Die Gespensterstunde (D, 1917)

  • Hier könnt ihr Urban Gads Film Die Gespensterstunde sehen. Ich kann ihn jedem Stummfilmliebhaber nur wärmstens empfehlen. Es handelt sich (wie hier schon kurz ausgeführt) um ein Stummfilmdrama mit Elementen des Horrorfilms. Regie führte Asta Nielsens damaliger Ehemann Urban Gad, dem wir auch Filme wie Engelein (1914) und Vordertreppe - Hintertreppe (1915) zu verdanken haben. In der Hauptrolle ist Maria Widal zu sehen, die bereits im Vorspann als der eigentliche Star des Films angekündigt wird. Sie wurde von Urban Gad zu dieser Zeit als Star aufgebaut, und bringt tatsächlich eine sehr angenehme Frische in ihre Rolle. Gad wusste auch genau, wie er sie inszenieren musste. Das Foto im Anhang bringt ihre Ausstrahlung allenfalls ansatzweise zum Ausdruck. Eine weitere tragende Rolle übernimmt sehr überzeugend Olga Engl. Sie ist eine ränkeschmiedende Gräfin, der jedes kriminelle Mittel recht ist, um einem ihrer Enkel ungerechtfertigter Weise das Majorat über das Schloss, auf dem sie lebt, zu erhalten. Als die eigentliche Thronfolgerin, Agga (gespielt von Maria Widal), kommt, um sich ihr Recht zu verschaffen und zum Schluss sogar versucht, in einem abgesperrten Raum des Schloss, in dem sich Beweispapiere befinden, zu übernachten, lässt die Gräfin sogar einen missgestalteten Enkel, der seit Jahren wie ein Tier gehalten wurde, frei, um Agga zu vertreiben.

    In mancher Hinsicht können einige der Horrorelemente auf heutige Augen naiv wirken, allerdings muss man den Film in seine Zeit einordnen. Und da weisen insbesondere Ausstattung und Beleuchtung bereits zum Horrorfilm der 20er Jahre, z.B. bei einer stimmungsvollen Ansicht des Schlosses ganz zu Beginn des Films oder auch beim Licht- und Schattenspiel einiger Aufnahmen, in denen expressionistische Stilelemente offensichtlich werden. Ich musste da z.B. an Paul Lenis Hollywood-Produktion The Cat and the Canary (1927) denken. Da lohnt es sich wirklich, die Bilder einfach auf sich wirken zu lassen. Der Film besitzt da eine Stimmung, die ihn definitiv über Durchschnittsproduktionen heraushebt.

    Olga Engl spielt sehr souverän die böse, verschlagene Gräfin, und auch Maria Widal, die ich bis jetzt nur von Bildern kannte, ist eine sehr angenehme Darstellerin, die Urban Gad zumindest in diesem Film hervorragend zu inszenieren wusste. Positiv finde ich auch den heute vollkommen vergessenen Nils Chrisander in einer weiteren tragenden Nebenrolle.

    Tja, und zu Maria Widal kann man auch nur wieder mal bemerken: wie traurig, was für wunderbare Frauen des deutschen Stummfilms des zweiten Jahrzehnts heutzutage alle vergessen sind. Ihre Ausstrahlung und auch ihr schönes Gesicht übertreffen alles, was ich bisher auf Fotos von ihr gesehen habe.

  • Ich habe Maria Widal soeben einen kleinen Wikipedia-Artikel gewidmet: https://de.wikipedia.org/wiki/Maria_Widal

    Einstweilen müssen wir sie zwar noch in die Reihe der "Verschwundenen Stars" aufnehmen, aber es besteht Aussicht, dass sich das in nicht allzu ferner Zukunft ändern wird... ;)

    Faszinierende Recherche! Wenn man ihre Karriere als Luzzy Werren noch dazu nimmt, kommt man schon auf eine ganze Reihe an Auftritten. Also nicht nur ein "Sternchen" :) Aber mir soll's recht sein. Das erhöht nochmal den Wert meiner drei Autogramme von ihr 8) :thumbup:

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • Ich weiß nicht wie's euch mit ihr geht, aber für mich ist sie tatsächlich eine Anwärterin auf "das schönste Gesicht im deutschen Stummfilm". Und - nein - ich hab sie nicht mit Olga Engl verwechselt! :D:D:D

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • Also den Insiderwitz mit Olga Engl musst du mir bitte erklären... :/;)

    Naja, Olga Engl gehört zu den Schauspielerinnen, die optisch kaum gealtert sind. Allerdings so herum, wie man es als Frau wohl nicht so gern hat: Sie sah schon als relativ junge Schauspielerin alt aus ^^

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • Danke! Zum Stichwort Sternchen: Im Neuen Wiener Journal vom 8. 8. 1926 erwähnt Artur Landsberger Maria Widal in einer Abhandlung über Damen und Diven. Ganz klar wird mir allerdings nicht, wie er sie denn nun einordnet... :|:?:

    Ein sehr spannender Artikel. Ich verstehe ihn so, dass er Maria Widal als "Dame" einordnet und als Frau, von der der deutsche Film seiner Meinung nach zu wenig hat - also eine Frau, die diese Ausstrahlung als "Dame" nicht nur spielte, sondern auch tatsächlich hatte. Interessant, dass er Erna Morena auch nennt. An die musste ich nämlich auch spontan denken wo er von "Dame" spricht. Ein großer Teil ihrer Wirkung war ihre Ausstrahlung in eleganten Kleidern. Das wird auch in dem Buch über sie beschrieben. In entsprechenden Filmen wurde sie allerdings nicht eingesetzt, wodurch der deutsche Film tatsächlich ein großes Potential verschenkt hat.

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • Hier ist eine zweite Karte von ihr. Es ist natürlich schwer, aus heutiger Sicht einzuschätzen, was genau man damals unter "Dame" verstanden hat, aber ich finde schon, dass Maria Widal auf beiden Karten eine ganz spezielle Ausstrahlung hat.


    Trotzdem finde ich immer noch, dass sie im bewegten Bild noch um einiges intensiver war.