Also meine Lieben
Talmine und ich haben gestern die letzten 3 Folgen der 1. Staffel geschaut.
UND ich muss sagen - ich bin sehr - enttäuscht
Ich war ja sehr froh, dass ich ab Folge 4/5 die Handlungsstränge weitestgehend verstanden habe bzw. nachvollziehen könnne. Außer ein paar Kleinigkeiten, aber da ging es Talmine nicht anders.
Die Geschichte ist interessant, aber sie plätschert für meinen Geschmack viel zu sehr vor sich hin, ohne, dass sie richtig mitreisst. Als Spielfilm hätte das ausgereicht, aber 8 Folgen einer Serie - dafür wars zu mau. Das einzige was das Ganze rettet ist der "Stil", die hochwertige Umsetzung usw.
Bis auf Details reisst lediglich die letzte Folge mit, jedoch ist das alles so halbgar. Und auch streckenweise unlogisch.
Wieso lassen die zwei Kommissare den Bösewicht laufen in der letzten Folge? Allein schon aus Formalitätsgrünen (er ist angeschossen, sein Nachtklub wurde teilweise zerstört) müssten sie ihn doch mitnehmen und erstmal alles abklären - formalitäten usw.
Anstatt das zu tun, gehen die zwei Kommissare einen "drauf machen". Und das ausgerechnet in dem Milieu bei dem der jüngst erst laufen gelassene Oberbösewicht seine Finger mit im Spiel hat.
Ich finde, dass die Sache mit den Berliner Abgründen, den Pornosumpf, den Erpressungen von Prominenten und Politikern viel zu wenig thematisiert wurden. Gerade das finde ich so spannend. Das Nachtleben hätte man in dem Zusammenhang noch wunderbar einfangen können.
Ist diese Russen-Geschichte eigentlich aufgelöst worden?
Was mich auch sehr stört ist, dass so vieles offen ist. Was ja in Ordnung ist bei einer Serie. Aber ich finde, dass eine Staffel einer Serie schon einen ordentlichen Abschluss haben sollte - natürlich auch mit offenen Strängen, an denen man anknüpfen kann - war Babylon Berlin von Anfang an auf mehrere Staffeln angelehnt? Das würde das erklären und auch ein wenig entschuldigen. Weil dann ist die Beurteilung nicht richtig zu treffen, da man ja noch nicht alles kennt.
Also das "in Schwung kommen" der Handlung habe ich vermisst. Es ist natürlich einiges passiert und es ging voran, aber es war alles von der Erzählweise eher ein Spaziergang statt eine Verfolgungsjagd (was ich bei dem Stoff erwartet hätte).
Von den Grundzügen her gibt es unendlich viel spannendes in "Babylon Berlin", nur das ist nicht oder noch nicht richtig erzählt worden, finde ich.
Dadurch, dass man sich zeit gelassen hat beim erzählen, wurde aber das Leben der damaligen Zeit schön dargestellt. Das Nachtleben ein bisschen zu wenig finde ich, aber z.B. das Armenmilieu - oder auch die Szenen am See - die wirken schon fast dokumentarisch (ohne selbst 100%tig sagen zu können, wie es damals war).
Also ich hoffe, dass in der zweiten Staffel die Serie einen "Drive" kriegt wie es die ersten beiden Fritz-Lang-Tonfilme z.B. hatten. Dieser Drive ist auch in Serienform umsetzbar, was z.b. diese Serie bewiesen hat: Morgen hör ich auf (ZDF, 2015)
Also das Potential ist noch vorhanden, Staffel 1 wirkt aber unvollendet für mich, mehr wie eine Vorspeise. Ich hoffe dass es wirklich so ist, dass von Anfang an mindestens zwei Staffeln geplant waren und es dann richtig los geht. Als Grundlage war Staffel 1 super - wenns dann aber weiter bergauf geht.
Die Entwicklungen zum Schluss (wenn auch teilweise unlogisch, wie ich finde) versprechen viel. Gerade das Stichwort "Hypnose".
In dem Zusammenhang und auch mit diesen Erpressungsgeschichten was Prominente und Politiker angeht, muss ich sagen, dass das wirkich Top-Themen sind, die hier aufgegriffen wurden. Zeitlos und aktuell
Also das Potential ist da - aber es wurde für meinen Geschmack nur im Bereich von Qualität und Aufwand sehr gut bis perfekt umgesetzt.
Meine Wertung zur Staffel 1 (ich machs in zwei Abteilungen):
Aufmachung: 8 von 10 Punkten (ggf. sogar 9 von 10 Punkten)
Inhalt: 6 von 10 Punkten (mit viel guten Willen 7 von 10 Punkten)
Wenn es der "Anlauf" ist für ein großes Gesamtwerk, dann würde ich die Bewertung noch nach oben Anpassen für das Gesamtwerk dann. Aber Staffel 1 finde ich noch recht unausgegoren.
Gut umgesetzt fand ich auch noch die Auflösung zum Thema 1. Weltkrieg in der letzten (vorletzten?) Folge.
Achja der Höhepunkt der Serie bleibt für mich die letzten Szenen der zweiten (?) Folge (als Lotte den Zucker kriegt). Das war so genial und so vielversprechend. Aber ich habe noch Hoffnung in Bezug auf weitere Staffeln