Schmetterling und Taucherglocke

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Datum: 01.10.2008 | VÖ: 09.10.2008 | Herausgeber: Euro Video | Kategorie: Film

Ab und zu schaut jemand nach Ihnen, bringt etwas ins Zimmer, trägt andere Dinge wieder heraus, schaltet den Fernseher ein und nach einer Weile wieder aus. Manchmal kommt ein Arzt an Ihr Bett und schildert Ihnen Ihren Zustand. Schwestern umsorgen Sie und sind nach einer Weile wieder verschwunden. Sie versuchen, etwas zu sagen, aber niemand kann Sie hören. Ihr Körper ist regungslos und Sie müssen erkennen, dass etwas Schreckliches mit Ihnen geschehen ist. Das Leben, an dem Sie einst so rege teilnahmen, zieht einfach so an Ihnen vorbei und Sie können nichts tun " absolut gar nichts. Egal, ob Sie etwas wollen oder nicht - es passiert einfach. Man ist ein Gefangener in seinem eigenen Körper und weiß genau, was man sagen will, spricht es in Gedanken aus, aber niemand kann es hören " Gefühle, wie die eines schrecklichen Albtraums.

Doch leider ist genau diese Geschichte alles andere als pure Fantasie. Jean- Dominique Bauby, Protagonist dieser Erzählung, existierte wirklich. Er war Chefredakteur bei der französischen Modezeitschrift "Elle". Schockierend, wenn man bedenkt, dass er am 8. Dezember 1995 während eines Ausflugs mit seinem Sohn am Steuer seines Autos einfach so zusammenbrach und einen schweren Schlaganfall erlitt. Die diagnostizierte Krankheit nennt sich "Locked-in-Syndrom". Das bedeutet, dass das Bewusstsein des Patienten vollständig erhalten, der Körper jedoch fast komplett gelähmt ist. In Baubys Fall ist sein linkes Auge noch beweglich. Da er ansonsten vollkommen bei Verstand ist, soll ihm ein spezielles Alphabet helfen, noch aktiv am Leben teilzunehmen. Jedes mal, wenn der richtige Buchstabe genannt wird, soll er blinzeln - einmal für ja, zweimal für nein. Daraus sollen sich langsam Wörter, später auch ganze Sätze ergeben. Vorerst hält Bauby das Ganze für schwachsinnig und sieht kaum einen Sinn darin, doch dann beschließt er auf diese Art und Weise ein Buch entstehen zu lassen - ein Buch über das Leben des Jean-Dominique Bauby. Lidschlag für Lidschlag diktiert er eine Hommage an das Leben. Er schildert seine Vergangenheit und gegenwärtige Situation, aber viel lieber flüchtet er sich in Fantasien, in denen er alles machen kann, was er möchte. Er sieht sich als Schmetterling in der grenzenlosen Freiheit über die Wiesen flattern, entdeckt fremde Orte, macht Dinge, die er schon immer einmal tun wollte. Er holt all die verpassten Gelegenheiten im Geiste nach. Schon nach kurzer Zeit wird dem Zuschauer klar, was Bauby mit all dem sagen möchte: Genieße das Leben und nutze jede sich bietende Gelegenheit, denn ein anderes Mal könnte es zu spät sein! Egal, wie oft man diese Aussage schon gehört hat: Dieser Film führt sie einem zum ersten Mal wirklich nahe. Ein entscheidender Punkt weshalb dies so ist, ist die Kameraperspektive. Man sieht fast alles nur durch Baubys Augen - verschwommen, stückhaft und voller unausgesprochener Emotionen. Das Gefühl, selbst dieser wehrlose Mensch zu sein, lässt nicht lange auf sich warten. Es wird deutlich wie es ist, seine Worte und Gefühle nicht preisgeben zu können. Auf viele wirkt man innerlich tot und als ein Krüppel, aber nur, weil man nicht mehr wie andere ist, hat man trotzdem noch Gefühle. Bauby fühlt sich wie in einer Taucherglocke unter Wasser gefangen und einzig und allein seine Fantasie hilft ihm alles andere zu vergessen und noch Freude am Leben zu haben. Er hat den Ehrgeiz das Buch über sein Leben zu Ende zu schreiben, um anderen klarzumachen, dass das Leben etwas Besonderes ist.

Entgegen der Erwartungen wird man aber feststellen, dass der Film trotz allem nicht traurig ist. Vielmehr regt er zum Nachdenken an und lässt einen voller Bewunderung auf diesen tapferen Mann aufschauen, der trotz seiner Lähmung nur das Gute am Leben sieht. Auch die Musik ist zwar nachdenklich, aber für dieses Thema doch sehr optimistisch.
Die Schauspieler verkörpern erstklassig die unterschiedlichen Charaktere. Selbst die reale Familie des Jean-Dominique Bauby empfand den Darsteller seiner Rolle, Mathieu Amalric, als sehr authentisch und wunderbar nachempfunden. Regisseur Julian Schnabel wählte als Drehorte bewusst die originalen Schauplätze des Geschehens und versetzt den Zuschauer somit noch weiter in die Seele des Hauptdarstellers. Viel zu jung, im Alter von 45 Jahren, starb Bauby am 9. März 1997. Drei Tage vorher erschien sein Buch "Schmetterling und Taucherglocke" ("Le scaphandre et le papillon") in Frankreich. 2007 wurde der gleichnamige Film produziert und bei den Filmfestspielen in Cannes mit dem Preis für die beste Regie ausgezeichnet. Nun endlich dürfen wir dieses Meisterwerk auch auf DVD erleben! Ein Film, der es einfach wert ist gesehen zu werden! (sl)

Wertung: 9 von 10 Punkten (9 von 10 Punkten)

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