabine Mangold-Will einen Vortrag zur Reichsgründung, dem man, wenn ich das richtig verstehe, über Zoom zuschauen und zuhören kann: https://www.unionstiftung.de/v…50-jahre-reichsgruendung/
Ein Podiumsgespräch am 14.01. mit Wissenschaftlern im Stadtpalais Stuttgart: https://www.demokratie-geschic…50-jahre-reichsgruendung/
Die Bundeszentrale für politische Bildung hat gestern eine 40-seitige Broschüre zum Thema 150 Jahre Reichsgründung herausgebracht, die man, wenn ich das richtig verstehe, kostenlos bestellen kann: https://www.bpb.de/325050/150-…chsgruendung?blickinsbuch