Neues Reclam-Buch über den NS-Film ist erschienen

  • Ich hab jetzt einmal in das Buch hineingeklickt. Also das was der Titel und das Inhaltsverzeichnis hier suggerieren (zB Bel Ami, Burgtheater, Münchhausen etc. als NS-Filme) ist harter Tobak, ganz wie es halt seit ca. 15 Jahren üblich ist. Solche Schriften werden die UFA-Filme bestimmt nicht populärer machen. So kann man alles "nazifizieren". :thumbdown:

    "Alkohol in Maßen genossen, schadet auch in größeren Mengen nicht"


    Anderl Heckmair (1906-2005), deutscher Bergführer und Alpinist

  • Ich halte es für ausgeschlossen, dass das Buch die Filme nazifizieren will. Ich kenne die Einstellung von Frank Noack sehr gut, und von ihm stammen drei Kapitel aus dem Buch. Aber ich werd's mir sowieso besorgen. Dann kann ich euch genauer was drüber berichten.

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

    Einmal editiert, zuletzt von Austernprinzessin ()

  • Ich wollte jetzt auch nicht das Kind mit dem Bad ausschütten, aber der Titel "Filme zur Zeit des Nationalsozialismus" wäre passender. Man stelle sich vor, man würde sich als NS-Film-Fan definieren. Bei dem Buchtitel hab ich halt schon den Eindruck, dass man zB "Münchhausen" als nationalsozialistischen Film bezeichnet.

    Interessieren würde mich auch, warum der Autor "Burgtheater" von 1936 als NS-Film auflistet. Der ist nämlich noch vor dem Anschluß 1936 in Österreich erschienen.

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    Anderl Heckmair (1906-2005), deutscher Bergführer und Alpinist

  • Ich hab das Buch bestellt - und nebenbei damit auch noch ein Buchgeschäft unterstützt ;) Offenbar müssen viele von denen ja mittlerweile richtig kämpfen, nachdem das meistens über amazon abgewickelt wird ;)

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • Ich hab jetzt einmal in das Buch hineingeklickt. Also das was der Titel und das Inhaltsverzeichnis hier suggerieren (zB Bel Ami, Burgtheater, Münchhausen etc. als NS-Filme) ist harter Tobak, ganz wie es halt seit ca. 15 Jahren üblich ist. Solche Schriften werden die UFA-Filme bestimmt nicht populärer machen. So kann man alles "nazifizieren". :thumbdown:

    Ich hab schon ein wenig reingelesen. Was ich bis jetzt gelesen habe, ist sehr differenziert und äußerst sachlich und nüchtern. Auch die große Bandbreite an Autoren finde ich sehr angenehm. Sollte da tatsächlich die eine oder andere Betrachtung zu sehr durch eine weltanschauliche Brille geprägt sein, würde das viel leichter ausgeglichen.


    Kennt übrigens jemand von euch Elisabeth Bronfen? Sie war Anfang der 90er Jahre Dozentin an der englischen Fakultät der LMU München. In den letzten Jahren habe ich ihren Namen allerdings häufig in Zusammenhang mit filmwissenschaftlichen Arbeiten gelesen. Das hat mich etwas überrascht.

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • Ich habe jetzt viele Artikel aus dem Buch gelesen. Nachdem da viele Autoren am Werk waren, gibt es natürlich auch viele "Handschriften". Mir gefällt es sehr gut, dass nicht einfach versucht wird, die Filme in "Propaganda ja oder nein" einzuteilen, sondern dass auch versucht wird, herauszuarbeiten, dass alle Filme ein Spiegelbild ihrer Zeit sind. Sehr schön finde ich auch die Artikel, in denen das übliche schwarz-weiß-Raster "gut - böse" etwas aufgebrochen wird und auf die Brüche und Widersprüchlichkeiten in den einzelnen Biographien hingewiesen wird, z.B. bei Frank Wysbar.


    Wer aber auf ein Buch hofft, wo Filme beschrieben werden, in denen man vom Geist der Zeit überhaupt nichts findet und die vollkommen "jungfräulich" waren, der wird hier sicher nicht fündig. Aber dann übersieht man auch, dass die Filmschaffenden alle in dieser Zeit gelebt haben. Ich würde mich aber nicht davon abschrecken lassen. Dass man z.B. auch in dem Film Die Feuerzangenbowle mit dem Sportlehrer Dr. Brett jemanden findet, der ein Erziehungziel der NS-Zeit widerspiegelt, liegt eigentlich auf der Hand, wird aber komischerweise immer ignoriert. Ich finde es schon sehr wichtig, dass das angesprochen wird. Ein Gespräch darüber und eine Bewertung kann ja im Anschluss immer noch stattfinden.

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  • Vielen Dank - eine interessante Zusammenfassung.


    Und ja - alles ist auch ein Spiegel der Zeit. Selbst der, der keine Propaganda filmen wollte, baut automatisch zeittypische Dinge in sein Werk mit ein, das dann oft auch im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus steht. Das ist nicht zu vermeiden.


    Hinzu kommt, dass der Nationalsozialismus auch nicht alles neu erfunden hat. Ich habe den Sportlehrer aus der Feuerzangenbowle jetzt nicht vor Augen und kann dazu nichts sagen. Aber wenn jetzt heute etwas NS-Mässig wirkt, hat das ggf. eine viel längere Tradition, nur wir verbinden es mit der NS-Zeit (ohne den Sportlehrer jetzt direkt damit zu meinen).

    "Es ist besser, ein einziges kleines Licht anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen."


    Konfizius

  • Bei Die Feuerzangenbowle ist es glaube ich eher umgekehrt. Da fällt uns der Sportlehrer nicht so stark auf, weil er sich nicht so sehr von einem Erziehungsstil unterscheidet, den viele von uns auch kennen oder zumindest von Erzählungen her. Mir ist es schon immer aufgefallen, dass da so eine Episode mit einem Lehrer reingebrochen ist, die den Erzählfluss stört und eigentlich in der Luft hängt - vor allem, weil sie dramaturgisch überhaupt keinen Sinn macht. Die Figur passt auch nicht zu den vertrottelten Lehrern, die der Film sonst zeigt. Aber mir ging es immer so, dass der Film danach so schnell weiterging, dass ich diese Szene anschließend immer ganz schnell vergessen habe.

    Das ist anders mit dem Film Quax der Bruchpilot, der leider nicht besprochen wird. Da hat mich die Figur von Herbert Dirmoser mit ihrer ewigen Rumreiterei auf Disziplin zunehmend gestört, und irgendwann hat mir das den Film verleidet.

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  • Wie gesagt, ich kenne die Szene nicht mehr - aber vielleicht wollte man diesen Kontrast zum Sportlehrer bewusst einbauen, denn in meiner Kindheit waren die Sportlehrer (ebenso wie die Religionslehrer) immer ganz andere Typen als die restlichen Lehrer.
    Beim Religionslehrer gabs alle Varianten, von total abgedreht, bis total locker. Bei den Sportlehrern habe ich meist eher die sehr lockeren, umgänglichen Leute miterlebt. In den früheren Zeiten gabs im Sport sicher noch viel mehr Typen wie Du ihn aus der Feuerzangenbowle beschreibst, oder eben die die in der Tradition vom Turnvater Jahn standen.

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    Konfizius

  • Der Sportlehrer hat schon eindeutige Bezüge zu den Erziehungszielen dieser Zeit. Das ist eindeutig. Aber da gibt es natürlich eine direkte Linie, die direkt von Friedrich Ludwig Jahn herkommt. Die war ja von Anfang an politisch.

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  • Ich finde, das mit dem Sportlehrer fällt nur auf, wenn man den Film direkt unter NS-Gesichtspunkten sieht. Er steht für die „neue Generation der neuen Zeit“, während die alten, vertrottelten Lehrer abgewirtschaftet haben. Eine Szene ist besonders deutlich. Ich bekomme nicht mehr zusammen, was genau gesagt wird, aber die Lehrer sitzen alle im Lehrerzimmer, und es wird, glaube ich, darüber beraten, wie der Scherz mit den Bauarbeiten zu ahnden sei. Und dann sagt der Sportlehrer sinngemäß sowas wie, dass den jungen Leuten die Zeit gehört oder sie es besser/anders machen werden oder so.

    Wenn man sich verdeutlicht, wann der Film gedreht wurde, ist das doch voll nationalsozialistisch.


    Ich finde, es ist beim genauen Hinsehen in ganz vielen Filmen was drin, und wenn es nur ein Satz ist oder sich aber über das definiert, was NICHT drin ist. Zum Beispiel ein Film über Arbeitslosigkeit spielt dann im Ausland, denn offiziell gab es im NS-Staat angeblich keine Arbeitslosen usw. Wobei Mathias77 recht hat mit dem „Burgtheater“-Film. Ich denke auch nicht, dass da schon was drin war vor 1938.

  • Fräulein G.

    Wie siehst du das eigentlich mit "Mädchen in Uniform" in Bezug auf das damalige Verbot? Wurde der Film in der NS-Zeit deiner Meinung nach eher aufgrund der homosexuellen (bzw. ich seh da persönlich eher homoerotische) Elemente verboten oder fürchtete man eher die sog. "Unbarmherzigkeit der preußischen Disziplin"?

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    Anderl Heckmair (1906-2005), deutscher Bergführer und Alpinist

  • Ich sehe da auch oft verschwimmende Grenzen bei Begriffen wie "Homosexualität" und "Homoerotik" in den 30er Jahren und allgemein. Das viktorianische England wäre da auch so ein Thema was reinpasst , aber das würde den Strang hier jetzt vollkommen sprengen...;)

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    Anderl Heckmair (1906-2005), deutscher Bergführer und Alpinist

  • Echt jetzt? Mir geht es manchmal auch so , v.a. was Musik betrifft. Da ist mir zB eine Sinatra-Aufnahme , die ich vorher kannte lieber als jene, die ich danach gehört hab. Auch wenn die eine Fassung evtl. musikalisch besser ist.. Bei dem Film "Mutterliebe" oder "Ein Licht der Liebe" kann ich nicht wirklich objektiv sein (wegen der Hauptdarstellerin;) ). Ich finde die erste Fassung von "Mädchen in Uniform" sehr viel sinnlicher aber trotz den wunderbaren Schauspielern, muß ich bei der ersten Fassung immer an Sabine Sinjen denken. :(

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    Einmal editiert, zuletzt von Mathias77 () aus folgendem Grund: Vorwort