Post Mortem Fotografie

  • Sagt Euch das Thema "Post Mortem Fotografie" was? Ich bin das erste Mal auf den Mythen Metzger darauf gestoßen. Im Netz kann man viele Fotos diesbezüglich finden. Inzwischen habe ich in Nachlasskartons selbst schon 2 solcher Fotos entdecken können.


    Wie Besonders das Thema Fotos im 19. Jahrhundert noch war, kann man hier z.B. lesen: http://geschriebene-geschichte…870-1899-photographie.htm


    Damals war das auch noch eine Seltenheit. Und so gab es den Trend, dass wenn jemand verstirbt und man hat kein Foto von dieser Person, hat man sie im Fotostudio so aufgestellt als würde sie noch leben und hat dann teilweise Familiengruppenfotos und ähnliches gemacht. Das geht soweit, dass die Leute teilweise schon einen Verwesungszustand hatten.


    In Süd-Amerika ist das heute noch (oder wieder?) ein Trend, dass man einen Trucker, dann nochmal in seinen Truck setzt und Fotos macht.


    Im Anhang die 2 Fotos die ich bisher gefunden habe. In der Google Bildersuche findet man viel krassere Beispiele.

  • Das war auch im viktorianischen England usw. einmal sehr populär. Keine Ahnung, welchen Interessensunterschied es da zwischen Deutschland/Mitteleuropa und den anglikanischen Ländern gegeben hat.

    Talmine Es ist in jedem Fall sehr gewöhnungsbedürftig, für viele Leute sicher auch befremdlich.


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    "Alkohol in Maßen genossen, schadet auch in größeren Mengen nicht"


    Anderl Heckmair (1906-2005), deutscher Bergführer und Alpinist

  • Ja ich finde das auch extrem befremdlich. Wenn man aber die damalige Situation betrachtet und sich vorstellt, wie es war, als man KEINERLEI Fotos hatte von seinen Mitmenschen. Man nur aus der Erinnerung sie noch im Kopf hatte (und heute frischt man die Erinnerung durch Fotos usw. "leicht" auf, früher nicht) und wie schlimm es sein muss wenn man z.B. keine Erinnerung mehr hat wie der eigene Großvater aussah zu dem man eine gute Verbindung hatte als Kind, man es aber im Laufe der Zeit (ich glaube das gab es sicher oft) einfach vergessen hat, wie er aussah, weil viel Zeit vergangen ist oder man noch ein kleines Kind war, als er verstorben war. Dann kann ich das gut nachvollziehen.
    Da war das die letzte Möglichkeit dem entgegen zu wirken.


    Von daher: Es ist extrem befremdlich, aus der Zeit heraus (so wie man vieles aus der jeweiligen Zeit heraus betrachten muss) verständlich - und auch irgendwie faszinierend, weil es eben so "anders" ist und man sich das heute kaum noch vorstellen kann.

    "Es ist besser, ein einziges kleines Licht anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen."


    Konfizius

  • Es ist befremdlich für mich, aber das hat sicher schlichtweg was mit der Erziehung zu tun. Wenn ich in einer Gesellschaft groß geworden wäre, in der es normal ist, solche Fotografien herzustellen, würde ich sicher anders denken.


    Vom Kopf her ist mir auch klar, was diese Bilder bezwecken sollen. Es hilft einfach, beim Abschied nehmen, beim Erinnerungen wach halten, beim Gedenken an den Gestorbenen.


    Es gibt ja auch Fotografen, die sich auf Sternenkinder spezialsiert haben. Hier mal einArtikel aus der ZEITdazu. Da finde ich es auch unheimlich wichtig für die Eltern, dass es diese Möglichkeit gibt, von ihren toten Kindern Bilder zu haben.

  • Wenn ich mir überlege, dass der Tod damals viel gegenwärtiger war, die Fotografie damals ganz neu und "realistisch" war und die Toten so sehr auf lebendig gemacht wurden, komme ich für mich zum Ergebnis, dass man damit die Lücke, die der Verstorbene hinterlassen hat, so gut wie möglich schließen wollte. Vielleicht würde man das heute mit einer 3D Animation machen wenn man mit dem Tod ähnlich umgehen würde.


    Wisst ihr was über die gesellschaftlichen Schichten, in denen diese Fotos üblich waren?

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • Ja genau das Bismarck-Foto war ein Paparazzi-Foto. Und zwischen Totenbett/Sarg-Fotos und im Atelier nachgestellte Fotos muss man denke ich nochmal unterscheiden. Menschen im Sarg zu fotografieren war auch noch in den 1950er, 60er Jahren - ist sicher bis heute ab und zu noch üblich.


    Ansonsten verstehe ich Deinen Gedankengang sehr gut Ludwig traut man. Man muss eben die damalige Zeit berücksichtigen - in der Zeit hat eine Mutter nicht selten 7-10 Kinder geboren, von denen oftmals die Hälfte oder 2/3 schon im Kindsbett gestorben sind. Das vermute ich jetzt nur, aber ich kann mir vorstellen, dass man in der Familie damals die Toten auch noch selbst nochmal gewaschen und umgezogen hat für "den letzten Gang" - also ein komplett anderer Umgang mit dem Thema im Vergleich zu heute.

    "Es ist besser, ein einziges kleines Licht anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen."


    Konfizius

  • Hier ein Beispiel - gefunden in einem papiernachlass.


    Im Jahre 1876 ist der kleine Joseph Heinrich geboren, verstorben ist er 1889.

    Im Jahre 1879 ist die kleine Anna Maria geboren, gestoßen ist sie noch im selben Jahr


    Zuvor wurden geboren:


    Im Jahre 1873 ist der kleine Friedrich Joseph geboren,

    Im Jahre 1874 ist die kleine Maria Gertrudis geboren


    Die Zwei haben wohl länger gelebt.

  • Ach Du liebe Güte. Das ist ja makaber, dass manche da noch Fotos machten. Da braucht man keine Horrorfilme mehr :D

    Aber auch verständlich, wenn man jemanden mochte. Ist ja auch nicht respektlos, wenn es ein normales Familienfoto oder so ist. Ich vermute dass die Früher auch ganz anders mit dem Thema Sterben und Tod umgegangen sind. Wenn man einen Glauben hat, ist es ja auch kein so großes Drama vermute ich mal :/ Wenn ich an die Leichen in den Kirchen denke...

  • Zu dem Thema gibt es mittlerweile gute Veröffentlichungen. Das war vor allem eine Folge der Reformation. Die hatte tiefe psychologische Spuren in der katholischen Kirche hinterlassen. Außerdem waren viele Reliquien durch die sogenannten Bilderstürmer zerstört worden. Deshalb entstand ein flukturierender Reliquienhandel. Man kaufte angebliche Reliquien und führte sie in den Gemeinden groß ein, schmückte sie teuer und präsentierte sie. Die Geschichten hinter den "Reliquien" waren in den meisten Fällen reine Phantasie (z.B. indem man irgendwelche Inschriften phantasievoll ausdeutete). Der Hype war allerdings relativ schnell wieder vorbei. Was wir heute in den Kirchen sehen, sind nur noch Restbestände davon.

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)