Wohnhaus-Architektur in den 1940er Jahren

  • Das Thema interessiert mich schon länger, aber ich komme selten dazu, etwas darüber zu recherchieren. Folgende Fragen finde ich besonders interessant:


    1. Wie sah ein typisches Wohnhaus aus den 1940er Jahren aus und worin besteht der Unterschied zu den 1930er und 1950er Jahren?


    2. Wie viele dieser Häuser aus den frühen 1940er Jahren stehen nach dem verheerenden 2. Weltkrieg überhaupt noch, und inwiefern unterscheiden sich die Häuser aus der Nachkriegszeit von den Häusern der frühen 1940er Jahre?


    Durch Zufall habe ich dann bei Recherchen zur Filmgeschichte einen Artikel zu dem Thema gefunden, leider nicht ohne Propaganda: http://anno.onb.ac.at/cgi-cont…tum=1940&page=167&size=45

  • Ich interessiere mich sehr für Architektur, kenne mich da aber fachlich nicht so aus. Ich habe den Eindruck, dass die simple Wohnhaus-Architektur in den 1930er (ggf. schon 1920er) bis in die 1950er Jahre Hand-in-Hand gehen. Also wenn es um kleine Einfamilienhäusern mit Garten drum herum angeht.


    In meinen Augen schaut das dann so aus (das Foto zeigt eine Siedlung aus Frankfurt am Main aus dem Jahr 1938): https://www.frankfurt.de/sixcm…4/FrankfurterBerg1938.jpg


    In den 1950er Jahren wurden die Häuser oft nicht anders gebaut.


    Wobei es individualität immer gibt. In einem Papiernachlass habe ich diese Broschüre z.B. entdeckt vor kurzem: https://www.ebay.de/itm/Ingols…-Architektur/113172293208


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    "Es ist besser, ein einziges kleines Licht anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen."


    Konfizius

  • Ich würde sagen, in erster Linie ist die Raumhöhe unterschiedlich. Die Häuser bzw. insbesondere Siedlungsbauten der 1920er wurden ja gebaut, um die ärmeren Schichten aus den Hinterhöfen zu holen und ein Wohnen in Licht und Raum zu ermöglichen, mit begrünten Innenhöfen usw. Die Wohneinheiten waren zwar zweckmäßiger, aber trotzdem oft noch mit „Berliner Zimmer“ und entsprechender Deckenhöhe ausgestattet. In den 1930ern hat sich das erstmal zeitgeistmäßig fortgesetzt, nur dass die runden Formen der Häuser eckiger wurden. Aber der Stil war noch sehr ähnlich.

    Dass in den 1940ern in Deutschland soviel gebaut wurde, glaube ich gar nicht mal, oder? Die brauchten doch alles Material für die Kriegsführung und die Arbeiter als Soldaten.

    Die 1950er-Jahre Häuser haben jedenfalls alle ein Stockwerk mehr. Es mussten ja auch mehr Leute - Ausgebombte, Flüchtlinge usw - untergebracht werden. Das spricht dann für die geringere Deckenhöhe.

  • Zitat

    Dass in den 1940ern in Deutschland soviel gebaut wurde, glaube ich gar nicht mal, oder? Die brauchten doch alles Material für die Kriegsführung und die Arbeiter als Soldaten.

    Würde ich auch so sagen. Ab den späten 40ern gings dann wieder los. Anfang der 40er wurde sicher auch gebaut, aber wahrscheinlich recht wenig.

    "Es ist besser, ein einziges kleines Licht anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen."


    Konfizius

  • Ja, es wurde viel gebaut, aber kaum etwas fertiggestellt. So stand der Bahnhof Zoo nach dem Krieg ohne Fenster da. Viel glaubten, dass die Weltkriegsbomben die Fenster herausgeschlagen haben, das galt aber nur für den kleineren S-Bahnhof. Der große Fernbahnhof wurde erst nach dem Krieg verglast.


    Nur an kriegswichtigen Vorhaben wurde noch in den 1940ern gearbeitet, wie z.B. am Ausbau der militärisch wichtigen Ostbahn, die vom Ostkreuz abzweigt und bis ins Baltikum führt. Her wurde 1944 noch der S-Bahnhof Friedrichsfelde Ost in Betrieb genommen.


    Von den Bauten von einst blieb nichts mehr übrig. Der Bahnhof "wanderte" nach Westen und müsste eigentlich nun "Friedrichsfelde West" oder "Friedrichsfelde Nord" heißen.


    Wie wichtig die Ostbahn aus militärischer Sicht war, lässt sich auch daran erkennen, dass es die einzige Bahnstrecke ist, die die Sowjets nicht demontierten.


    Bleibendes aus der Zeit dürfte es kaum geben, allein schon weil es qualitativ zu wünschen übrig ließ. Der Wiederaufbau des Empfangsgebäudes des S-Bahnhofs Zehlendorf begann schon 1943. 1984 war der Bau einsturzgefährdet. Der Bahnhofsvorplatz wurde umgestaltet im Stile der Situation von 1912. Es fehlten nur die Fahrgäste: Der Bahnhof war von 1980-1985 stillgelegt.

  • Vogel Specht / Fräulein G. / No Nick

    Danke für die spannenden Informationen! :)

    Jetzt, wo Ihr das erwähnt habt, kann ich mir auch gut denken, dass die Häuser in den 1920er, 1930er, 1940er und 1950er Jahren relativ ähnlich aussahen, obwohl ich auch glaube, dass es kleinere Unterschiede in den einzelnen Jahrzehnten gegeben hat.


    Ich habe in meinem ersten Beitrag vergessen noch etwas zu dem Thema zu erzählen:

    Als ich mal für ein paar Tage in Wien war, ist mir auch noch etwas interessantes aufgefallen. Dort stehen noch einige Wohnhäuser aus den 1920er-1950er Jahren, das konnte ich ganz einfach feststellen, da die Häuser eine Aufschrift hatten:


    "Erbaut von der Gemeinde Wien (Baujahr) aus den Geldern der Wohnbausteuer"


    Dort konnte man schon sehen, dass die 1920er Häuser, z.B andere Fenster hatten, (einmal sogar eine Dachterasse) als die Häuser der 1950er Jahre

  • Vogel Specht / Fräulein G. / No Nick

    Danke für die spannenden Informationen! :)

    Jetzt, wo Ihr das erwähnt habt, kann ich mir auch gut denken, dass die Häuser in den 1920er, 1930er, 1940er und 1950er Jahren relativ ähnlich aussahen, obwohl ich auch glaube, dass es kleinere Unterschiede in den einzelnen Jahrzehnten gegeben hat.

    Doch, die gab es auch.


    In den 1920ern wurde der Stil der Neuen Sachlichkeit kreiert. Nach den Wilhelminischen Prachtbauten war Bescheidenheit angesagt. Bauten waren schlicht, aber funktionell. Ab den 1930ern wurde mehr und mehr wieder pompös gebaut. Klassisches Beispiel ist die Ost-West-Achse in Berlin, heute Straße des 17. Juni. Eine entsprechende Nord-Süd-Achse war geplant, bauliche Vorleistungen sollen noch erkennbar sein, ich habe sie aber noch nicht finden können. Auch der Fehrbelliner Platz in Berlin zeugt von der Zeit. Im Hitchcock-Film "Der zerrissene Vorhang" wird der Platz als in Ost-Berlin befindlich ausgegeben. Wer genau hinsieht, erkennt, dass dort West-Autos fahren, die zum Zeitpunkt des Films (1966) dort nicht zu sehen sein dürften.


    In den 1940ern bleib der Bau kriegs- und nachkriegsbedingt stecken. In den 1950er und 1960er Jahren wurde wieder schlicht gebaut. Vor allen aber hell und mit Pastelltönen.

  • Ich habe mir ein wenig angelesen. Mein Steckenpferd ist U-Bahn und S-Bahn, speziell Geschichte und Architektur. Die Berliner Geschichte seit 1896 lässt sich hier bis heute ablesen. Wenn diesbezüglich mal Fragen kommen, kann ich sicher aushelfen oder mich sachkundig machen.

  • No Nick

    War nicht die Nord-Süd-Achse dort geplant, wo heute das Bundeskanzleramt bzw. der Hauptbahnhof steht? Am Spreebogen? Früher stand dort das Alsenviertel, und ich meine mal gelesen zu haben, dass man kurz vor Kriegsausbruch schon angefangen hatte, dort Häuser abzureißen, dann wurde kriegsbedingt gestoppt, und den Rest haben dann später die Bomben besorgt.

  • Und es gibt sie doch, die Bauten aus den 1940ern. Als hätte Wikipedia mitgelesen, habe ich dort einen Eintrag gefunden:


    Heute vor 75 Jahren unterschrieb Adolf Hitler den Erlass zur Einrichtung des Deutschen Wohnungshilfswerks. Geplant waren schlichte Holzhäuser für die Ausgebombten.


    Da es an Holz mangelte, wurden alle möglichen Materialien verwendet, um mit einfachsten Mitteln Notunterkünfte zu bauen. Sie waren kaum größer als 20 m², Wasser gab es nicht, aber Strom. Der Ofen diente auch als Herd, eine Vertiefung von 60 m Tiefe in den Boden sollte den Kühlschrank ersetzen. Wer keine Möbel hatte, bekam Einheitsmöbel gestellt.


    Einige Häuser, z.T. stark verändert, stehen heute noch. Beim weiteren Stöbern stieß ich auf diesen Bericht.


    Edit: Zur Nord-Süd-Achse ( Fräulein G.: war gerade am Schrieben, als du auch geschrieben hast): Ja, da ungefähr soll es wohl gewesen sein. Ich habe die Stelle gesucht, war aber, wie ich jetzt erkenne, auf der falschen Straßenseite. Auf der geplanten Nord-Süd-Achse steht heute das Sowjetische Ehrenmal.

  • Durch Zufall habe ich dann bei Recherchen zur Filmgeschichte einen Artikel zu dem Thema gefunden, leider nicht ohne Propaganda: http://anno.onb.ac.at/cgi-cont…tum=1940&page=167&size=45

    Solche "modernen Blockbauten" sind vor etwa 2 Jahren am Insbrucker Ring in München abgerissen worden - da stehen jetzt wahrscheinlich Eigentumswohnungen im Schuhschachtelformat <X

  • Darth Eder

    Danke für die Informationen. Das heißt also, es gab in München noch einige Häuser aus den 1940er Jahren? Schade, dass die Häuser abgerissen wurden, es gibt ja ohnehin wenige neugebaute Häuser aus den 1940er Jahren

    Gerüchten zu folge, sollen sich auch im Hasenbergl ein paar Bauten dieser Zeit befunden haben, welche nun schon seit geraumer Zeit nicht mehr stehen. Leider kann ich es nicht beurteilen, da ich weder vor den 70iger Jahren in Hasenbergl war, noch Fotos vom alten Hasenbergl orten konnte.

  • Der Nord-Süd-Achse sollte auch der Alte St.-Matthäus-Kirchhof von 1856 weichen. Einige Gräber wurden Ende der 1930er Jahre zum Südwestfriedhof in Stahnsdorf bei Potsdam verlegt, so auch das Mausoleum des bekannten Verlegers Langenscheidt.


    Der Friedhof erfreute und erfreut sich auch heute noch großer Beliebtheit. Nicht nur die Brüder Grimm sind hier begraben (war hier schon Thema), sondern auch Stars der heutigen Zeit wie Rio Reiser und Chris Roberts. Gestern wurde auch Graciano Rocchigiani hier beerdigt.

  • Ich habe gerade bei ebay eine sehr seltene Broschüre von 1934 von einer Baugenossenschaft eingestellt: https://www.ebay.de/itm/Brosch…m-RAR-0x-KVK/153320777364


    Die Broschüre lagert in keiner Bibliothek und über sie ist im Netz nichts zu finden.


    Es ist zwar nicht 1940er, "nur" 1934, aber ggf. ganz interessant. Im Anhang ein paar Foto-Bauspiele von Wohnhäusern aus der Zeit.