Babylon Berlin (BRD, 2017)

  • Also meine Lieben ;)


    Talmine und ich haben gestern die letzten 3 Folgen der 1. Staffel geschaut.


    UND ich muss sagen - ich bin sehr - enttäuscht ;)


    Ich war ja sehr froh, dass ich ab Folge 4/5 die Handlungsstränge weitestgehend verstanden habe bzw. nachvollziehen könnne. Außer ein paar Kleinigkeiten, aber da ging es Talmine nicht anders.


    Die Geschichte ist interessant, aber sie plätschert für meinen Geschmack viel zu sehr vor sich hin, ohne, dass sie richtig mitreisst. Als Spielfilm hätte das ausgereicht, aber 8 Folgen einer Serie - dafür wars zu mau. Das einzige was das Ganze rettet ist der "Stil", die hochwertige Umsetzung usw.


    Bis auf Details reisst lediglich die letzte Folge mit, jedoch ist das alles so halbgar. Und auch streckenweise unlogisch.



    Ich finde, dass die Sache mit den Berliner Abgründen, den Pornosumpf, den Erpressungen von Prominenten und Politikern viel zu wenig thematisiert wurden. Gerade das finde ich so spannend. Das Nachtleben hätte man in dem Zusammenhang noch wunderbar einfangen können.


    Ist diese Russen-Geschichte eigentlich aufgelöst worden?


    Was mich auch sehr stört ist, dass so vieles offen ist. Was ja in Ordnung ist bei einer Serie. Aber ich finde, dass eine Staffel einer Serie schon einen ordentlichen Abschluss haben sollte - natürlich auch mit offenen Strängen, an denen man anknüpfen kann - war Babylon Berlin von Anfang an auf mehrere Staffeln angelehnt? Das würde das erklären und auch ein wenig entschuldigen. Weil dann ist die Beurteilung nicht richtig zu treffen, da man ja noch nicht alles kennt.


    Also das "in Schwung kommen" der Handlung habe ich vermisst. Es ist natürlich einiges passiert und es ging voran, aber es war alles von der Erzählweise eher ein Spaziergang statt eine Verfolgungsjagd (was ich bei dem Stoff erwartet hätte).


    Von den Grundzügen her gibt es unendlich viel spannendes in "Babylon Berlin", nur das ist nicht oder noch nicht richtig erzählt worden, finde ich.


    Dadurch, dass man sich zeit gelassen hat beim erzählen, wurde aber das Leben der damaligen Zeit schön dargestellt. Das Nachtleben ein bisschen zu wenig finde ich, aber z.B. das Armenmilieu - oder auch die Szenen am See - die wirken schon fast dokumentarisch (ohne selbst 100%tig sagen zu können, wie es damals war).


    Also ich hoffe, dass in der zweiten Staffel die Serie einen "Drive" kriegt wie es die ersten beiden Fritz-Lang-Tonfilme z.B. hatten. Dieser Drive ist auch in Serienform umsetzbar, was z.b. diese Serie bewiesen hat: Morgen hör ich auf (ZDF, 2015)


    Also das Potential ist noch vorhanden, Staffel 1 wirkt aber unvollendet für mich, mehr wie eine Vorspeise. Ich hoffe dass es wirklich so ist, dass von Anfang an mindestens zwei Staffeln geplant waren und es dann richtig los geht. Als Grundlage war Staffel 1 super - wenns dann aber weiter bergauf geht.


    Die Entwicklungen zum Schluss (wenn auch teilweise unlogisch, wie ich finde) versprechen viel. Gerade das Stichwort "Hypnose".

    In dem Zusammenhang und auch mit diesen Erpressungsgeschichten was Prominente und Politiker angeht, muss ich sagen, dass das wirkich Top-Themen sind, die hier aufgegriffen wurden. Zeitlos und aktuell :)


    Also das Potential ist da - aber es wurde für meinen Geschmack nur im Bereich von Qualität und Aufwand sehr gut bis perfekt umgesetzt.


    Meine Wertung zur Staffel 1 (ich machs in zwei Abteilungen):


    Aufmachung: 8 von 10 Punkten (ggf. sogar 9 von 10 Punkten)

    Inhalt: 6 von 10 Punkten (mit viel guten Willen 7 von 10 Punkten)


    Wenn es der "Anlauf" ist für ein großes Gesamtwerk, dann würde ich die Bewertung noch nach oben Anpassen für das Gesamtwerk dann. Aber Staffel 1 finde ich noch recht unausgegoren.


    Gut umgesetzt fand ich auch noch die Auflösung zum Thema 1. Weltkrieg in der letzten (vorletzten?) Folge.


    Achja der Höhepunkt der Serie bleibt für mich die letzten Szenen der zweiten (?) Folge (als Lotte den Zucker kriegt). Das war so genial und so vielversprechend. Aber ich habe noch Hoffnung in Bezug auf weitere Staffeln :)

    "Es ist besser, ein einziges kleines Licht anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen."


    Konfizius

  • Vogel Specht: Hmm, schade daß für Dich die erste Staffel zu wenig Drive hatte. Ich fand sie schon sehr spannend, ich habe in der ersten Staffel den verschiedenen Handlungssträngen mitgefiebert. Aber das ist natürlich individuelle Geschmackssache.

    Und ja, Babylon Berlin war von Anfang an auf mindestens 2 Staffeln angelegt. Staffel 1 &2 wurden ja auch zusammen gedreht. Das geben ja auch die Vorlagenbücher von Volker Kutscher so her.

    Erst wenn die ersten beiden Staffeln auch den gewünschten Erfolg einspielen, wollte man weitere Staffeln drehen, die wohl auch schon fertig geschrieben sind.

    Nach dem Erfolg bei Sky im letzten Jahr und auch dem internationalen Erfolg hat man schon im letzen Jahr beschlossen Staffel 3 zu drehen. Die Dreharbeiten haben wohl gerade erst begonnen.

    Weitere Staffeln hängen vom Erfolg im öffentlich rechtlichen Fernsehen ab. Da es da bisher sehr gut aussieht, wird es wohl auch noch weitere Staffeln geben.


    Ich kann nur sagen, dass vieles sich auch erst in Staffel 2 auflöst, bzw klarer wird. Und ja es gibt auch einiges was unlogisch ist. In Staffel2 noch mehr als in Staffel 1. Deshalb hatte sich meine Begeisterung zum Ende der Staffel 2 auch etwas gelegt, bzw ernüchtert, Aber nichtsdestotrotz hat es den Gesamteindruck bei mir nicht zu sehr geschmälert. Es bleibt eine toll gemachte und inszenierte Serie, wenn auch mit Schwächen..

  • Alles klar und vielen Dank für die Info. Wenn es von Anfang an auf 2 Staffeln angelegt war, ist es natürlich schwer Staffel 1 alleine zu bewerten - weil beide Staffeln klar ineinander spielen.


    Gefallen hat mir die Serie definitiv - eine Wertung von 6 oder 7 von 10 Punkten ist gut bis sehr gut (und die ganze Aufmachung habe ich ja nochmal besser bewertet). Die Serie bleibt aber für meinen Geschmack bisher hinter ihren Möglichkeiten, was aber noch ausgeglichen werden kann. Ich hatte ja nach meinen ersten Eindrücken das Gefühl, dass hier die Qualität der frühen Fritz Lang Tonfilme in moderner Form und im "Serien-Genre" erreicht werden könnte. Was bisher nicht geschafft wurde (außer vielleicht die Optik/der Stil/der Aufwand).


    Grobe unlogische Stellen stören mich eigentlich immer, aber ich werde versuchen in Staffel 2 darüber hinweg zu sehen :)

    "Es ist besser, ein einziges kleines Licht anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen."


    Konfizius

  • Der Filmhistoriker Jeanpaul Goergen hat übrigens auf Facebook darauf aufmerksam gemacht, dass es eine Szene gibt, in der die Protagonistin 1929 ins Kino geht und sich "Menschen am Sonntag" anschaut. Der wurde aber erst 1930 uraufgeführt. Außerdem grölt das Publikum wie bei einem billigen Klamaukfilm. Das passt überhaupt nicht zum leisen Humor von "Menschen am Sonntag"

    :thumbdown:

  • Ich tue mir schwer, wirklich etwas zu schreiben. Ich finde die Serie gut, aber eben auch nicht großartig. Dabei stören mich andere Punkte als Vogel Specht. Ich mag zum Beispiel die dezentrale Erzählweise mit den vielen Handlungssträngen, die doch irgendwie alle ein bisschen was miteinander zu tun haben. Einige Dinge wurden aufgelöst, andere nicht.


    Selbst wenn die Staffeln getrennt geplant und gefilmnt worden wären, wäre es für mich nicht weiter schlimm gewesen, denn für mich muss sich auch nicht jeder Handlungsstrang in einer Staffel aufgelöst werden muss. Dafür gibt es einen schönen Cliffhänger, der nicht ganz so bombastisch ist, wie man das vielleicht aus Hollywood kennt, aus meiner Sicht aber auch so nicht sein muss. Ist ja schließlich nicht Hollywood und darf gerne leisere Töne in der Erzählweise anschlagen.


    Mich würde mal interessieren, welche Logikfehler du entdeckt hast, Vogel Specht ?


    Ich kann gar nicht so richtig in Worte fassen, was genau mich stört. Vielleicht ein bisschen, dass ich die meisten Figuren recht flach finde und ich keinen wirklichen Sympathieträger habe. Alle machen irgendwas Krummes, es ist nicht so richtig emotional.


    Und es hat mich nicht so 100% gepackt. Ich hatte kaum das Bedürfnis zum weitergucken.

  • Zitat

    Vielleicht ein bisschen, dass ich die meisten Figuren recht flach finde und ich keinen wirklichen Sympathieträger habe. Alle machen irgendwas Krummes, es ist nicht so richtig emotional

    Gerade das finde ich z.B. sehr gut in der Serie, weil "so ist das Leben" bzw. "so sind die Menschen". Gerade in dieser Zeit, da kam das sicher besonders zum Vorschein.


    Mit den Logikfehlern meine ich in erster Linie das was ich im Spoilermantel erwähnt habe und auch beim Gucken Dir gesagt hatte.


    Ich brauche auch keinen Bomben-Cliffhanger. Ich hätte etwas abschließendes und offene Dinge (die bei einer Serie von der man nicht weiss, dass sie weitergedreht wird nicht schlimm wären wenn sie damit ihren abschluss finden und man sich selbst seinen Reim machen kann) gut gefunden. Stattdessen bleibt alles offen und es gibt nur den Abschluss mit den Filmrollen und etwas Aufklärung was die Vergangenheit der Hauptfigur angeht.


    Da es eine zweite Staffel gibt ist das dann halb so schlimm - man sollte dann nur Staffel 1 nicht als eigenständiges Werk betrachten, sondern die ersten Beiden zusammen betrachten.


    Ja und mir gings auch so dass ich bei keiner Folge den Drang hatte "jetzt UNBEDINGT weiter schauen" (außer ggf. nach Folge 2). Gerade eine Kombination aus ruhiger erzählweise aber auf einer zweiten Ebene viel wichtige Ereignisse/Rechercheergebnisse/Wendungen usw. - das wäre spannend gewesen. Also so ruhige und stimmungsvolle Szenen wie die am See und in einem zweiten Handlungsstrang dann das was Spannung aufbaut und den Suchtfaktor ausmacht.

    "Es ist besser, ein einziges kleines Licht anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen."


    Konfizius

  • OK, zu deinen Logikfehlern:



    So, sehr viel gespoilert.


    Zu den flachen Figuren: Wegen mir können die ja auch alle was Krummes treiben, aber so richtig gute Gründe dafür hat keiner. Es geht für mich einfach zu wenig in die Tiefe, wobei das auch ein persönliches Problem von mir ist. Da bin ich wohl einfach "versaut durch Bücher", in denen eine tiefergehende Charakterstudie immer eher möglich ist.

  • Ja die Argumente in Deinem Spoiler sind sehr gut. Dennoch kann ich mir nicht vorstellen, dass man das einfach so auf sich beruhen lassen kann. Einerseits war da die Hölle los und das muss aufgearbeitet werden (auch wenn man dann "Zum Wohle manchner Politgrößen" einiges anders darstellt oder unter den Tisch fallen lässt - ähnlich wie bei der Revolution), andererseits können sie ihren Hauptfeind, der es nun noch mehr ist, nicht einfach gehen lassen (so wie Du es auch sagst).


    Ich finde das Agieren der weiblichen Hauptfigur recht nachvollziehbar.

    "Es ist besser, ein einziges kleines Licht anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen."


    Konfizius

  • Nun ja, die 20er waren unter anderem ja auch daruch geprägt, dass es gerade politisch drunter und drüber ging und die Deutschen auch beim Thema Demokratie und Rechtsstaat noch nicht so geübt waren. OK, Rechtsstaat schon, aber ich denke, dass vor allem die Polizein da noch eine andere Stellung hatte. Dennoch denke ich, dass an an Aufarbeitung gar nicht so zu denken war und es gab genug demokratiefeindliche Tendenzen, die das auch gar nicht wollten.


    Die weibliche Hauptfigur finde ich noch am sympathischsten.

  • Wie die Polizeiarbeit damals konkret ablief, können wir schlecht beurteilen. Ich kanns mir nur nicht vorstellen, dass das so krass war. Aber ggf. gibts dazu mal Aussagen in diversen "Making Ofs" usw.


    Also die Hauptfiguren finde ich alles interessant. Auch die Männliche, gerade mit seinem Hintergrund der zu große Teile noch nicht richtig erzählt ist. Das gibt auch viele Möglichkeiten für Wendungen innerhalb der Handlung. Besonders noch in Verbindung mit den Geschehnissen am Ende der ersten Staffel.

    "Es ist besser, ein einziges kleines Licht anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen."


    Konfizius

  • Der Filmhistoriker Jeanpaul Goergen hat übrigens auf Facebook darauf aufmerksam gemacht, dass es eine Szene gibt, in der die Protagonistin 1929 ins Kino geht und sich "Menschen am Sonntag" anschaut. Der wurde aber erst 1930 uraufgeführt. Außerdem grölt das Publikum wie bei einem billigen Klamaukfilm. Das passt überhaupt nicht zum leisen Humor von "Menschen am Sonntag"

    :thumbdown:


    Das stimmt nicht. Ich habe mir die Szene in Folge 3 nochmal angesehen. Es gibt einige Lacher, aber es wird nicht gegrölt. Man sieht auch nicht die Szenen über die gelacht wird. Gezeigt wird die Szene am See von "Menschen am Sonntag" , ich habe den Film nicht mehr genau in Erinnerung, aber es gab durchaus auch einige Szenen in denen Lacher möglich sind. Richtig ist natürlich, dass der Film erst 1930 uraufgeführt wurde. Das gleiche gilt für die ebenfalls in der Folge 4 gezeigten Testszenen von Marlene Dietrich zum Blauen Engel, die ebenfalls erst 1930 stattfanden:

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    Aber es gibt da noch einige weitere "Unstimmigkeiten", z.B. kommt der Lok Typ des Goldzuges auch erst in den 1930er jahren in Verkehr, nicht schon 1929. Ebenso kann der Zug so garnicht von Rußland über die Grenze nach Deutschland gekommen sein, da es bis heute in Rußland eine andere Spurweite gibt. Naja, das sind teilweise auch spitzfindigkeiten, die wohl nur Nerds entdecken, von daher gehört es für mich zur "künstlerischen Freiheit" ;)

  • Zitat

    Das stimmt nicht. Ich habe mir die Szene in Folge 3 nochmal angesehen. Es gibt einige Lacher, aber es wird nicht gegrölt.

    Dann muss ich mich da korrigieren :) Ich konnte das nur zitieren, weil ich "Babylon Berlin" selber gar nicht gesehen habe. Ich habe schon nach ein paar Minuten ausgeschaltet, weil mich die Gruppensexszene gleich am Anfang genervt hat. Ich muss allerdings zugeben, dass ich auch davor nie so richtig motiviert war, das Ganze anzusehen.

  • Dann muss ich mich da korrigieren :) Ich konnte das nur zitieren, weil ich "Babylon Berlin" selber gar nicht gesehen habe. Ich habe schon nach ein paar Minuten ausgeschaltet, weil mich die Gruppensexszene gleich am Anfang genervt hat. Ich muss allerdings zugeben, dass ich auch davor nie so richtig motiviert war, das Ganze anzusehen.

    Warum zitierst und kommentierst Du dann hier, wenn Du die Serie gar nicht gesehen hast?

    Verstehe ich nicht.


    Ich sehe die Serie jetzt nach der Ausstrahlung auf Sky zum zweiten Mal und finde sie immer noch super. Gute, modern gedrehte Unterhaltung, die fantastische Darsteller aufweist. Dafür sprechen ja auch die bisherigen Auszeichnungen.


    Die Kritik mit den historischen Ungenauigkeiten lasse ich allerdings gelten - sowas wie das mit dem geringelten Telefonkabel oder den Kunststoffrohren in der Toilette darf - zumal bei einer so teuren und durchgeplanten Produktion - nicht passieren. Ist mir persönlich aber nicht aufgefallen, und dem Durchschnittszuschauer vermutlich auch nicht.

    Der zeitlich falsch gesetzte Filmausschnitt mit Marlene Dietrich allerdings schon eher, weil einem das besonders im vergangenen Jahr zum 100. Ufa-Jubiläum so oft in den Medien vorgesetzt wurde, da weiß, glaube ich, auch der Dümmste, dass das 1930 war. Und an dieser Stelle dachte ich dann auch: was für ein Faux-Pas.


    Nichtsdestotrotz finde ich das Ganze besser und authentischer gedreht als manche Sensationsproduktion aus Hollywood, die man sonst zum Thema vorgesetzt bekommt, insbesondere auf Netflix oder so.