Sollen Vorbehaltsfilme freigegeben werden?

  • Nachdem diese Woche mal wieder "Verbotene Filme" auf arte lief, stelle ich die Frage hier gleich mal ins Forum: Sollen die sogenannten Vorbehaltsfilme frei zugänglich sein?


    Meine persönlich Antwort: Ja!


    Wir hatten die ganze Diskussion ja schon mit Mein Kampf. Das Buch wurde nach endlosen Diskussionen veröffentlicht, und jetzt interessiert sich niemand dafür. Der Reiz des Verbotenen ist also auch verschwunden. Es wäre ja ein Kompromiss, die Filme mit entsprechenden Informationen zu veröffentlichen. Das macht sowieso jede Veröffentlichung interessanter - und zwar für jeden.


    Der meiner Meinung nach aktuell brisanteste Film ist sowieso schon lange veröffentlicht. Und das ist gar kein deutscher Film, sondern D. W. Griffiths The Birth of a Nation.

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • Ich bin mir ja nicht ganz sicher, wie man mit den Verbotenen Filmen in Zukunft verfahren soll. Auf jeden Fall bin ich mir sicher, dass kein Mensch mit einer demokratischen, toleranten Gesinnung durch so einen Film zum Fanatiker oder Nationalsozialisten wird. Und diejenigen, die diese Filme sehen wollen, finden Mittel und Wege an diese Filme zu kommen. Ich habe mal einen Zeitungsartikel gelesen, in dem steht, dass die Vorbehaltsfilme nicht selten illegal auf youtube hochgeladen werden. Leider finde ich den Artikel nicht mehr wieder.


    Was ich ja zum Teil schlimm finde ist, dass durch die Filme auch Schauspielerauftritte der Öffentlichkeit vorenthalten werden (z.b Norbert Rohringer und Eugen Klöpfer in "Jakko" (1941), und Klaus Detlef Sierck in "Kopf hoch, Johannes" (1941) u.v.a). Dass haben diese und noch viele andere Schauspieler einfach nicht verdient. Ich glaube auch nicht, dass die meisten Darsteller, die in den Vorbehaltsfilmen mitgewirkt haben, überzeugte Nationalsozialisten waren. Und wenn die UFA denen ein Angebot für eine Rolle in einem Propagandafilm gemacht hat, was hätten die Darsteller den tun sollen? Mit welcher Begründung sollten sie die Rolle ablehnen, ohne das NS - Regime misstrauisch zu machen?


    Aber ich komme vom Thema ab. ich bin mir nicht sicher, ob man die Filme der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen sollte. Aber ich bin mir sicher, dass man die Filme gefährlicher einschätzt als sie wirklich sind. Andererseits gibt es eine Sache, die NS Filme schon zu einer gewissen Gefahr macht: Für die Filme haben die Nationalsozialisten nicht selten auf historische Ereignisse zurückgegriffen, und diese dann so umgeschrieben, dass die Juden auf jeden Fall das Böse verkörpern. Falls es einige Menschen gibt, die sich mit historischen Ereignissen nicht so gut auskennen, könnten diese Filme deren historisches Bild im Unterbewusstsein prägen und das wäre wiederum gefährlich

  • Oha, eine sehr interessante Diskussion bahnt sich an, schätze ich. :D


    Meine persönliche Antwort: Nein!


    Aber ich stimme Dir zu, dass der vorbehaltlose Vorbehalt dieser Filme angepasst werden könnte, da ja auch einige wegen unterschwelliger Propaganda oder „Abbildung verfassungsfeindlicher Symbole“ verboten sind, die man mit heutigem Wissen problemlos als solche entlarvt, so dass keiner mehr drauf reinfällt. Gerade die HJ-Filme (Quex & Co) sind ja eher schon Zeitgeschichte heute, wo kaum ein Jugendlicher mehr empfänglich dafür ist. Und die, die für dieses Denken empfänglich sind, denen ist auch ohne diese Filme nicht zu helfen.


    Dafür gehört aber meiner Meinung nach an anderer Stelle schärfer kontrolliert. Ich finde es z.B. unglaublich - und das gerade mit dem Wissen von heute! -, dass Filme wie „Jud Süß“, wo am Ende alle hasserfüllt „Jude!“ brüllen und darauf warten, dass er aufgehängt wird oder „Der Ewige Jude“ mit dem Rattenvergleich einfach mal eben so bei Youtube drinstehen und keinen schert es. Ruft man diese Filme auf, erhalten sie sogar noch das „Prädikat“ „Beliebte Videos“ mit tausenden von Aufrufen. Nutzer/Uploader nennen sich „Benito Mussolini“ und so, wo man echt erschüttert ist und sich fragt, warum das nicht gesperrt wird.
    Da werden Uploader wegen harmloser Unterhaltungsfilmchen aus den 1950er Jahren gesperrt, aber der offen menschenverachtende Dreck bleibt für jeden Sechsjährigen frei zugänglich drin stehen. Das verstehe ich nicht.


    Aber ich hab die Sendung neulich auch gesehen und dachte mir eben auch, wie albern das ist, dass so ein Drama und Geheimnis um diese Filme gemacht wird, wo sich jeder Dödel die in der nächsten Minute sofort bei YouTube, Dailymotion & Co anschauen kann. Und an der Stelle hast Du recht mit der Freigabe, weil sowas dann wie ein Aufruf zum Gucken funktioniert: oh, ist verboten - ach, steht ja auf Youtube, hihi, muß ich mir gleich mal angucken. Deshalb wäre ein Kompromiss gut. Neubewertung der Verbotsfilme, aber das, was dann verboten bleibt, auch bei Missbrauch konsequent verfolgen.

  • Neubewertung der Verbotsfilme, aber das, was dann verboten bleibt, auch bei Missbrauch konsequent verfolgen.


    Das Problem ist allerdings - und das wurde bei "Verbotene Filme" nicht gesagt - dass man die Filme nicht nur auf Youtube zu sehen bekommt. Die kann man sich problemlos in den USA bestellen oder sie von dort mitbringen. Angebote gibt es auch bei Amazon. Und jetzt kursieren Kopien dieser DVDs schon längst und sind sehr leicht zugänglich. Hier kann der Staat allenfalls auf die Rechtefrage verweisen, weil der Besitz dieser Filme ja nicht strafbar ist.


    Filmzensur in Deutschland wieder einzuführen, halte ich für sehr problematisch, zumal das nichts Grundsätzliches ändert. Die Filme wären ja genauso zugänglich. Der Staat hat also nur eine sehr begrenzte Handlungsmöglichkeit.


    Deine Argumente kann ich natürlich sehr gut nachvollziehen. Der Gedanke, dass man Der ewige Jude oder Jud Süß auf DVD kaufen kann, ist mir auch nicht geheuer. Das gleiche Bauchgrimmen habe ich auch bei Fernsehausstrahlungen. Aber das relativiert sich schon etwas, wenn es sich um kommentierte Veröffentlichungen handelt.
    Und grundsätzlich stellt sich dieses Problem auch bei jeder anderen Ausstrahlung von Aufnahmen aus KZs. Letzten Endes setzen die alle auf eine Schockwirkung. Man kann sie aber genauso aus anderen Motivationen heraus sehen - z.B. aus Lust am Grauen oder was auch immer.


    @ Nostalgie Fan: Die Antwort von Fräulein G. bezog sich auf die Frage, die ich als Überschrift zu diesem Thread gestellt habe.

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • Filme, die kriegsverherrlichend, rassistisch oder antisemitisch sind, können nicht einfach so ohne begleitendem Material veröffentlicht werden. Das sollte im übrigen auch für andere, z.B. salafistische Filme gelten.


    Man kann Vorbehaltsfilme aber auch ohne You Tube sehen: in den Räumen der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung in Wiesbaden.

  • Filme, die kriegsverherrlichend, rassistisch oder antisemitisch sind, können nicht einfach so ohne begleitendem Material veröffentlicht werden. Das sollte im übrigen auch für andere, z.B. salafistische Filme gelten.


    Niemand von uns hat verlangt sie ohne begleitendes Material freizugeben ;) .
    Salafistische Propagandaspielfilme spielen sowieso keine Rolle. Mir ist kein einziger bekannt - was natürlich nicht heißt, dass es sie auch nicht gibt, aber wenn das Thema brisant wäre, hätte das Innenministerium längst darauf hingewiesen.
    Das Problem sind meiner Meinung nach zwei Filme: Ich klage an von Wolfgang Liebeneiner, der sehr subtil ist und The Birth of a Nation, der auf der einen Seite üble Hetze ist und gleichzeitig hochaktuell.
    Aber auch da stellt sich die Frage einer Freigabe letzten Endes nur bedingt - zumindest meiner Meinung nach. Bei The Birth of a Nation stand sie sowieso nie zur Debatte, und Ich klage an ist genauso frei zugänglich. Aber da würde Begleitmaterial sehr viel helfen.


    Das Problem mit der Friedrich-Wilhelm-Murnau Stiftung ist halt, dass sie in Wiesbaden sitzt und damit für die meisten Leute einfach zu weit weg.


    Übrigens habe ich mit einem Geschichtslehrer über eine Vorführung von Jud Süß gesprochen. Dabei habe ich gemerkt, dass man eine geradezu irrational große Angst vor diesen Filmen hat, die überhaupt nicht gerechtfertigt ist. Zum Antisemiten machen diese Filme niemanden. Was die Probleme betrifft, bin ich absolut der Ansicht von Fräulein G.: Es sind die unverhohlen antisemitischen Hetzparolen. Eine Freigabe der Filme würde die natürlich auch offiziell freigeben.

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • Interesanter Artikel

    Aberauch schon überholt. Filmfreunde haben diese sogenannten Vorbehaltsfilme bereits.

    Das einzige Manko ist häufig die mangelnde Qualität

    Ich warte z.B. darauf, daß der Film "Feinde" 1940 endlich in einer Top-Qualität erscheint etwa so wie "Friesennot".

  • Nachdem ich gelesen habe, dass man mittlerweile auch Ernst Lubitsch vorwirft, Antisemit gewesen zu sein, bzw. dass in seinen Komödien "Selbsthass" (Was auch immer das sein soll) zum Ausdruck komme - hier unter "Kritik" - kann ich mir nicht vorstellen, dass sich im Moment jemand traut, Jud Süß, Robert und Bertram, Der ewige Jude oder Die Rothschilds zu veröffentlichen.

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

    Einmal editiert, zuletzt von Austernprinzessin ()

  • Ich persönlich bin schon für eine vorsichtige Veröffentlichung der Vorbehaltsfilme. Aber nur dann wenn die Filme wissenschaftlich und historisch aufgearbeitet wurden und dieses Material in den Veröffentlichungen mit enthalten ist.


    Denn was bringt ein allgemeines Verbot wenn sich wie bereits mehrmals genannt, die Filme über das Internet heutzutage im Ausland ohne Probleme besorgen lassen. Und Urheberrechte laufen irgendwann auch aus und dann sind die Filme auch im Ausland frei verfügbar.


    Mit den Vorbehaltsfilmen ist es ähnlich wie mit "Mein Kampf". Das Buch war im Gegensatz zu den Filmen nie verboten aber der Fristaat Bayern hatte nach 1945 als Erbe das Urheberrecht übertragen bekommen und daher gab es nie eine Veröffentlichung bis zum Jahr 2015 mit Ende des Urheberrechts. Aber im Ausland war die Beschaffung ohne Zensur immer möglich. Daher besser eine Veröffentichung mit Aufarbeitung als Medien ohne jegliche Gegenüberstellung.

  • Ich persönlich bin schon für eine vorsichtige Veröffentlichung der Vorbehaltsfilme. Aber nur dann wenn die Filme wissenschaftlich und historisch aufgearbeitet wurden und dieses Material in den Veröffentlichungen mit enthalten ist.


    Denn was bringt ein allgemeines Verbot wenn sich wie bereits mehrmals genannt, die Filme über das Internet heutzutage im Ausland ohne Probleme besorgen lassen. Und Urheberrechte laufen irgendwann auch aus und dann sind die Filme auch im Ausland frei verfügbar.


    Mit den Vorbehaltsfilmen ist es ähnlich wie mit "Mein Kampf". Das Buch war im Gegensatz zu den Filmen nie verboten aber der Fristaat Bayern hatte nach 1945 als Erbe das Urheberrecht übertragen bekommen und daher gab es nie eine Veröffentlichung bis zum Jahr 2015 mit Ende des Urheberrechts. Aber im Ausland war die Beschaffung ohne Zensur immer möglich. Daher besser eine Veröffentichung mit Aufarbeitung als Medien ohne jegliche Gegenüberstellung.

    Vorbehaltsfilme sind auch nicht verboten. Vorbehaltsfilme ist lediglich eine Kategorie des Rechteinhabers.

  • Vorbehaltsfilme sind auch nicht verboten. Vorbehaltsfilme ist lediglich eine Kategorie des Rechteinhabers.

    Richtig!

    Ich kann sie besitzen - ich kann sie anschauen - ich kann sie weitergeben

    Nur im Kino ist noch eine Moral-Gouvernante anwesend, deren Predigt lediglich durch einen Wattebausch hörbar ist

    Darum sehe ich auch keinen Sinn für eine - was für welche - Aufarbeitung.

    Ich zensiere mich selber, indem ich Filme wie Stukas einmotte, weil ich sie stinklangweilig finde

  • gamegenie

    Willkommen hier im Forum, auch von meiner Seite noch mal! :)

    Leider war ich lange Zeit nicht hier im Forum aktiv und lese mich nun durch die Beiträge der letzten Wochen, weshalb ich erst jetzt auf Sie / Dich und auf Ihren / Deinen Beitrag aufmerksam geworden bin.


    Vielen Dank für den interessanten Beitrag hier im Thema. Vor ein paar Jahren hatte ich hier auch schon mal einen Beitrag geschrieben, ohne jedoch zu einem klaren Urteil zu kommen. An sich bin ich aber auch für eine Veröffentlichung der Vorbehaltsfilme mit historischer Einordnung.