Das fehlende Glied

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Datum: 30.10.2009 | VÖ: 17.07.2009 | Herausgeber: WVG Medien GmbH | Kategorie: Film

Hallo zusammen! Es ist Mittwoch, der 25. Februar 196302 v. Chr. und ein herrlich sonniger Tag. Das Wetter ist beständig, die Vor-Menschen sind immer noch nicht in der Lage zu reden oder gar aufrecht zu gehen. Dennoch haben sie Spaß, genießen den Tag und kommen über die Runden. Topmeldung des Tages ist natürlich, dass der Stammesälteste soeben Vater wird.
Das Weibchen ist tüchtig am Kreischen und... ja, da ist es auch schon da: ein Bübchen, dem Papa wie aus dem Gesicht geschnitten mit groben, kantigen Gesichtszügen und dem Intellekt eines Eimers Schrauben. Die Nabelschnur wurde soeben durchgebissen, die Entbindung war ein Erfolg. Doch was ist das? Die werte Frau Mutter ist noch immer nicht ruhiger geworden. Oh mein Gott, da kommt ja noch ein Baby!

Exakt so erblickte O das Licht der Welt als Zweitgeborener eines Stammesältesten einer Sippe von Klotzköpfen. Da O jedoch wesentlich feinere Züge hatte und außerdem auf seinem Kopf blondes Haar prangte, wurde er ausgestoßen und vom eigenen Vater mit einem festen Fußtritt entsorgt.
Os Problem ist, dass er anders ist. Er ist das fehlende Bindeglied zwischen der letzten Vorstufe zum eigentlichen Menschen und dem homo sapiens. Als neue Stufe der Evolution hat man es nicht leicht, doch zum Glück nimmt sich der ebenfalls ausgestoßene Brontosaurus Igur des kleinen Menschleins an und so kann O im Schutz seines neuen Freundes aufwachsen.
Als Ausgestoßene haben sie keine Heimat und sind daher immer unterwegs. Auf ihren Reisen lernt O immer mehr über seine Umwelt und vor allem über sich selbst und geht so vorsichtigen und unbeholfenen Fußes einen Schritt nach dem anderen aufs Menschsein zu.

"Das fehlende Glied" ist ein augenscheinlich leicht verdaulicher, eher klamaukiger Film. Viele Szenen werden davon eingeleitet, dass die Macher sich mit dem Setting einfach selbst bespaßen und ein paar skurrile Gags mit Dinos und anderen Urzeitkreaturen abfeiern, bevor sich der Handlung gewidmet wird. Der Humor ist recht hohl, aber sehr originell. Diese Art von Spiel mit dem Szenario hat mich speziell an "Futurama" erinnert, wo analog zu "Das fehlende Glied" mit Robotern und futuristischer Kultur gespielt wird. Garniert wird das Ganze mit aberwitzigen Bezügen zu Kunst und Kultur der Moderne, wie etwa "Star Wars" oder Kubricks "2001 - A Space Odyssey".
Der eigentliche Plot krankt an einer Frage ganz gewaltig: Worauf soll es hinauslaufen? Es gibt kein klar definiertes Ziel in Os Leben. Es wird nicht verdeutlicht, wonach O eigentlich strebt, daher bewegt sich die Handlung auf nichts zu bzw. von nichts weg. Erst im Laufe des Films entsteht der Eindruck, dass es O um Zugehörigkeit geht. Vorher hat man aber keine noch so ungefähre Vorstellung von irgendwelchen Motiven seitens Os.

Das so Besondere am Film ist aber die andere Seite des Films, sein anderes Gesicht, denn in all der Skurrilität und den diversen Slapstick-Gags eingebettet wird die Frage verhandelt, was den Menschen, wie man ihn als homo sapiens definiert, eigentlich ausmacht und was ihn von den anderen Lebewesen abgrenzt. Wie schon angesprochen wird O Stück für Stück zum Menschen und die rein physiologischen Aspekte stehen ganz am Anfang dieser Reise. Alles Weitere sind Schritte der Aneignung von Fähigkeiten und Erkenntnissen.
O lernt den aufrechten Gang, erkennt sich selbst und entdeckt seine Umwelt und wird dabei sogar erfinderisch. In einer Welt, in der einem ständig das Prinzip vom Fressen und Gefressenwerden begegnet, bewahrt sich O ganz selbstverständlich seinen natürlichen Pazifismus und sein aufgeschlossenes Wesen. Dass er sich mit seinem langjährigen Freund Igur zerstreitet, ist auch nur ein Symptom der Krise der Selbsterkenntnis und der Erfahrung, dass Igur und O nicht der gleichen Spezies angehören und O hochgradig irritiert ist.
Zum Glück hat O aber noch den möchtegern-intellektuellen Pterodactylus Croak als Freund, welcher ihm mehr als einmal den Hintern aus einer brenzligen Situation rettet. Leider sorgt Croak aber auch gern für Gefahr, da er der Meinung ist, O müsse fliegen lernen, um wahrlich etwas auf sich halten zu dürfen.

Trotz aller Widrigkeiten kommt O voran und erweitert sein Wesen stetig um neues Wissen und schlägt somit erfolgreich die Brücke zum Menschen. Doch der Film stellt sehr geschickt die Frage, ob Os Voranschreiten in ein neues Zeitalter, nämlich das des Menschen, wirklich eine glorreiche Errungenschaft war oder nicht doch ein Funke in einem Pulverfass. Urplötzlich wird der Film aufwühlend und konfrontiert den Zuschauer mit den unberechenbaren Dynamiken des menschlichen Wesens, durch welches ein kleiner Stein des Anstoßes ungeahnte Wirkung erzeugen kann.
Der große Mittelteil um Os Entdeckung des Menschen in sich selbst mag sich etwas ziehen, doch der Film ist dank seines Endes so bissig pointiert, dass er sich urplötzlich in seiner Dimension enorm erweitert und der lachse Klamauk in eine nachhaltige Bittersüße umschwenkt, mit welcher der Film den Zuschauer dann auf sich selbst und seine eigene Reflexion über das Geschehene zurückgeworfen entlässt.

Die Qualität ist, da es sich um einen Animationsfilm aus dem Jahre 1980 handelt, etwas gemäßigt, dennoch kann die Optik überzeugen und die Liebe zum Projekt seitens der Macher ist deutlich erkennbar. Leider bietet die DVD nur den Trailer zum Hauptfilm, sowie einige weitere Trailer. Ein "Making of" oder wenigstens Interviews mit den Machern wären bei diesem Film eine perfekte Dreingabe gewesen. (mp)

Wertung: 7 von 10 Punkten (7 von 10 Punkten)

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