Verschwundene Stars

  • Da hast Du natürlich recht. Es gibt viele Fälle, bei denen man denkt, sie haben in nur einem Film mitgespielt und dann kommen dich noch mehr an Sich Licht. Zum Beispiel Wally Filatoff ist so ein Fall: bei der dachte ich, dass sie nur in "Der Herr der Welt" mitspielt, mittlerweile habe ich da noch mindestens 10 weitere Engagements entdeckt. In diesem Buch sind viele zusätzliche Engagements von Schauspielern zur UFA-Zeit verzeichnet.

  • Manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht: Hedda Vernon (geb. 1886) war doch jahrelang ein berühmter Stummfilmstar. Aber nach ihrem letzten Film 1925 verliert sich ihre Spur.



    Es ist das Gleiche mit Wanda Treumann (geb. 1889). Über ihr Leben nach ihrem letzten Film 1922 scheint es auch nicht viel mehr als Spekulationen zu geben:


    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • Spannende Fälle! Ein weiterer Fall wäre auch Ria Jende: sie wurde 1898 geboren, ihre Spur verliert sich ebenso nach ihrem letzten Film:

    Auch Sybill Morel (1899) wurde mit Beginn des Tonfilms vom Erdboden verschluckt 8| :

    Man kennt sie am ehesten als Mutter von Dina Gralla und Grit Haid in "Der alte Fritz".
    Mir ist aufgefallen, dass Gerhard Lamprecht bei seinen Filmen öfter ziemlich unbekannte Schauspieler, die nur in wenigen Filmen zu sehen waren, einsetzte. So zum Beispiel Hilde Schewior (links) :

    Aber auch solche, von denen ich kein Bild finden konnte, wie Eva Schablinski oder Kitty Sonntag.

  • Ein weiterer Fall wäre auch Ria Jende: sie wurde 1898 geboren, ihre Spur verliert sich ebenso nach ihrem letzten Film


    Seltsam, dass wir an zeitweise so bekannte Schauspielerinnen überhaupt nicht gedacht haben ?(
    Wahrscheinlich ist es wirklich so: Manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht ;)

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • Da stimme ich Dir völlig zu. Allerdings muss ich zugeben, dass ich solche Personen, bei denen so wenig bekannt ist, oft viel spannender finde als solche, bei denen schon alles bekannt ist. Wanda Treumann ist wirklich ein bitterer Fall. Man kann sie ja durchaus als "Urgestein des deutschen Films" oder als "Filmpionierin" bezeichnen, aber plötzlich verschwindet sie... das kann doch eigentlich nicht sein 8| :huh:

  • Allerdings muss ich zugeben, dass ich solche Personen, bei denen so wenig bekannt ist, oft viel spannender finde als solche, bei denen schon alles bekannt ist.


    So geht mir das auch. Das gibt ihnen etwas sehr Geheimnisvolles, wie eine Burgruine, wo unter jeder verfallenen Mauer etwas bisher Unentdecktes liegen kann. Theoretisch könnten sie ja sogar noch leben, auch wenn das rational gesehen natürlich vollkommen ausgeschlossen ist.


    Mir ist aufgefallen, dass die weiblichen Stars des zweiten Jahrzehnts des 20. Jahrhunderts besonders "anfällig" dafür sind, nach ihrer erfolgreichen Zeit im Dunkel der Geschichte zu verschwinden. Ich nehme an, dass es damit zusammenhängt, dass das die erste Generation der Filmstars war. Die Bekanntheit war wohl noch nicht so fest mit den Schauspielerinnen selber verknüpft. Man interessierte sich für die Bilder, aber noch nicht für die Personen, die dahinter waren. Eine Ausnahme sind die, deren Karriere plötzlich tragisch abbricht, wie das bei Dorrit Weixler der Fall war.


    Mir fällt außerdem kein männlicher Star ein, von dem man nach seiner aktiven Zeit nichts mehr weiß. Das hat natürlich unter anderem damit zu tun, dass es in Deutschland damals deutlich mehr weibliche Stars gab als männliche. Sie waren bestimmt auch deswegen so populär, weil sie gut aussahen. In dem Zusammenhang wäre es sehr interessant sich einmal anzuschauen, wer damals ins Kino gegangen ist. Wahrscheinlich waren das vor allem Männer. Das wäre dann wohl einer der Gründe dafür, weshalb es so viele weibliche Stars gab.


    Eine Bekannte hat mir gesagt, dass der Übergang vom Stummfilm zum Tonfilm auch eine "Barriere" war. Wer es nicht in den Tonfilm geschafft hat, ist heute viel leichter vergessen. Ein Beispiel dafür ist Bruno Kastner, der nur im Stummfilm ein Star war. Harry Liedtke war bis zu seinem Tod als Schauspieler tätig und ist heute viel bekannter.

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • Sehr interessant. Und mit Deinem Ruinengleichnis triffst Du es auf den Punkt! Es ist einfach soviel unentdecktes da. Leider kommt dann wie im Fall von Thea Sandten traurige Gewissheit ans Licht. Aber mich würde zum Beispiel mal interessieren, was Grete Weixler später noch so gemacht hat. Über ihr Privatleben weiß ich nichts, sie scheint sehr bodenständig gewesen zu sein, die liebe Grete :thumbup: . Ich kenne kein Bild von ihr, abgesehen von dem Szenenfoto, auf dem sie mit einem Mann zu sehen ist. Auch scheint sie sehr klug gewesen zu sein, wie dieses Interview mit ihr bestätigt.
    Oft wünsche ich mich in die damalige Zeit zurück. Dann sitze ich im Kino, schau mir einen Film mit Grete Weixler an und dann kommt sie verkleidet ins Kino und guckt mit :thumbup: ^^ . Eine tolle Vorstellung. Aber auch was Wanda Treumann nach ihrem Verschwinden gemacht hat, frage ich mich. Sie kann ja nicht einfach die ganze Zeit tolle Filme drehen und dann auf einmal Schluss machen? Auch dass sich dann kein Mensch mehr für sie interessiert? Heute kann man sich das überhaupt nicht mehr vorstellen. Wenn Veronica Ferres plötzlich verschwunden wäre, würde jedes Klatschblatt die Titelseiten mit ihr vollkleistern. Es war eben eine andere Zeit damals...

  • Das allerwichtigste ist, dass es heute noch genug begeisterungsfähige Menschen wie wir gibt, die dafür sorgen, dass diese Künstler nicht komplett in vergessenheit geraten und dass die Informationen unter den Ruinen nicht noch mehr verschüttet oder gar ganz zerstört werden. Wenn man die kulturelle Wichtigkeit der damaligen Filme betrachtet, müsste es heute viel viel mehr Menschen geben, die sich damit beschäftigen und das alles wissentschaftlich (gerne auch amateur-wissenschaftlich) aufarbeiten. Vielleicht kommt das noch, bis dahin kann man froh sein, dass es Menschen wie Euch gibt und dass es durch Medien wie das Internet auch Hilfsmittel gibt, die die Recherche, das Verbreiten, das Kontaktieren usw. viel einfacher macht, als es noch vor wenigen Jahrzehnten der Fall war.

    "Es ist besser, ein einziges kleines Licht anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen."


    Konfizius

  • Mir ist noch jemand eingefallen: Erika Unruh



    Der bekannteste Film, in dem sie zu sehen war, ist Der müde Tod


    Ich lese übrigens gerade Olaf Brills tolles Buch Der Caligari-Komplex. Offenbar ist auch das ein Grund für die kurzlebige Bekanntheit von Darstellerinnen der 10er Jahre: "So war das Star-System inzwischen etabliert und führte dazu, dass auch so mancher Star geboren wurde, der kein besonderes Talent aufwies." (Olaf Brill, Der Caligari-Komplex (München, 2012), S.147).

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • Ein weiteres spannendes Beispiel, vielen Dank ;) . Und was das Zitat betrifft, so ist es anscheinend wirklich so gewesen. Das würde erklären, warum viele über Nacht berühmt wurden und dann auf einmal wieder verschwanden. Der Film steckte damals eben noch in den Kinderschuhen :) .

  • Übrigens ist auch bei Magda Madeleine die Datenlage eher dürftig:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Magda_Madeleine



    Hier ist übrigens ein Interview mit ihr:
    http://sophie.byu.edu/texts/magda-madeleine-interview

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • Ich bin ja jetzt wirklich nicht der Stummfilmfreak, aber solche Filme wie "Die Puppe" oder "Fräulein Piccolo" schau ich mir immer wieder gerne an. Wenn man bedenkt, wie die politische Situation in Deutschland damals war, so ist so ein bisschen Albernheit damals genau richtig gewesen. Und wenn man dann bei solchen Filmen immer wieder auf Phantome, bei denen es noch viel zu entdecken gibt stößt, dann ist das so, wie Du es schon in Deinem "Burggleichnis" treffend beschrieben hast. Theoretisch könnten Stars von damals noch leben, was ja aber nach den Gesetzen der Natur so gut wie unmöglich ist :S .

  • Zu Edna Greyff habe ich wirklich noch nichts herausgefunden, das ist eben ein typischer Fall von den verschwundenen Stars ;( .

    Auch hier kann ich wieder nur mit einem Geburtsdatum dienen:
    Lt. Bundesarchiv 20. Mai 1912


    Edit: Sorry, habe gerade gesehen, dass das längst im Wikipedia-Artikel drinsteht. Außer ihrer Bühnentätigkeit am Komödienhaus in Dresden weiß ich dann leider nichts mehr.

  • Es gibt so viele Beispiele dafür, dass man schon fast eine Regel aufstellen kann: Wenn die Schauspielerinnen einmal richtig im Licht der Öffentlichkeit stehen, ist sehr viel über sie bekannt, sehr oft auch ihr genaues Geburtsdatum, aber sobald das Interesse vorbei ist, verschwindet alles weitere zusammen mit ihnen.


    Ich habe ein Beispiel gefunden, wo das besonders ausgeprägt ist, Elsa Baumbach: FrauenGeschichtsWiki nennt ihr Geburtsdatum (10. Oktober 1887 in Berlin). Es folgt ein sehr langer Artikel mit sehr vielen Einzelinformationen. Man merkt, dass sie als Schauspielerin ihre Spuren hinterlassen hat und es gibt sogar eine Autobiographie von ihr... Aber als Todesdatum hat man dann nur noch "nach 1961" zu bieten.
    http://frauengeschichtsverein.…x.php?title=Elsa_Baumbach

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • Ha! Heute habe ich einen Zufallstreffer gelandet! :thumbup:
    Ria Ressel war wohl kein Star, eher eine sehr bekannte Theaterschauspielerin - aber egal. Vor einiger Zeit habe ich eine signierte Postkarte von ihr mit persönlichem Text gefunden. Es war dieses Motiv aus dem Jahr 1910:
    http://media.gettyimages.com/p…franz-picture-id542393493
    Und heute habe ich plötzlich ihre Biographie bis zu diesem Jahr im Netz entdeckt - in einer Theaterkritik zu dieser Aufführung! 8o
    Nach meinen Erfahrungen mit den Infos über Grethe Volkmar, die ich im Netz nicht mehr finde, habe ich diese hier selbstverständlich sofort gesichert!


    Übrigens ist von Ria Ressel ein Brief an Hermann Sudermann erhalten (datiert vom 10.7.1919), den ich allerdings nicht abrufen kann. Aber dieser Brief zeigt: Ein No Name war sie ganz betimmt nicht. Filme hat sie alllerdings keine gedreht.

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • Sascha Gura wurde hier noch gar nicht erwähnt. Ihre bekannteste Rolle in einem Stummfilm hatte sie in F.W. Murnaus Der Bucklige und die Tänzerin (1920). Geboren wurde sie laut Wikipedia am 9. Juni 1896 in München. 1924 erschien sie zum letzten Mal in einem Film. Danach scheint im Moment nichts mehr von ihr bekannt zu sein.
    Für das Autogramm habe ich nicht gerade wenig bezahlt :( aber auf der anderen Seite ist es auch richtig selten :)

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)