Verschwundene Stars

  • Gilda Langer (1896-1920) ist ja immer noch ein gewisser Mythos. Deshalb war ich neulich ziemlich überrascht als ich gelesen habe, dass bis vor einigen Jahren kein bewegtes Bild mit ihr bekannt war:


    http://gildalanger.de/bangalor-1a.htm


    Weiß jemand ob es Vergleichbares auch bei anderen Filmschaffenden gibt? Also einen großen Bekanntheitsgrad und positiven Ruf ohne dass Filmmaterial erhalten ist?

  • Ein tolles und spannendes Thema! Vielen Dank!


    Vorab: Gilda Langer müsste man ja auch dann hier erwähnen: Früh verstorbene Stummfilm- und UFA-Schauspieler


    Ansonsten würde ich vorschlagen, das Thema auch zu erweitern, also nicht nur Schauspieler, die in keinen bekannten film zu sehen sind, sondern auch bekannte Schauspieler von denen man nicht weiss, was aus ihnen geworden ist (Kriegswirren z.B.).


    Außerden könnten wir noch ein Thema eröffnen das sich mit Webseiten auseinander setzt die einzelnen Persönlichkeiten aus der Stummfilm- und UFA-Zeit gewidmet sind. Denn solche Seiten wie gildalanger.de sind wertvolle Beiträge für den Erhalt des Gedenkens dieser Künstler.


    Beispiele fallen mir gerade sonst keine ein. Nur eins, jedoch ist es keine Schauspielerin: Von Rosa Luxemburg gibt es - soweit ich weiss - nur einen ganz kelinen Filmschnipsel mit bewegten Bildern (als Gast einer Beerdigung wars glaube ich), sonst nur Fotografien, die bekannt sind von ihr.

    "Es ist besser, ein einziges kleines Licht anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen."


    Konfizius

  • Peggy Norman (1911-1933) wär vielleicht auch so ein Fall. Der einzige Film, den ich von ihr gesehen habe und der verfügbar ist, ist "Der Zinker". Alle anderen Filme mit ihr sind völlig vergessen und werden bis heute selbst in den wichtigsten Filmseiten noch immer totgeschwiegen (z.B. "Der Herr Kanzleirat" oder "Donauwalzer").

  • Gibt es eigentlich noch Filmmaterial mit Eva May? Ich habe schon oft gelesen, wie talentiert sie gewesen sein soll, aber gesehen habe ich sie noch nie.


    Übrigens: Von Der Zinker gibt es doch eine Fassung, die vor einigen Jahren auch im Fernsehen gelaufen ist, die 2009 musikalisch nachsynchronisiert wurde, weil das 1931 noch nicht möglich war. Wie geht es dir eigentlich damit? Mir kommt das immer als sehr problematischer Eingriff vor und bin froh, dass auf DVD auch die ursprüngliche Fassung herausgebracht wurde.

  • Ja, Eva May hat mich auch schon oft an den Rand der Verzweiflung gebracht. Soweit ich weiß gibt es von ihr kein bisschen belichtetes Material... aber bestimmt lagert da noch irgendwas in den russischen Archiven. Und das mit der Filmmusik ist da so eine Sache, wo ich ziemlich gespaltener Meinung bin. Zum einen finde ich die Musik an sich ziemlich gut, sie ist mir auch immer noch im Ohr. Andererseits passt die Musil an vielen Stellen nicht und wirkt wie draufgelegt, was sie ja auch ist.

  • Diesen "Rand der Verzweiflung" kenne ich so gut. Man möchte unbedingt mehr sehen/wissen/erkunden bzgl. Person X oder Y (das ist bei mir z.B. Greta Schröder, Clemens Scheitz oder Rosl Mayr). und man findet einfach nichts - trotz des großen großen Internets. Mit viel Geduld tauchen IRGENDWANN dann aber doch noch interessante Dinge auf.


    Ich möchte kurz mal auf modernere Personen eingehen, gerade weil eine der beiden Personen in Bezug zu den Lausbubengeschichten-Filmen steht, die gerade im BR laufen. In beiden Fällen hängt das "Verschwunden" mit der Sexfilm/Pornobranche der 70er/80er Jahre zusammen.


    Das ist zum einen Renate Kasche, die in den Lausbubengeschichten-Filmen in den 60er Jahren die Schwester des Hauptdarstellers spielte. Danach in den 70er Jahren in einigen Sexfilmen mitwirkte. Und dann hörte man nichts mehr von ihr. Vor über zehn Jahren (15 Jahren?) wurde über sie - ich glaube es war hier im Forum - schonmal gesprochen. Danach bekam ich eine anonyme E-Mail (ggf. von ihr selbst?), die ich irgendwo noch habe. Darin hieß es, dass sie gutsituiert im Ausland lebt, weitere Recherchen bitte unterlassen werden sollen. Da ich sowieso keine Rechercheansatzpunkte habe/hatte, habe ich mich daran gehalten ;)



    Beispiel Nr. zwei ist Patricia Rhomberg. Hans Billian war der erste deutsche (und einer der wenigen) Porno-Regisseur, der "gute" Filme in diesem Genre gedreht hat. In dieser Zeit war er mit der Frau zusammen und sie wurde Hauptdarstellerin mehrerer Filme von ihm. Der erste Mutzenbacher-Film mit ihr ist bis heute ein Welterfolg und gilt als Porno-Klassiker. Damals waren diese Filme noch eine Sache, die eher unter der Hand verkauft wurden. Als das aber immer größer wurde, hat sich Frau Rhomberg aus der Branche zurück gezogen und bis heute hat man - soweit ich weiss - nichts mehr von ihr gehört.



    Ich hoffe ich habe das Thema hier nicht zu sehr versaut, ich finde aber, dass das zwei interessante Beispiele sind und neben den Wirren des 2. Weltkriegs (inkl. Auswanderungen davor und danach) dürfte - so glaube ich - die Sex- und Pornobranche der zweite große Schnittpunkt sein, bei dem es viele bekannte Schauspieler/Gesichter gab, die sich anschließend zurück gezogen haben - oder die einfach verschwunden sind. Den Kalten Krieg und die Deutsche Teilung würde ich da nicht mit einbringen, denn wer aus dem Osten geflohen ist, hat ja meist im Westen weiter gespielt..?

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    Konfizius

  • Spannende Beispiele. Bei der Porno-Branche fällt mir noch ein Name ein: Dorit Dom (Pudelnackt in Oberbayern). Ich würde in diese Liste der "verschwundenen Stars" auch sämtliche Personen aus der Liste der noch lebenden UFA-Stars nehmen, von denen man nicht weiß, wann sie verstarben oder ob sie noch am Leben sind.

  • Das ist zum einen Renate Kasche, die in den Lausbubengeschichten-Filmen in den 60er Jahren die Schwester des Hauptdarstellers spielte. Danach in den 70er Jahren in einigen Sexfilmen mitwirkte. Und dann hörte man nichts mehr von ihr. Vor über zehn Jahren (15 Jahren?) wurde über sie - ich glaube es war hier im Forum - schonmal gesprochen. Danach bekam ich eine anonyme E-Mail (ggf. von ihr selbst?), die ich irgendwo noch habe. Darin hieß es, dass sie gutsituiert im Ausland lebt, weitere Recherchen bitte unterlassen werden sollen. Da ich sowieso keine Rechercheansatzpunkte habe/hatte, habe ich mich daran gehalten ;)

    Das kann sehr gut sein, dass sie das persönlich war. Mir ist ähnliches nämlich auch mal passiert.
    Früher, als viele ehemalige Ufa-Schauspieler noch gelebt haben, standen sie oft im Telefonbuch, und ein paar habe ich einfach angerufen um mit ihnen über ihre Erfahrungen in der NS-Zeit zu reden oder um sie zu fragen ob ich ihnen schreiben und ein paar Fragen stellen dürfe. Und mit Rolf Moebius ist es mir damals ähnlich gegangen wie dir mit Renate Kasche. Als ich bei ihm angerufen habe, hat er mir freundlich gesagt, er hieße zwar wie der Schauspieler, aber er sei es nicht. Nach einiger Zeit habe ich ihm dann einfach geschrieben um zu schauen, ob ich eine Antwort bekomme. Die kam zwar nicht, aber er hat mich zuhause angerufen um mir genauso freundlich wie beim ersten Telefonat zu sagen, er sei nicht der Ufa-Schauspieler Rolf Moebius.
    Ich weiß nicht genau was die Motivation hinter solchen Aktionen ist. Ob hier ein paar Nachrichten über Renate Kasche ausgetauscht werden oder nicht, kann ihr ja eigentlich total egal sein. Und Rolf Moebius hätte das mit dem Brief auch egal sein können. Er gibt einfach keine Antwort und hat seine Ruhe.
    Vielleicht genießen solche Schauspieler es, sich noch einmal ein wenig als Stars fühlen zu dürfen. Normalerweise ist diese Zeit ja schon längst vergangen und es interessiert sich niemand mehr für sie.

  • Ich würde in diese Liste der "verschwundenen Stars" auch sämtliche Personen aus der Liste der noch lebenden UFA-Stars nehmen, von denen man nicht weiß, wann sie verstarben oder ob sie noch am Leben sind.


    Da gäbe es bestimmt einiges Spannende zu entdecken. Außerdem sind ja vor allem aus den 10er Jahren zahllose ehemalige Stars wie vom Erdboden verschluckt, wie Hedda Vernon oder Grethe Weixler, die du ja auch schon einmal in Zusammenhang mit ihrer Schwester erwähnt hast. Oder irgendjemand schlägt ein Todesjahr vor, und andere schreiben es ab. Das wird hier so schön deutlich:
    http://www.imdb.com/name/nm0872326/bio
    Der Autor scheint gar nicht gemerkt zu haben, dass er zwei Todesjahre vorschlägt ;)
    Unglaublich spannend finde ich auch den Fall Lien Deyers. Bei ihr steht ja häufig, sie sei 1982 verstorben, aber bei Wikipedia steht, dass es aus diesem Jahr lediglich das letzte Lebenszeichen von ihr gibt, als sie Heinz Rühmann zum 80. Geburtstag gratuliert hat.
    Bis vor ein paar Jahren war Loni Nest ja ein ähnlicher Fall.

  • Ohja da gibt es definitiv noch viel Unbekanntes herauszufinden. Bin gespannt, was sich noch so tut bei unseren Recherchen.


    Bzgl. Moebius finde ich die Geschichte sehr interessant. Du bist Dir auch wirklich sicher, dass ers war? Ich denke sowohl bei Moebius als auch bei Frau Kasche hat das seine Gründe. Frau Kasche will wohl einfach nicht, dass die Sexfilmthemen nochmal aufgewärmt werden und sie so neuen ungemütlichen Ruhm erntet, mit dem sie nicht szu tun haben will. Ich denke gerade die 80er und 90er Jahre waren für viele Schauspieler Schmerzhaft, als diese Filme nicht mehr nur in Kinos liefen, sondern wöchentlich mehrfach zum Teil auf den Privaten Fernsehsendern in allen Haushalten. Aber ich finde, dass die Darsteller damals alle wissen können mussten, dass diese Filme nicht nach den Kinoaufführungen vernichtet werden, sondern auch in Zukunft noch ausgewertet werden. Ales andere ist Naiv.


    Bei Herrn Moebius ist es dann eben nicht das Genre, sondern die Zeit, also der Nationalsozialismus, in denen die Filme entstanden sind. ICh vermute (genaue Gründe kann man nur erahnen, außer er hat sich irgendwann mal geäußert diesbezüglich), dass er nicht wollte, dass sein Schaffen in Verbindung mit der NS-Zeit immer wieder aufgewärmt wird und ggf. unangenehme Fragen, ggf. sogar Vorwürfe und Anschuldigungen aufkommen. So erkläre ich mir das, dass er einfach dieses Thema nicht weiter abhandeln wollte. deswegen wohl auch der Anruf, weil er sicher sein wollte, dass er danach nichts mehr kommt. Außerdem zeugt das auch von Höflichkeit, wenn man einen Brief einfach nicht beantwortet, sondern sich zumindest mal meldet.


    Dass man sich aber mit Personen der Öffentlichkeit beschäftigt, egal ob früher in Zeitschriften, heute im Internet oder sonst irgendwie, ist normal und legitim. Hätte man das nicht gewollt, hätte man nicht Schauspieler werden dürfen.

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    Konfizius

  • Was du schreibst, finde ich wirklich interessant, denn von der Seite habe ich das noch nie gesehen. Bei Heinz Welzel war es nämlich ein bisschen ähnlich. Er hat sich bei meinem Anruf als ein Freund von sich ausgegeben, aber sehr offen mit mir geredet. Er hat halt jede Aussage immer mit einem Ausdruck wie "Herr Welzel sagt..." eingeführt. Von ihm habe ich dann auch eine sehr ausführliche Antwort bekommen, die ich grad mal rausgekramt habe. Er hat mir sogar vorher noch eine Karte geschickt, auf der steht, er habe von meinem 'interessanten Anruf unverzüglich Kenntnis bekommen', habe meinen 'freundlichen Brief mit den wißbegierigen Fragen vorliegen' und bitte um etwas Geduld, weil er für seine Antwort etwas Zeit brauchen werde.
    Ich glaube es hat ihn traurig gemacht, dass seine Filme aus der UFA-Zeit immer nur unter dem Aspekt der Nazipropaganda gesehen werden und er nie als Filmkünstler gesehen wurde. Ich finde das im Nachhinein auch ziemlich traurig, denn er schreibt auch, dass er eine Rolle in "Legion Condor" abgelehnt habe und dann von 'GvHeimat zu GvFeld umgestuft' wurde und sofort Soldat wurde.
    Jetzt im Nachhinein kann ich sagen, dass das mein schönster Kontakt war, eben weil er so emotional war. Das kann man in seinem Brief immer noch deutlich spüren. Jetzt, wo ich das schreibe, würde ich übrigens gerne mal wieder "Urlaub auf Ehrenwort" sehen. Das ist glaub ich der einzige Film von ihm, wo ich ihn bewusst gesehen habe. Es wird in seinem Brief auch sehr deutlich, dass er ihn als Filmkunstwerk und nicht als Propaganda gesehen haben wollte. Er schreibt Karl Ritter 'ordnete alles dem Sinn des Filmwerks unter'.


    Übrigens, was war GvHeimat und GvFeld eigentlich genau? Und kennst du seine Rolle in "Titanic"? Da spielt er ja auch mit, und den Film hätte ich hier.

  • Ich kann euch da beiden nur in allem zustimmen. Um noch einmal auf Grete Weixler zurückzukommen, der Fall ist ja wirklich krass. Kein einziger Film mit ihr scheint in den Archiven zu lagern. Ich hab mal alle ihre Filme recherchiert, nur von wenigen gibt es Plakate oder gar Szenenfotos. Das ist mehr als grotesk, wie ich finde. Ein Todesdatum scheint es ebenso wenig zu geben wie ein Geburtsdatum.

  • Ich habe gelesen, dass sie etwa zehn Jahre jünger als ihre Schwester war. Und irgendwo im Netz steht auch ein (gar nicht mal so kurzer) Text von ihr, wo sie (glaube ich) vor allem auf die Persönlichkeit ihrer Schwester (möglicherweise als Jugendliche) eingeht. Ich finde ihn zwar grad nicht, aber ich habe ihn neulich erst gelesen. (Wahrscheinlich steht dort auch, dass Dorrit Weixler ihr Rollenprofil überhaupt nicht mochte, aber halt darauf festgelegt war. Irgendwo hab ich das auf jeden Fall her.) Mehr habe ich über Grete Weixler allerdings nicht gefunden. Autogrammkarten gibt es recht viele von ihr.


    Ich habe den Eindruck, dass sich die Spuren von Schauspielern, die nur in den 10er und frühen 20er Jahren gespielt haben, sehr leicht im Dunkel der Geschichte verlaufen. Die Ausnahmen sind tragischerweise die, die sich umgebracht haben.
    Wenn das stimmt, was auf steffi-line über Thea Sandten steht, wäre der Fall ja wirklich besonders heftig - Hauptdarstellerin und urplötzlich verschwunden:
    http://www.steffi-line.de/arch…0b40/420_sandten_thea.htm

  • Was meinte er, dass Ritter alles im Sinne des Films unterordnete? Dass ihm die Kunst wichtiger war als die Propaganda oder ihm die Propaganda über alles ging? Wobei ich "Urlaub auf ehrenwort" leider nicht kenne, also nicht weiss, ob es einfach ein militärisches Unterhaltungsfilm ist, oder Propaganda (ich glaube der Film ist aus der Kriegsvorzeit, da hat man wohl eher auf Unterhaltung als auf den propagandistischen Aspekt gesetzt?).


    Was "GvHeimat" usw. genau heisst weiss ich nicht, aber das ist wohl die Einteilung, wer für den Film in der Heimat benötigt wird, und wen man an die Front schicken "kann"...? Also wer sich auch nicht "auf Linie" gezeigt hat, dass man ihn so abgestraft hat. Geeignet für Heimat" vielleicht?


    Ansonsten ist Dein Kontakt und Deine Notizen bzgl. Herrn Welzel historisch hoch wertvoll. Toll, dass es wohl einige Menschen gab, die solche Schritte unternommen haben. Ich hoffe, das bleibt der Nachwelt erhalten. Falls Du gegen eine Veröffentlichung nichts hast, kann man das auch mal hier oder auf deutsche-filme.com oder ähnliches auswerten. Aber alles zu seiner Zeit. Dies nur mal als Anmerkung. Und wer weiss, welche Personen in den 50er Jahren bis heute - egal ob Journalisten oder privat - mal Tonbandinterviews mit Leuten von damals gemacht haben. Ich kriege immer wieder mit, dass glücklicherweise, viele Privatpersonen Kassettenaufnahmen von ihren Großeltern gemacht haben, die von ihrer Kindheit, vom Krieg usw. erzählen. Wer weiss, was da noch für Material existiert? Ich habe mal eine ganz kurze Zeit (da ich ja mit genug anderen Dingen beschäftigt bin) Tonbänder bei ebay gekauft. Und habe z.B. einen Radiomitschnitt aus den 70er Jahren gefunden, Karl Dall war Moderator und zu Gast war einer der Comedian Harmonists (Boos oder wie er hieß?) der viel aus seinem Leben erzählt hat. Wer weiss, ob diese Aufnahme überhaupt in offiziellen Archiven noch lagert, bzw. wieviel Kopien es gibt - im schlechtesten Fall habe ich ein Unikat bei mir liegen. Es gibt noch soviel in offiziellen und privaten Archiven, was uns weiterhelfen kann. Ich finde nur schlimm, daran zu Denken, wieviel tagtäglich bei Entrümpelungen usw. vernichtet wird.


    Heinz Welzel habe ich ansonsten in Filmen bislang nicht bewusst wahrgenommen. Den Schmerz und das Bedauern, dass sein "Werk" stets ins negative Licht gerückt wird, kann ich gut nachvollziehen. Das kann einen Menschen sicher zermürben im Laufe der Zeit. Und das macht sie doppelt-anfällig, wenn man dann in Gesprächen vielelicht mit Vorwürfen (oft von jungen Menschen, die die Zeit garnicht miterlebt haben und garnicht nachvollziehen können/konnten, wie/wieso usw. jemand agiert hat, bzw. überhaupt aktiv war (im übertriebenen Sinne überhaupt gelebt hat) zu dieser Zeit. So kann ich mir gut die Zurückhaltung, das Abweisen und das Zugeknöpft sein erklären. Sowohl bei Menschen aus der NS-zeit als auch (ohne die Themen direkt miteinander vergleichen zu wolllen/können, aber der Effekt ist ein ähnlicher) in Bezug auf Sexfilme/Pornofilme.

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    Konfizius

  • Ich persönlich mochte Karl Ritter noch nie, die Filme von ihm sind mir auch alle sehr suspekt. Er hat sein Regiedebüt mit dem Film "Weiberregiment" gemacht, das ist einfach nur ganz großer, frauenfeindlicher Dünpfiff. Die Filme, die danach kamen, sind nicht viel besser. Das Regieverbot kann ich gut nachvollziehen (ohne zu wissen, weshalb er das Verbot bekam :) .

  • Leider habe ich Heinz Welzel damals den Brief geschickt ohne ihn vorher zu kopieren. Deshalb kann ich nicht mehr alle Antworten nachvollziehen. Aber er schreibt er gehe davon aus, "daß Idee und Drehbuch eine ehrlich zeitbezogene Aussage wollten." Der Sinn des Filmwerks war für ihn "daß jeder Urlauber auf Ehrenwort nach individueller Nutzung dieser Zeit allein durch innere Ehre aus Selbstachtung sein Ehrenwort wieder einlöst." Er betont, dass die Nebenschausplätze nicht ideologisiert wurden. (In dem Film hat ja jeder Urlauber auf Ehrenwort seine eigenen individuellen Erfahrungen während dieser Zeit. Das meint Heinz Welzel mit 'Nebenschauplätzen'.) In seinem Begleitschreiben steht: "Es wird mindestens noch 2 Generationen dauern, daß Sie aufgeschlossene Mitbewunderer für ein Filmwerk wie 'Urlaub auf Ehrenwort' finden werden." Ich glaube nicht, dass er "Urlaub auf Ehrenwort" nur als Unterhaltung gesehen haben wollte, sondern durch die einzelnen persönlichen Charakterzeichnungen als etwas Tiefergehenderes. Nachdem es allerdings so lange her ist, dass ich den Film gesehen habe, kann ich das nicht mehr beurteilen.

  • Ich persönlich mochte Karl Ritter noch nie, die Filme von ihm sind mir auch alle sehr suspekt. Er hat sein Regiedebüt mit dem Film "Weiberregiment" gemacht, das ist einfach nur ganz großer, frauenfeindlicher Dünpfiff. Die Filme, die danach kamen, sind nicht viel besser. Das Regieverbot kann ich gut nachvollziehen (ohne zu wissen, weshalb er das Verbot bekam :) .

    Ich habe von Karl Ritter auch nur Negatives gehört. Und wie gesagt, es ist zu lange her, dass ich "Urlaub auf Ehrenwort" gesehen habe, um das jetzt noch beurteilen zu können. Bei Heinz Welzel schwingt auf alle Fälle sehr viel Persönliches in seinen Antworten mit. Es wird sehr deutlich, dass es ihn betrübt hat, dass er immer nur unter dem Aspekt des Mitwirkenden in Propagandafilmen gesehen wurde. Indirekt schreibt er sogar wörtlich, dass ihm mein Interesse gut tut. (Er bezieht sich zwar in seiner Antwort auf Carl Raddatz, aber es ist eindeutig, dass er damit eigentlich sich selber gemeint hat.)
    Nach dem, was Vogel Specht geschrieben hat, gehe ich jetzt davon aus, dass wohl einige Parallelen zu Rolf Moebius da waren. Sie beide sind halt im Endeffekt unterschiedlich damit umgegangen. Rolf Moebius wollte nicht mehr darüber sprechen, und Heinz Welzel hat sich geöffnet als er gemerkt hat, dass ich ehrliches Interesse an ihm habe.

  • Schade, dass die Fragen nicht mehr vorliegen, aber wirkilch wertvoll, was Du da recherchiert hast. Und vielen Dank, dass Du uns einige Inhalte davon hier zeigst. Wenn ich mich mal mit Herrn Welzel näher beschäftige, melde ich mich ggf. nochmal :D


    Ansonsten muss ich ihm hier vollkommen Recht geben:


    Zitat

    Es wird mindestens noch 2 Generationen dauern, daß Sie aufgeschlossene Mitbewunderer für ein Filmwerk wie 'Urlaub auf Ehrenwort' finden werden.


    In manchen Fällen braucht man genug zeitlichen und politischen Abstand, um Dinge neu/anders/wertfrei Einstufen und bewerten zu können. So kann ich mir vorstellen, dasss viele UFA- und auch DEFA-Filme in den nächsten Jahren und Jahrzehnten ganz neue Neuerweckungen erfahren werden.


    Über Karl Ritter (menschlich und künstlerisch) habe ich bislang auch nur negatives gelesen. Ich habe gearde mal bei Wikipedia seine Filmliste durchgeschaut und ich kenne nur einen Film, den ich "richtig" gesehen habe. Und das ist "über alles in der Welt" und den fand ich richtig gut gemacht. Bei imdb.com ist er auch mit 7,8 von 10 Punkten bewertet. Es ist schon wieder eine Weile her, dass ich ihn gesehen habe, aber der Film hat sehr viel Witz und Leichtigkeit und vermittelt die Propaganda und den Inhalt in diesem unterhaltenden Rahmen ungeheuerlich gut, muss ich sagen.

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    Konfizius

  • In manchen Fällen braucht man genug zeitlichen und politischen Abstand, um Dinge neu/anders/wertfrei Einstufen und bewerten zu können. So kann ich mir vorstellen, dasss viele UFA- und auch DEFA-Filme in den nächsten Jahren und Jahrzehnten ganz neue Neuerweckungen erfahren werden.

    Das ist auch für mich eine unglaublich komplexe und schwierige Frage. Jetzt, wo ich mir den Brief noch einmal so genau angeschaut habe, sehe ich das wieder etwas anders als vorher. Es läuft letzten Endes aber immer wieder darauf hinaus, dass man jedem Menschen zunächst einmal zugesteht, als Mensch wertvoll zu sein. Und das darf man bei allem Beurteilen, allen Schlussfolgerungen und was auch immer, nie aus den Augen verlieren. Das mag sich jetzt als Phrase anhören, aber wenn ich mich mit jemandem persönlich beschäftige, lande ich immer wieder bei diesem Ausgangspunkt.