Ossi Oswalda (1898-1947)

  • Ha das stimmt :D Das ist aber auch nicht uninteressant. Einerseits ist es unscharf fotografiert (oder ist es unscharf gescannt? Ne - ist im Original schon so oder?) und dann wirkt es so unbeholfen, als würde sie hier ein Kostüm anziehen und eine Pose machen, der sie nicht gewachsen ist. Weisst Du was ich meine? So ein bisschen wie ein Backfisch, der sich zu Fasching als Marlene Dietrich verkleiden möchte.

    "Es ist besser, ein einziges kleines Licht anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen."


    Konfizius

  • Ja, ich glaub ich verstehe was du meinst. Insofern ist sie ja dann auch wirklich ein schönes und authentisches Karrieredokument. Die Karte ist relativ alt. Also wäre das dann ein interessanter Jugendausrutscher.

    Ich bin immer noch nicht dazugekommen, das zu beschreiben, was ich über Ossi Oswalda aus der Tonfilmzeit rausbekommen habe, aber für mich ergibt sich zunehmend mehr das Bild einer Frau, die alles andere als chaotisch war, wie man es vielleicht glauben könnte, sondern die ihr Leben und ihre Karriere ganz genau geplant und auch kontrolliert hat.

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • So, jetzt kümmere ich mich mal um den angekündigten Beitrag über Ossi Oswalda :)


    Ich habe die Artikel der anno-Reihe angesehen, die sich zwischen 1930 und 1946 mit Ossi Oswalda beschäftigen.


    Mein Ergebnis ist das, dass das Bild, das allgemein gezeichnet wird, Ossi Oswalda habe den Übergang zum Tonfilm nicht geschafft, definitiv falsch ist. Man hat sich auch nach ihrem vorerst letzten Film, Der keusche Josef (1930), sehr positiv an sie als Komikerin erinnert und das nicht in Zusammenhang mit Ernst Lubitsch - also als ehemaligem Lubitsch-Star, sondern explizit an sie selber als Star der Stummfilmzeit. In einem Artikel steht außerdem ausdrücklich, dass sie rechtzeitig vorgesorgt habe und sich bewusst in ein stabiles Privatleben zurückgezogen habe, um dem Schicksal zu entgehen, das viele Stars erleben müssen, die übersehen, dass eine Filmkarriere in den meisten Fällen eine Karriere auf Zeit ist - insbesondere bei jungen Darstellerinnen. Und von einem Scheitern ist bei ihr nirgendwo die Rede. Sie habe sich in letzter Zeit rar gemacht, habe ich zum Beispiel auch gelesen. Es ist bei ihr also sicher das Gegenteil eines Scheiterns der Fall gewesen - vielleicht ein "geordneter Rückzug". Als sie 1933 in Der Stern von Valencia zu sehen war, haben außerdem durchaus einige Journalisten gehofft und erwartet, sie würde mit diesem Film ihr Comeback geben und ihre Filmarbeit neu aufnehmen. Und diese Erwartungen scheinen eng mit dem Ruf zu tun gehabt zu haben, den sie sich in ihrer Stummfilmzeit erworben hatte. Da, wo der Film besprochen wird, wird sie ausnahmslos als Gewinn des Films gesehen. Es spricht also einiges dafür, dass sie tatsächlich eine Fortsetzung ihrer Karriere geplant und auch vorbereitet hatte. Interessant ist in diesem Zusammenhang nämlich auch, dass der Ross-Verlag, der natürlich kommerzorientiert war, in der 7000er-Reihe und der 8000er-Reihe sogar zwei Motive von ihr herausgebracht hat (in den Jahrgängen 1932/33 bzw. 1933/34). Die Bilder seht ihr im Anhang.


    Es ist schade, dass man so etwas nicht mehr nachprüfen kann, aber ich bin überzeugt davon, dass sich hinter ihr eine ganz andere Frau verborgen hat als die, die dem Bild entspricht, das man leicht bekommt, wenn man an ihre bekannten Filme denkt. Immerhin hatte sie zwischen 1916 und 1930 eine erfolgreiche Karriere, in deren Verlauf sie mehrfach ihr Rollenprofil geändert hat und die sie möglicherweise bewusst beendet oder unterbrochen hat als sie den Eindruck bekam, dass jetzt der richtige Zeitpunkt dazu gekommen sei. Was der genaue Grund dafür war, habe ich selbstverständlich nicht herausbekommen.


    (Vor einigen Jahren habe ich übrigens auch mal ihre Schrift auf Persönlichkeitsmerkmale hin untersucht, aber ich glaube nicht, dass solche Ergebnisse so wahnsinnig zuverlässig sind. Deshalb verzichte ich hier mal auf eine Widergabe ^^)

  • Selbstverständlich bleiben natürlich eine Menge an offenen Fragen. Ich habe vorsichtshalber noch einmal bei einer Bekannten von mir, die Historikerin mit dem Schwerpunkt Drittes Reich ist, nachgefragt, nachdem im Nachruf steht, Ossi Oswalda sei jüdischer Abstammung gewesen. Es könnte ja sein, dass Ossi Oswalda keine Jüdin gewesen ist, sondern einfach jüdische Familienmitglieder gehabt hat.

    Über das Schicksal von Menschen, die im Dritten Reich als sogenannte "Mischlinge" (bei denen nur ein Teil der Herkunftsfamilie jüdisch war) rassistisch diskriminiert wurden, wurde bisher nur wenig geforscht, insbesondere über die Gruppe, die in den besetzten Teilen Europas gelebt hat. Die meisten haben aber überlebt. Wenn eine Zugehörigkeit Ossi Oswaldas zu dieser Gruppe den Behörden allerdings bekannt war, hätte sie kaum in Prag arbeiten können. Und dann stellt sich die Frage, wie es zu der Drehbuchvorlage, die sie geliefert hat, gekommen ist - wobei "Drehbuchvorlage" auch ein sehr dehnbarer Begriff ist. Das kann zum Beispiel nur bedeuten, dass zum Schluss noch ein paar Worte von einem anderen Autor verändert oder übersetzt wurden.

    Interessant wäre es also, herauszufinden, was sie beim Film gemacht hat, wie ihre Kontakte waren und wie es zu der Drehbuchvorlage gekommen ist. Hat sie unter anderem Namen beim Film gearbeitet, hatte sie gute Kontakte, oder was ist der Grund, dass sie so plötzlich erscheint? Was war außerdem der genaue Grund dafür, weshalb sie emigriert ist? Wikipedia hatte zeitweise geschrieben, sie sei zusammen mit ihrem jüdischen Lebenspartner emigriert. (In einem Artikel aus der anno-Reihe steht allerdings, sie sei verheiratet gewesen.) Offen bleibt auch die Frage, weshalb sie in Prag geblieben ist.

    Und die Frage nach dem Grund ihres frühen Tods stellt sich unter den Voraussetzungen natürlich auch noch einmal ganz anders.

    Das Bild des gescheiterten Stummfilmstars, der irgendwo dahinvegetiert und schließlich entkräftet in Prag gestorben ist, kann auf jeden Fall nicht stimmen, aber davon bin ich ja schon lange ausgegangen.

    Bis jetzt habe ich das zwar immer vermieden weil mir der Aufwand zu groß war, aber der nächste Ansatzpunkt kann wohl tatsächlich nur noch ihr Grab sein, zu schauen, wer die Verantwortung dafür trägt und zu versuchen, das Feld von hinten aufzurollen. Immerhin wird sie auf dem Friedhof ja mittlerweile zu den prominenten Gräbern gezählt.

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  • Interessant wäre es also, herauszufinden, was sie beim Film gemacht hat, wie ihre Kontakte waren und wie es zu der Drehbuchvorlage gekommen ist. Wikipedia hat ja zeitweise geschrieben, sie sei zusammen mit ihrem jüdischen Lebenspartner emigriert. (In einem Artikel aus der anno-Reihe steht allerdings, sie sei verheiratet gewesen.)

    Das steht auch im Wikipedia-Artikel. Er muss aber schon vor 1933 neu verheiratet gewesen sein. Es war Baron Gustav von Koczian, der Vater von Johanna von Koczian, die am 30. Oktober 1933 geboren wurde. Als Mutter wird Ehefrau Lydia Alexandra angegeben, nicht Ossi Oswalda. Demnach könnte sie einen neuen Partner gehabt haben, sie war ja wieder frei.

  • Bei Wikipedia stand zeitweise sogar, sie habe einen jüdischen Lebenspartner gehabt, mit dem sie 1933 emigriert sei, wobei sie in Prag geblieben sei und er nach England gegangen sei (oder so ähnlich). Ein Name wurde auch genannt. Das ist alles allerdings schon lange wieder gelöscht worden.


    Johanna von Koczian habe ich deshalb auch schon einmal angeschrieben, ich habe aber keine Antwort bekommen. Es könnte ja sein, dass sie irgendwelche Informationen hat. Aber nachdem die Ehe so lange vor ihrer Geburt war und solche Informationen dann ja immer sehr zweifelhaft sind, habe ich die Sache auf sich beruhen lassen und nicht weiter nachgehakt.

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  • Dann wird das wahrscheinlich der Grund sein. Ich habe zwar mittlerweile gehört, dass es ihr gesundheitlich nicht gut geht, aber ich wusste nicht, dass sie demenzkrank ist. Ich habe den Brief damals an ihre Agentur geschickt.

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  • Gute Arbeit Conrad! Vielen Dank! Das ist sehr interessant und zeigt auch mal wieder, wie gut und wichtig es ist, solche Lebensläufe immer wieder neu zu recherchieren, neue Quellen zu suchen um dem Thema einigermaßen gerecht zu werden. Und Ossi Oswalda ist sicher ein Thema, zu dem noch viel unbekanntes Material existiert und hoffentlich noch ans Tageslicht kommt.

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    Konfizius

  • Sehr interessant! Ich mag Ossi Oswalda auch sehr gerne, und finde schade, dass sowenig über Ihre weitere Karriere nach dem Stummfilm bekannt ist! Deswegen reizt es mich auch mehr Licht ins Dunkel zu bringen. Im Internet konnte ich noch herausfinden, dass sie vom 20.11.1919 bis 1926 mit Gustav Wilhelm Viktor Freiherr von Koczian-Miskolczy (1877-1958) verheiratet war. Nach Prag ist sie wohl mit ihrem jüdischen Lebensgefährten, Julius Aussenberg emigriert. Er soll früher ein Produzent bei Fox gewesen sein. Hier sieht man ihn links neben Emil Jannigs stehen. link Auf ancestry.co.uk gibt es ein Foto eines Julius Aussenberg von 1949, der 1887 geboren sein soll. Er könnte es sein, allerdings ist das Foto von den Nachkommen nicht freigegeben. Nach einer anderen Quelle ist er 1886 geboren und 1955 gestorben. Er liegt auf dem Wiener Zentralfriedhof begraben. Ebenso wird er als Holocaust Überlebender bezeichnet, der 1939 - 1941 aus der Tschechoslowakei emigriert ist. Vielleicht kann man seine Nachkommen ausfindig machen, und die wissen etwas über die Umstände, warum er emgrierte und sie in Prag blieb.


    EDIT: Hier noch ein link, mit seltenen Fotos ( habe diese zumindest noch nie gesehen), und es wird behauptet, dass sie eine Affäre mit Kronprinz Wilhelm gehabt haben soll!!

    http://classichollywoodactress…walda-german-actress.html

  • Das ist ja wirklich spannend. Schade, dass man im Netz oft so nachlässig mit Quellenangaben ist. Gerade für die letzten Zeilen wären mir Quellen wichtig.

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  • Austernprinzessin: Du meinst meinen letzten link? Ja, das würde mich auch interessieren, ob an der Affäre mit dem Sohn des Kaisers was dran ist. Allerdings hatte der wohl auch etliche Affären, wenn man ihn mal googelt. Auch bei der Behauptung sie hätte einen Vertrag mit einem amerikanischen Produzenten unterzeichnet ( war das vielleicht Julius Aussenberg, der ja für Fox Produzent gewesen sein soll?) würden mich die Quellen interessieren.

    Ich konnte nur etwas über Ihren ersten Mann (Koczian) herausfinden, der wohl ein ziemlicher Lebemann war: http://michael.eisenriegler.at…nmauth/gustav-von-koczian

  • Ja genau, den Link meine ich.

    Was ich bei diesen ganzen Artikeln immer so störend finde, ist die Tatsache, dass die Infos nicht belegt werden und somit erst recht nicht nachprüfbar sind. Dann hab ich bei der Übernahme von solchen Aussagen immer ziemlich Bauchschmerzen.

    Das scheint allerdings eine Tendenz in der wissenschaftlichen Arbeit überhaupt zu sein. Da reicht es jetzt bei online-Links aus, die Adresse und das Datum anzugeben, an dem man es abgerufen hat. Und das bedeutet in vielen Fällen, dass man nichts mehr nachprüfen kann.

    Ich habe gerade aus beruflichen Gründen in ein Buch über die Hexenverfolgungen reingelesen, und da wurde auch gesagt, dass die Wissenschaftler vor lauter Sekundärliteratur oft gar nicht mehr bis zu den Originalquellen vordringen.

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  • So, ich hab's gelesen:)! Wirklich spannend! Vor allem der zweite Bericht. Offenbar hat Ossi Oswalda also auch gestört, dass der Weggang Ernst Lubitschs einen künstlerischen Abstieg bedeutet hat. Zumindest deute ich den Unterton ihrer Aussagen so.

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

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