Sexfilmwelle 1918-1920

  • Ich bin ja fasziniert von der Sexwelle der 70er Jahre und in diesem Thema hier Freizügigkeit in deutschen Filmen haben wir uns auch schon über Freizügigkeit in alten deutschen Filmen unterhalten.


    Nun habe ich das Buch "Cinema - Kino der Lüste" in der Hand. Dort wird in einem kurzen Artikel beschrieben, wie ab dem Jahr 1917 (also noch während des Kriegse - da ging es in erster Linie um Geschlechtskrankheiten) Aufklärungsfilme gedreht wurden. Das setzte sich nach dem Krieg fort und mündete darin, dass in einer (angeblich?) zensurfreienzeit von 1918 bis 1920 viele Sexfilme/Freizügige Filme/Erotische Filme... (?) produziert wurden.


    Hat sich jemand mit dem Thema schon einmal auseinandergefasst? Mir ist zwar bekannt, dass schon seit der frühesten Filmzeit auf Jahrmärkten (gerne am letzten Tag) Filmvorführungen mit (ich glaube sogar) pornografischen Filmen gegeben hat. Aber im größeren Rahmen war mir so eine "Sexwell" (war es überhaupt eine, oder waren das alles in allem harmlose Filme?) in der Zeit nach dem 1. Weltkrieg gegeben hat.


    Filmtitel sind z.B.


    "Es werde Licht" (1917) - das ist der oben genannte Film
    "Prostitution" (1919)
    "Gift im Weibe"
    "Menschliche Hyänen"
    "Sündiges Blut"
    "Peitschende Sinne"


    Im Buch heisst es, dass die Macher der Filme damals "die Lust nicht um ihrer selbst willen darstellten, sondern, in merkwürdig trüber, verkrampfter Weise, als Zwang, den sie auf Menschen ausübt".


    Ein spannendes Thema, wie ich finde. Weiss jemand mehr dazu?

    "Es ist besser, ein einziges kleines Licht anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen."


    Konfizius

  • Letzte Woche sah ich erst Richard Oswalds "Unheimliche Geschichten" und im Begleitheft werden fünf Filme seiner Aufklärungsreihe aufgelistet, neben den schon genannten "Es werde Licht!" und "Die Prostitution" noch "Das Tagebuch einer Verlorenen" und dessen Fortsetzung "Dida Ibsens Geschichte" (beide 1918 ) sowie "Anders als die Andern" (1918/19), die als "populärwissenschaftliche Behandlung sexueller Themen mit entsprechend inszenierten Fallbeispielen" beschrieben werden.
    Auf Wikipedia ist nicht gerade viel darüber zu lesen, nur dass es auch ein paar österreichische Produktionen gab und zwar noch nach der Zensurwelle 1920 in Deutschland.
    Außer Oswald gab es offensichtlich keine namhaften Regisseure, die sich bei dieser Gattung besonders hervortaten.


    Man müsste eben ein paar solcher Filme sehen um sich ein Bild zu machen.

  • Nun habe ich das Buch "Cinema - Kino der Lüste" in der Hand. Dort wird in einem kurzen Artikel beschrieben, wie ab dem Jahr 1917 (also noch während des Kriegse - da ging es in erster Linie um Geschlechtskrankheiten) Aufklärungsfilme gedreht wurden. Das setzte sich nach dem Krieg fort und mündete darin, dass in einer (angeblich?) zensurfreienzeit von 1918 bis 1920 viele Sexfilme/Freizügige Filme/Erotische Filme... (?) produziert wurden.


    Ich muss hier ein klein wenig sticheln, weil du ja nie glaubst, dass es keine Zensur gibt oder wenigstens einmal gab. ;)


    Nun muss man aber wissen, dass nach den Ersten Weltkrieg andere Dinge wichtiger waren. Zwar gab es - im Gegensatz zum Zweiten Weltkrieg - noch wenig Zerstörung, aber es herrschten Hunger und Elend. Und da die Zeit, in der man dem Kaiser unbedingte Treue schwören musste, nun vorbei war, durfte jetzt jeder alles sagen, denken und filmen, was er wollte. An den Jugendschutz dachte in dem Moment offenbar niemand.


    Das war in der Tat die freieste Zeit in der Zensurgeschichte unseres Landes. ^^

  • Zitat

    weil du ja nie glaubst, dass es keine Zensur gibt oder wenigstens einmal gab. ;)


    Ich finde schon interessant, was Du glaubst über mich zu wissen, was ich angeblich glaube. Ohne, dass ich mich jemals entsprechend geäußert habe.


    Zitat

    Nun muss man aber wissen, dass nach den Ersten Weltkrieg andere Dinge wichtiger waren. Zwar gab es - im Gegensatz zum Zweiten Weltkrieg - noch wenig Zerstörung, aber es herrschten Hunger und Elend.


    Das ist mir klar und bewusst, dass es keinerlei Zensur nach dem 1. Weltkrieg gab habe ich aber noch nie gehört - da ich nicht wusste, ob die Info stimmt, habe ich das entsprechend gekennzeichnet. Keine direkte Zensur heisst ja nicht unbedingt, dass man gleich alles machen kan. Und gerade die "Sitte" ist ja auch eine gesellschaftliche Sache, sodass keine Zensur ja nicht unbedingt heisst, dass man gleich alles in die Kinos bringen kann, was man möchte.


    JTVR
    Vielen Dank für Deine Ausführungen. Ich finde es immer wieder krass, wie wenig Informationen es zu manchen Themen im Netz zu finden gibt. Dabei könnte man meinen, dass inzwischen alles im Netz niedergeschrieben ist. Man muss nur manche Bücher aufschlagen und wird merken, dass das noch lange nicht der Fall ist. Schön, dass es auch noch andere gibt, die sich für das Thema interessieren. Und wie Du richtig schreibst, man müsste die Filme mal sehen, um sie richtig einordnen zu können. Eine nackte Schulter hätten damals viele schon als pornographie eingestuft, während das heute nichts Besonderes ist. Es ist also immer relativ. Eine Sexwelle 1920 wird anders ausgesehen haben wie eine Sexwelle 1970.

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    Konfizius


  • Ich finde schon interessant, was Du glaubst über mich zu wissen, was ich angeblich glaube. Ohne, dass ich mich jemals entsprechend geäußert habe.


    Es ist schon eine Weile her, aber gegenteiliges habe ich von dir bis heute nicht gelesen. Sollten wir also diesbezüglich doch einer Meinung sein, dann hast du das bisher gut verbergen können. Aber wir weichen, genauer: Ich weiche vom Thema ab.


    Zitat

    Das ist mir klar und bewusst, dass es keinerlei Zensur nach dem 1. Weltkrieg gab habe ich aber noch nie gehört - da ich nicht wusste, ob die Info stimmt, habe ich das entsprechend gekennzeichnet. Keine direkte Zensur heisst ja nicht unbedingt, dass man gleich alles machen kan. Und gerade die "Sitte" ist ja auch eine gesellschaftliche Sache, sodass keine Zensur ja nicht unbedingt heisst, dass man gleich alles in die Kinos bringen kann, was man möchte.


    Es war wohl zu diesem Zeitpunkt schon so, dass Verbote konkret formuliert sein mussten, um wirklich etwas verbieten zu können.


    Ansonsten hast du natürlich recht. Der erste Filmkuss von 1896 war noch ein echter Skandal (https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Kuss_(1896)).

  • Soweit ich weiss habe ich noch nie so etwas geschrieben und ich wüsste nicht, dass wir das Thema mal hatten. Dein Text liest sich aber so, als würde ich hier regelmässig etwas bestreiten. Interessant ist das Thema aber sehr, wobei ich nicht glaube, dass das große Auswirkungen hatte. Gerade weil die Leute sich damals mit anderen Dingen beschäftigt haben, als mit der Frage, wie man die nicht vorhandene Zensur zum eigenen Zwecke ausnutzen kann. Aber so manch interessante Dinge hat es sicher gegeben. Mal schauen auf was ich noch so stoße diesbezüglich.

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    Konfizius

  • Ja Du beziehst Dich aber hier gerade auf das Thema Zensur in Bezug auf konkreten Beispielen / Fällen. Bzw. bei der Verlinkung habe ich mich zum Thema "verdeckte Zensur" - so habe ich es zumindest genannt - geäußert. In diesem Thema hier oben meintest Du aber, ich würde dauernd bestreiten, dass es jemals eine zensurfreie Zeit in Deutschland gegeben hätte. So etwas haben wir soweit ich weiss nie besprochen und ich habe auch solche Aussagen nie getroffen.


    Schade, adss wir nun erstmal weg sind von diesem interessanten Grundthema.

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    Konfizius

  • Ich wollte es weiter oben abschmieren, aber du hast widersprochen, ist auch okay so, weil ich ja sonst solchen Diskussionen ungern aus dem Weg gehe. Aber hier gehört's nicht her. Also gern zurück zum Thema. :)

  • Eine nackte Schulter hätten damals viele schon als pornographie eingestuft, während das heute nichts Besonderes ist. Es ist also immer relativ. Eine Sexwelle 1920 wird anders ausgesehen haben wie eine Sexwelle 1970.


    Diese "Aufklärungswelle" ist vor allem über Richard Oswald bekannt geworden. Wenn man etwas mehr über solche "Aufklärungsfilme" erfahren will, sollte man sich z.B. mit der Karriere von Conrad Veidt beschäftigen. Er hat in vielen solcher Filme mitgespielt. Reinhold Schünzel und Anita Berber sind in diesem Zusammenhang auch zu nennen. Der berühmteste Film ist wohl Anders als die Anderen (1919), der fragmentarisch erhalten ist. Reinhold Schünzel spielt da schon sehr deutlich, Conrad Veidt musste sich allerdings aus Karrieregründen bei der Darstellung der Homosexualität zurückhalten.
    Eine "nackte Schulter" reichte da übrigens nicht aus. Neulich habe ich wieder einmal Robert Reinerts Film Nerven (der allerdings kein "Aufklärungsfilm" ist) gesehen. Der zeigt schon recht deutliche Bilder:
    https://s-media-cache-ak0.pini…7504ec99316c5cc16bb86.jpg
    Und das hier sind ein paar Bilder aus seinem Film Opium, die ich gerade im Netz gefunden habe. Das ist Hanna Ralph, die spätere Brunhild aus Die Nibelungen:
    http://www.filmportal.de/sites…_image/f024825_pic_02.jpg
    http://www.filmportal.de/sites…_image/f024825_pic_03.jpg
    Und das ist ein Plakat dazu:
    http://3.bp.blogspot.com/--c3G…X71szfjj8/s1600/Opium.jpg

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • Übrigens habe ich in dem Zusammenhang gerade Karl Hoeffkes Film "Schminken" gesehen, den du, Vogel Specht, verlinkt hast. Da haben die oben genannten Filme schon einiges mehr an Erotik zu bieten als diese Cellulite-geplagte Frau, die uns ihre Problemzonen vorführt - zumindest meiner Meinung nach ;)
    Aber da kann sich jeder selbst ein Bild von machen, denn die restaurierte Fassung von Nerven ist hier auf Youtube zu sehen:
    https://www.youtube.com/watch?v=R3I5X19r1xs
    Opium gibt's auch, aber die Qualität ist sehr schlecht:
    https://www.youtube.com/watch?v=RoN0_zXLckc

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • Vielen Dank Conrad! Genau diese Infos habe ich gesucht - super! Sogar Filme bei YouTube, ich bin gespannt. Wirklich spannend, wieviel bei diesen Filmen damals schon zu sehen war. Und das Plakat ist optisch wirklich toll, ich mag sowieso die Plakate jener Jahre.

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    Konfizius

  • Ich muss mich ein klein wenig korrigieren. Richard Oswald gilt zwar tatsächlich als Begründer der Aufklärungsfilme, aber ich habe trotzdem zwei Sachen miteinander verknüpft, die so nicht ganz zusammengehören. Richard Oswald, Reinhold Schünzel, Conrad Veidt und Anita Berber haben zusammen zu dieser Zeit einige Filme gemacht. Das waren auch, aber nicht nur, Aufklärungsfilme. Anders als die anderen ist selbstverständlich einer dieser Aufklärungsfilme. Ein anderer ist Prostitution (1919), ein weiterer der vierteilige Es werde Licht! (1917/1918 ). Aber zu dieser Zeit entstanden z.B. auch Unheimliche Geschichten (1919) oder Die Reise um die Erde in 80 Tagen (1919).


    Ich habe allerdings gestern einen ganz interessanten Kommentar in Conrad Veidt on Screen von John T. Soister gefunden. Von diesen Aufklärungsfilmen sind nämlich auffallend wenige erhalten. Soister schreibt, dass das zum einen natürlich an den üblichen Ursachen liegt, z.B. der Zersetzung des Filmmaterials, allerdings auch daran, dass die Filme für ein bestimmtes Klientel gedacht waren und vor allem Geld bringen sollten. Deshalb waren nur wenige Kopien in Umlauf. Und die wurden gespielt und gespielt. Nachdem die Zensur wieder eingesetzt wurde, wurden sie umgeschnitten, und man versuchte weiter soviel Geld wie möglich mit ihnen zu machen. Das Motto lautete: Möglichst viel Gewinn und möglichst wenig Investition. Im nationalsozialistischen Deutschland hatte man dann natürlich erst recht kein Interesse daran, sie zu erhalten, weil man andere Maßstäbe setzte.

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

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  • Ich hab gestern ein Taschenbuch gefunden: Die Skandalchronik des deutschen Films: Von 1900 bis 1945. Da ist sogar ein Bild von einem Hardcore-Porno aus dem ersten Jahrezehnt des letzten Jahrhunderts drin. Allerdings war das ganz sicher nicht für das breite Publikum gedacht ;)

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • Ja das war sicher im Rahmen dieser berüchtigten Jahrmarktveranstaltungen (oder wenn nicht sogar ganz privat). Schon spannend, was es so alles gab ;)

    Bei der Edition Filmmuseum gibt diese Doppel-DVD. Da sind drei dieser Erotikfilme dabei:

    https://www.edition-filmmuseum…rmarktkino-1896-1916.html

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • In dem Zusammenhang fallen mir auch die Erotik Filme des Johann Schwarzer in Österreich ein. Diese Filme aus den Jahren 1906- 1910 sind die ältesten erhaltenen Filme aus Österreich überhaupt und schon ganz schön erotisch, wenn auch im Vergleich mit heute natürlich harmlos. :


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  • Vielen Dank für Eure schönen Hinweise!


    Dass die ältesten Filme aus österreich erotisch waren, ist schon witzig. Passt gut in die Mutzenbacher-Tradition ;)


    Die Doku über die Saturn-Filme muss ich mir in Ruhe mal anschauen.

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    Konfizius

  • Kenne die Saturnfilme als Österreicher natürlich auch. War damals dabei als sie die Restaurierung gemacht haben... ^^


    "Mein wichtigstes Lebensmotto war immer: Treue. Auch mir selbst gegenüber."
    (Heinz Rühmann, 1902-1994, Schauspieler)