Auschwitz als Videospiel?

  • Ich war vorletztes Wochenende auf einer Tagung der Evangelischen Akademie Tutzing. Das Thema war "NS-Vergangenheit - wie nah, wie fern?" Dort war u.a. ein Vortrag des Historikers Wulf Kansteiner:
    http://www.zeitgeschichte-onli…tsfernsehen-vor-holocaust
    Leider war der Vortrag ziemlich schlampig und oberflächlich, aber eine seiner Aussagen war: Angesichts der Bedeutung der digitalen Medien sei es notwendig, dass auch im Rahmen der Erinnerungskultur ein Videospiel über Auschwitz entwickelt wird. Er hat gesagt, dass er überzeugt davon ist, dass so ein Videospiel definitiv kommen wird. Die Frage sei nur, wer es zuerst entwickelt. Deshalb besteht die Notwendigkeit, dass so ein Videospiel verantwortungsbewusst erstellt wird. Ansätze dazu gäbe es schon.
    Leider hat er sich bei seinem Vortrag mit der Zeit total verzettelt und konnte das nicht mehr genauer ausführen. Er hat dazu nur gesagt, es müsse den Spielenden deutlich werden, welche Folgen auch kleine Entscheidungen haben können.
    Ich hatte später noch ein langes Gespräch mit dem Publizisten Richard Gebhardt (https://www.torial.com/richard.gebhardt), der ein ausgewiesener Fachmann der rechten Szene in Deutschland ist. Er hat so etwas kathegorisch abgelehnt, obwohl auch er durchaus kontroverse Ansichten vertritt, die einigen Anwesenden nicht gefallen haben.


    Was ist eure Meinung dazu? Sollte so ein Videospiel im Rahmen der Erinnerungskultur entwickelt werden?

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • Schwierig!


    Ich überlege gerade, wie so ein Spiel gestaltet werden kann. Es muss einerseits das Spielinteresse wecken, andererseits soll es der Würde des Themas gerecht werden. Wenn es eine Möglichkeit gäbe, ein solches Spiel zu entwickeln, wäre ich sehr dafür, wenn es dann auch ein wenig der Bildung dient, das wäre mir wichtig. Nur zweifle ich daran, dass man ein solches Spiel mit diesen Vorgaben hinbekommt.

  • Mir geht es ganz genauso wir dir. Wie man all das unter einen Hut bringen soll, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • Ein sehr realitätsnaher Vorschlag (< Ironie). Es ist nur so denkbar, dass es ein Rollenspiel wird, bei dem man in die Rolle eines Insassen schlüpft, der das Ziel hat zu überleben und vielleicht einen Ausbruch oder ähnliches zu planen (inkl. weiterer Levels in der "Freiheit" mit Verstecken, Nahrungssuche usw). Es muss dabei authentisch, hart, ohne Moralzeigefinger sein und ohne erklärende Textfelder alle 2 Minuten (damit der Spieler bloß die richtigen Schlüsse aus dem Spiel zieht), da die "Kids" sonst schnell die Freude am Spiel verlieren würden. Denn sie spielen aus Freude und nicht um sich politisch zu bilden. Das Spiel müsste man ähnlich aufbauen wie die jüngsten GTA-Spiele - auch brutal und schonungslos. Alles andere wäre nicht denkar, aber so wie ich es schildere ist es für den, der Idee aufgebracht hat, sicher nicht denkbar. Weil eben zu wenig Erinnerungskultur übermittelt wird. Es ist dann im Grunde nur eine andere Variante von Spielen wie Wolfenstein oder Motyr. Mindestens ein Spiel zu der KL-Thematik gabs schonmal - ich glaube in den 80ern, aber das war eben nicht gerade politisch korrekt.


    Viel sinnvoller ist es die Geschichte sauber, lückenlos und Wahrheitsgetreu aufzuarbeiten und alle Infos und Fakten der Nachwelt zu erhalten. Damit die, die sich informieren möchten, sich auch korrekt informieren können. Das Interesse am Erinnern muss von den Leuten selbst kommen, sonst erzielt man nur gegenteilige Wirkungen.


    Wenn so ein Spieleprojekt nach hinten los geht, wird der Spott groß sein, es wird massig Videos, Abklatsche usw. geben die das Spiel genau anders auslegen, wie es die Macher sich gedacht haben. So schätze ich es jedenfalls ein, wenn so ein Spiel auf die jungen "Gamer" (die alles andere als politisch korrekt sind) lächerlich wirkt und sich eine Eigendynamik entwickelt, die so nicht gewünscht war.

    "Es ist besser, ein einziges kleines Licht anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen."


    Konfizius

  • 8o  No Nick und Vogel Specht: Fällt euch was auf? Wir haben eine Diskussion mit politischem Inhalt und wir sind gleich bei der ersten Nachricht alle einer Meinung! Hatten wir das schon mal? Ich könnte mich nicht dran erinnern :D

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • Ich bin da etwas zwiegespalten. Sicher ist dieses Thema irgendwie wichtig, aber was ist, wenn das nach hinten losgeht - oder gar verherrlichend wirkt?
    Natürlich ist totschweigen auch nicht das richtige, aber das Thema ist Vergangenheit und die Vergangenheit lässt sich nicht ändern.

  • Das Thema scheint in Fachkreisen tatsächlich immer aktueller werden. Der Artikel ist ein Beispiel dafür:

    http://www.spiegel.de/netzwelt…cher-krieg-a-1215145.html

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

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  • Da kommt mir ein Gedanke: Ich hatte ja schon geäußert, dass man das Thema nur so aufgreifen kann, dass man selbst Insasse eines Konzentrationslagers ist im Rahmen des Spieles und einen Ausbruch und/oder eine Revolte anzetteln muss im Rahmen des Spiels.

    Eine weitere Variante, an die ich bislang nicht gedacht habe, dass das Thema am Rande ganz normal mit eingebaut wird und man z.B. als US-Soldat als Ziel einer Mission so ein Konzentrationslager "befreien" muss. Das wäre wohl auch denkbar aus der heutigen Sichtweise.

    "Es ist besser, ein einziges kleines Licht anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen."


    Konfizius

  • Ich muss sagen, dass ich zu dem Thema selbst noch keine abschließende Meinung hab. Das Schwierige ist einfach, dass man sich bei diesem Thema keinen Fehltritt erlauben darf. Deshalb traut sich aus verständlichen Gründen auch niemand ran.

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)