Die Liebe der Maria Bonde (D, 1918)

  • Die Familie Bonde, eine Mutter und drei Töchter, leben zusammen. Martin, der Verlobte der kränkelnden Gunne (Martin: Emmerich Hanus, Gunne: Eva Maria Hartmann), verliebt sich aber in ihre Schwester Maria (Martha Novelly). Beide arbeiten sie als Kunstreiter im Varieté. Maria erkennt, dass sie Martin auch liebt und heiratet ihn. Obwohl Martin und Maria die Hochzeit verheimlichen, erwischt ihre Mutter sie bei einem Kuss und Gunne wird eingeweiht. Daraufhin stirbt sie aus Verzweiflung. Nach der Geburt ihres Kindes fängt Maria selber an zu kränkeln. Da sie weiß, dass Martin nur "alles Gesunde und Starke" liebt, steigert sie sich zunehmend in Verzweiflung und Eifersucht hinein, denn Martin tritt nun mit ihrer Schwester Anella (Ursula Hell) auf. Schließlich nimmt sie Gift. (Dass der Film hier sehr abrupt abbricht, deutet wohl daraufhin, dass hier einige Meter fehlen.)

    Was als "typisches" Klischee-Stummfilmdrama aus Liebe, Eifersucht und Tod mit theatralischem Darstellerstil beginnt, steigert sich zunehmend in ein Furioso an dramatischen Gefühlen der Eifersucht und Verzweiflung, die vom Star des Films, Martha Novelly, lang ausgespielt werden und den Zuschauer mit in ihr Seelenleben hineinnehmen. Unterstützt wird dies durch eine hervorragende Inszenierung und Kameraarbeit, so dem Bild der toten Gunne, die ihrer Schwester in einer Doppelbelichtung erscheint oder dem Pendel einer Uhr, dessen Hin- und Herschwingen zeigt, dass auch Maria ihrem Schicksal Schritt für Schritt näherkommt.


    Martha Novelly, die ich anfangs schon mit der Bewertung 'charismatisch, aber typisch 10er Jahre' abtun wollte, trägt das letzte Drittel des Films darstellerisch mit einer meisterhaften Leistung, bei welcher es ihr gelingt, trotz eines expressiven Darstellungsstils, leidenschaftliche Gefühle voller Verzweiflung zu vermitteln, die schließlich in ihrem Selbstmord kulminieren.


    Martha Novelly wurde 1889 als Martha Buchholz in Hamburg geboren und gab bereits als 15jährige ihr Debüt als Darstellerin beim Theater. 1914 hatte sie ihr Debüt beim Film und begann eine Karriere, die insbesondere zwischen 1916 und 1919 sehr erfolgreich verlief. 1921 zog sie sich schließlich vom Film zurück. 1972 starb sie 83jährig in Berlin.

  • Ich habe mir eben noch einmal den Film angesehen und kann nur sagen, dass sich mein Eindruck von vor drei Jahren noch einmal bestätigt hat. Die exotische, charismatische Schönheit Martha Novellys, die trotz ihres expressiven Darstellungsstils ihr Spiel stets kontrolliert und nie Gefahr läuft, in darstellerische Klischees oder gar ins Lächerliche abzugleiten, ist an sich schon eine Garantie für den zeitlosen Wert des Films. Dazu kommen die geschickte Mise on scène, die unterstützt wird durch Hell-Dunkel-Effekte der Kamera, sowie der hellen und dunklen Kostüme, die dem Filmbild zusätzlich Stabilität verleihen. Großartig selbstverständlich die Symbolik durch das Pendel der Wanduhr.


    Insofern: eine Top-Empfehlung für jene, die einen Eindruck vom künstlerischen Niveau des deutschen Films der 10er Jahre abseits der "üblichen Kandidaten" erhalten wollen.

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

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