Die Münchner Lach- und Schießgesellschaft 1956 - 1972

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Datum: 21.03.2009 | VÖ: 02.11.2007 | Herausgeber: Film101 | Kategorie: Kabarett & Komik

Während Urformen des Theaters schon existiert haben, als die Menschen noch in Höhlen lebten, ist die Bühnenform des Kabaretts noch sehr jung. Entstanden ist diese Kunstform im Frankreich des späten 19. Jahrhunderts. In Deutschland gründete sich erst zwanzig Jahre später im Jahr 1901 in München die erste Kabarett-Gruppe namens "Überbrettl". Die Art der Satire und des Humors, die im Kabarett zum Vorschein kommt, fand aber schon vorher in Deutschland Verwendung. Das beste Beispiel ist das Satire-Magazin "Simplicissimus", das 1896 das erste Mal in München erschienen ist. Für diese Zeitschrift schrieben in den darauf folgenden Jahren große Namen wie Ludwig Thoma, Hermann Hesse, Thomas Mann oder Erich Kästner. Wie man an diesen Beispielen erkennen kann, ist München ein wichtiger Impulsgeber für die deutsche Satirelandschaft und das dazugehörige Kabarett gewesen. In München war schon immer eine überaus große Zahl an Querköpfen und Kreativen zu finden. Gerade in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts war Berlin noch ein großer Konkurrent für München. Dort lebten ebenfalls viele Kunstschaffende und kreative und lebten ihr freiheitliches Denken voll aus. Erst der Nationalsozialismus schränkte dies ab 1933 beträchtlich ein. Neuartige Kunst war verpönt und gerade mit dem politischen Kabarett hat man sich auf sehr dünnem Eis bewegt. Nicht umsonst wurden große Kabarettisten wie Werner Finck zum Teil sogar festgenommen. Erst nach Kriegsende konnte die Kabarett-Szene wieder aufblühen. Da die Hauptstadt Berlin geteilt war, avancierte in den kommenden Jahren immer mehr München zur heimlichen Hauptstadt der damals noch jungen Bundesrepublik.

Im Jahr 1956 gründete sich in dieser Stadt eine neue Kabarett-Gruppe, die nicht nur das Synonym für das politische Kabarett der Nachkriegszeit werden, sondern in den darauf folgenden Jahren und Jahrzehnten die Kabarett-Szene entscheidend prägen sollte. Unter der Leitung von Sammy Drechsel bildeten in den 50er Jahren die Kabarettisten Dieter Hildebrandt, Ursula Herking, Klaus Havenstein und Hans Jürgen Dietrich die Gruppe "Münchner Lach- und Schießgesellschaft". Die Idee zu diesen Namen hatte Oliver Hassencamp. Es handelt sich dabei um ein Paragramm auf die "Wach- und Schießgesellschaft". Das Ensemble variierte bereits ab den frühen 60er Jahren, bis es im Jahr 1972 zum ersten großen Bruch kam. Erst 1976 wurde die "Münchner Lach- und Schießgesellschaft" neu gegründet. Diese frühe Zeit der legendären Kabarett-Truppe wurde nun in Form einer DVD-Box gewürdigt. Anders, als bei den bisherigen Bildträger-Veröffentlichungen über die "Lach- und Schießgesellschaft", bekommt man bei diesem Produkt sogar vollständige Programme des Ensembles zu sehen.

Schon die Optik der Box ist sehr ansprechend gestaltet. Das Titelbild wird von einem frühen Ensemble-Bild geschmückt und die Rückseite zeigt ein weiteres Foto, auf dem das Gebäude in der Ursulastraße in Schwabing zu sehen ist, in dem die legendäre Gruppe regelmäßig aufgetreten ist. Außerdem findet man eine Übersicht über die Inhalte der Box. Kaum hat man den Schuber aus der Hülle heraus genommen, wird man schon mit weiteren Bildern verwöhnt, die dem Betrachter das Flair der Zeit gut vermitteln und somit wunderbar auf die Inhalte der drei in dieser Box vorhandenen DVDs einstimmen. Damit man sich auch zusätzlich informieren kann, gibt es einen Nachdruck des sehr ausführlichen Informationsheftes des 15. Programms der "Münchner Lach- und Schießgesellschaft", welches den Titel "Der Moor ist uns noch was schuldig" trägt. Natürlich findet man auf den DVDs das vollständige Programm auch als Menüpunkt. Das dazugehörige Heft ist reichlich bebildert und beinhaltet nicht nur Texte und Informationen zum Ensemble, sondern auch zahlreiche Werbeanzeigen aus der damaligen Zeit. Diese "Reise durch die Zeit" spürt man auch dadurch, dass man das "Keine Experimente"-Plakat mit Adenauer zu sehen bekommt, wenn man das Programmheft aus der dazugehörigen Fassung nimmt.

Nun aber zu den eigentlichen Inhalten der Box: Auf den drei DVDs findet man insgesamt drei vollständige Programme der "Lach- und Schießgesellschaft". Das Erste trägt den Titel "Schimpf vor 12" und ist die Silvester-Sendung aus dem Jahr 1963. Das Zweite ist das Programm, zu dem es auch das passende Programmheft gibt, nämlich "Der Moor ist uns noch was schuldig" von 1968. Das Dritte heißt "Wir werden uns schon schaffen" und ist aus dem Jahr 1971. Hinzu kommen unzählige weitere Extras und Besonderheiten, die man kaum alle in einem kurzen Text besprechen kann. Zu jeder DVD gibt es eine Einführung, die kurz auf die jeweilige Zeit bzw. Epoche der "Lach- und Schießgesellschaft" eingeht. Man bekommt Bilder aus dieser Zeit zu sehen und ein Off-Sprecher zitiert Zeilen aus einem Buch, das sich mit dem Thema auseinander setzt. So wird man wunderbar auf die jeweilige Epoche eingestimmt und bekommt auch die nötigen Informationen serviert.

Jede dieser DVDs beinhaltet eines der oben genannten Programme. Hinzu kommen kurze Fernsehberichte und Kurzfilme, die das Ganze wunderbar abrunden. Auf der letzten DVD findet man außerdem einige weiterführende Extras: Eine ausführliche Chronik der damaligen Programme inkl. Bilder und Cover-Abbildungen von Singles, die damals veröffentlicht wurden, eine Auflistung von themenrelevanten Produkten mit einigen Hörproben von CDs, sowie einige Hinweise, wie zum Beispiel einen Text über das Deutsche Kabarettarchiv in Mainz. Abschließend bekommt man einen Einblick in die heutigen Räumlichkeiten der "Lach- und Schießgesellschaft" gewährt.

Alles in allem bietet die DVD-Edition der "Münchner Lach- und Schießgesellschaft" einen wunderbaren Überblick über die erste Generation dieser großartigen Kabarett-Institution. Mit dem zahlreichen Archivmaterial bekommt man wahre Schätze zu sehen und kann wunderbar in die Zeit der 50er, 60er und frühen 70er Jahren abtauchen. Gerade die vollständigen Bühnenprogramme lassen einen Einblick in die damalige politische und gesellschaftliche Situation, aber auch in die damaligen Qualitäten des Kabaretts zu. Man wird verwundert sein, wie aktuell manche Themen auch heute noch sind und auf welch hohem Niveau das damalige Ensemble agiert hat.

Mängel kann man an dieser hervorragenden Box kaum fest machen. Lediglich ein paar kleine Tippfehler, zum Beispiel was die Laufzeit einzelner Stücke angeht, sind unterlaufen. Davon abgesehen, kann man mit dieser DVD-Edition keinen Fehlkauf machen, es sei denn, man kann mit Kabarett rein gar nichts anfangen. Die Veröffentlichung der restlichen Stücke, vielleicht sogar in einer nahezu allumfassenden DVD-Veröffentlichung wäre in Zukunft noch wünschenswert. Bis dahin bekommt man mit dieser Edition und ihrer Laufzeit von weit über sechs Stunden den bislang besten Einblick in die frühen Jahre der "Münchner Lach- und Schießgesellschaft" geboten. (sk)

Wertung: 9 von 10 Punkten (9 von 10 Punkten)

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