Oswalt Kolle: Das Wunder der Liebe - Sexualität in der Ehe

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Datum: 25.02.2009 | VÖ: 26.02.2009 | Herausgeber: 3L Film | Kategorie: Film

Sexualität und Aufklärung auf der Leinwand gibt es schon seit dem im späten 19. Jahrhundert die ersten Filme gedreht wurden. In den frühen Jahren des letzten Jahrhunderts hatte man es mit solchen Werken schon sehr schwer, doch war es möglich, diese gerade im Rahmen von kleinen Kinos, die nicht selten Wanderkinos waren, vorzuführen. In der Zeit danach wurde es dann immer komplizierter, erotische oder aufklärende Filme zu veröffentlichen. Viele jener Werke wurden verboten oder man hat diese gleich von Anfang an im Untergrund verbreitet, da eine öffentliche Aufführung unmöglich gewesen wäre. Einfacher hatte man es damals mit wissenschaftlichen Werken, aber auch hier wurde stark auf die Sittlichkeit geachtet. Der Trend, dass die Gesellschaft in den 20er Jahre langsam offener und toleranter wurde, entwickelte sich ab den 30er Jahren wieder zurück. Bis in die 60er Jahre hinein war die Sexualität ein Tabuthema in Deutschland. Der Film "Die Sünderin" aus dem Jahr 1950 ist ein gutes Beispiel dafür, wie empfindlich die Gesellschaft auf das Thema Sexualität reagierte. Dort sah man in einer kurzen Einstellung die Schauspielerin Hildegard Knef nackt auf der Leinwand, was zu einem bundesweiten Skandal führte.

Aufklärung wurde zu jener Zeit kaum betrieben und die Eltern machten bei ihren Kindern die selben Fehler, die auch an ihnen selbst begangen wurden. Das Verhältnis zur Liebe, zur Sexualität und zum eigenen Körper war verkrampft, entsprechend wenig konnte man aufeinander eingehen. Erst im Zuge der sexuellen und gesellschaftlichen Revolution in den späten 60er Jahren konnten diese Missstände durchbrochen werden. Was wenige Jahrzehnte zuvor schon mehrfach versucht wurde, konnte man jetzt flächendeckend betreiben: Durch Aufklärungsfilme schaffte man es, die Republik sexuell ein wenig zu enthemmen. Schon vorher wurde dies durch die Literatur einige Male angegangen, doch mit Aufklärungsfilmen, die im Kino gezeigt wurden, schaffte man es erst, deutschlandweit ein erhöhtes Medien- und Publikumsinteresse hervorzurufen. "Helga und die Männer" von 1967 gilt als einer der ersten bahnbrechenden Aufklärungsfilme. Doch Oswalt Kolle schaffte es, dem Ganzen noch mehr Brisanz zu verleihen und dadurch eine polarisierende Wirkung zu erzeugen. In der Schweiz wurden die Filme beschnitten und zum Teil verboten, was dafür sorgte, dass ein Sexfilmtourismus entstanden, da das allgemeine Interesse für die Kolle-Fime sehr hoch war und diese viele Menschen sehen wollten. Die Folge dieses Hypes war, dass der Name Oswalt Kolle zu einem Synonym für sexuelle Aufklärung wurde.

Insgesamt wurden von 1967 bis 1972 acht Aufklärungsfilme von Oswalt Kolle gedreht. Es folgte eine Fernsehserie und weitere publizistische Tätigkeiten in diesem Bereich. Im letzten Jahr veröffentlichte Kolle zu seinem achtzigsten Geburtstag nicht nur seine Biographie, sondern war auch der Schirmherr der ProSieben-Dokumentationsreihe "Sexreport 2008 " So lieben die Deutschen". Zu diesem Zwecke hat man im Anschluss die eben erwähnten Dokumentationsklassiker von Oswalt Kolle ausgestrahlt um noch einmal die sexuelle Entwicklung in der Bundesrepublik zu verdeutlichen. Jetzt erscheinen Kolles Werke auch auf DVD und mit der ersten, die den Film "Das Wunder der Liebe " Sexualität in der Ehe" von 1967 beinhaltet, möchte ich mich hier auseinandersetzen.

Was sofort bei diesem Film auffällt, ist die grausame Musik, die im Vorspann und auch im Film immer wieder abgespielt wird. Ursprünglich sollte der Komponist Martin Böttcher die Musik für diesen Film schreiben. Doch diese wurde dann nicht für den Film verwendet, da sie nicht neutral und "unterkühlt" genug war. Aus diesem Grund hat man sich für die andere Musik entschieden. Lediglich auf diversen Tonträgern wurde die Böttcher-Version des Soundtracks veröffentlicht.

Das Erfreuliche ist, dass die Musik das einzige ist, was an diesem Film stört. Der Rest ist überraschend interessant und auch unterhaltsam. "Das Wunder der Liebe" ist zwar ein Aufklärungsfilm, doch mit einer Dokumentation kann man ihn nicht gleich setzen. Das liegt vor allem an den sehr ausführlichen Zwischenfilmen, die auf die Probleme in der Ehe eingehen. Das erinnert sehr an die zahlreichen Report-Filme der 70er Jahre. Diese haben sich mit Sicherheit an den Werken von Oswalt Kolle orientiert. Die einzigen Unterschiede sind, dass Kolle im Off etwas seriöser wirkt, als die polarisierenden Sprecher der Report-Filme. Auch die Straßenumfragen, die zu den besonderen Schmankerln der Report-Filme gehören, findet man bei Kolle noch nicht. Damit der Film auch seriös wirkt, hat man ihn damals bewusst in schwarz-weiss gedreht.

"Das Wunder der Liebe " Sexualität ind er Ehe" beginnt mit einer kurzen Einleitung von Oswalt Kolle, der sich kurz vorstellt und erklärt was er macht, wie es zu diesem Film kam und was er damit bewirken will. Abschließend zu dieser Einleitung betont er: "Meine Zuschauer sehen jetzt meinen ersten Film über die Sexualität in der Ehe. Damit dieser Film verständlich wird, musste ich mehr Sexualität in die Szene bringen, als es bisher im Film üblich war". Danach folgt ein Gespräch zwischen Oswalt Kolle und zwei Wissenschaftlern, das den Zuschauern noch einmal die Notwendigkeit dieses Filmes nahe bringen soll. Dieses Gespräch ist inhaltlich sehr interessant und auch heute noch aktuell. Hinzu kommt der unterhaltsame Aspekt, dass diese Gesprächsrunde richtig schön im Stile der 60er Jahre gehalten ist. Alle mit Anzug und alle ordentlich am Rauchen.

Nach fast 14 Minuten beginnt Kolle damit, die Episodenfilme zu zeigen, um den Zuschauern die Probleme an Beispielen zu verdeutlichen. Zu Beginn geht er noch auf die Kindererziehung ein. Er verdeutlicht, welche Fehler die Eltern dabei machen und begründet die Fehler aus wissenschaftlicher Sicht, beispielsweise wenn sie ihre Kinder bestrafen, nachdem sie diese bei der Selbstbefriedigung erwischt haben - oder wie Eltern falsch reagieren, wenn junge Erwachsene sich körperlich langsam näher kommen. Danach folgen noch zwei ausführlich dargestellte Filme, die Probleme von Ehepartnern darstellen. Diese beinhalten die typischen Sorgen, wenn es Probleme im Bett gibt oder wenn nach einigen Jahren Kinder im Haus sind und man nicht mehr so viel Zeit für sich hat. Er zeigt dem Publikum, dass es wichtig ist, miteinander zu reden und auf den Partner einzugehen. Dass Männer auch zärtlich sein können und Frauen dagegen es nicht verboten ist, auch einmal die Initiative zu ergreifen, wird ebenfalls verdeutlicht. Die dargestellten Geschichten begleitet Kolle aus dem Off und kommentiert diese mit wissenschaftlichen Texten, die helfen sollen die Problemlösungen zu verstehen und auch auf bestimmte Dinge noch einmal genauer einzugehen.

Die DVD wurde mit einem ansprechenden Artwork versehen. Auf ein Beiheft hat man leider verzichtet, dafür gibt es als Bonusmaterial die Trailer zu den restlichen Oswalt Kolle Aufklärungsfilmen. Diese sind, anders als man es oftmals meinen könnte, auch heute noch aktuell und interessant. Die Inszenierung ist zwar aus den 60er Jahren, doch diese ist unterhaltsam und außerdem ein Spiegel jener Zeit, als die freie Liebe und der natürliche Umgang mit der Liebe und der Sexualität noch tabu waren. Heute ist das zum Glück anders, doch Aufklärungsbedarf besteht nach wie vor. Dieser Film hilft dabei, dies zu verstehen. (sk)

Wertung: 6 von 10 Punkten (6 von 10 Punkten)

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