Und finden dereinst wir uns wieder...

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Datum: 09.09.2012 | VÖ: 24.05.2012 | Herausgeber: Polar Film | Kategorie: Film

Benannt nach einer Zeile aus Goethes "Hermann und Dorothea" ist "Und finden wir dereinst uns wieder" einer der ersten Nachkriegsfilme, die die Schlussphase des kurz zuvor verlorenen Zweiten Weltkrieges thematisierten, und er bleibt " das kann gleich verraten werden " weit hinter der Intensität und Authentizität von Bernhard Wickis "Die Brücke" (1959) zurück, der heute noch schaudern lässt.

"Und finden wir dereinst uns wieder" erzählt die Geschichte einer Gruppe Jungen, die in den letzten Kriegsmonaten aus ihrem Evakuierungslager in Westfalen nach Berlin aufbrechen, ihrer Heimatstadt. Rädelsführer Wolfgang (Lutz Moik) möchte beim Endkampf für den Führer und die Reichshauptstadt kämpfen; Manfred (Hans Neie), Max (Horst Gentzen) und der kleine Ulli (Dieter Bauer) sehnen sich nach Heimat und Eltern zurück. Während Studienrat Bockendahl (Paul Dahlke) verzweifelt versucht, der Abtrünnigen habhaft zu werden, bevor sie die Front erreichen, durchlebt Wolfgang einen stetigen Desillusionierungsprozess: Verbissen will er an die Vision des Dritten Reiches glauben, obwohl die Realität ihn eines Besseren belehrt. Aufwachen tut er jedoch erst, nachdem er dem von ihm verehrten ehemaligen Lehrer Paulke (Kurt Langake) wiederbegegnet: Paulke, SA-Mann und einst überzeugter Nationalsozialist, will an seine politische Karriere nicht mehr erinnert werden. Wie Studienrat Bockendahl es später formuliert, legt er seine Ideale ab wie ein Hemd: Dies versinnbildlicht die SA-Uniform, die er Wolfgang mit der Bitte in die Hand drückt, sie ungesehen verschwinden zu lassen. Trotz dieser Enttäuschung setzt Wolfgang mit seinen Freunden den Weg nach Berlin fort. Der flüchtige Gefreite Gehlhorn (Willi Rose) nimmt sie unter seine Fittiche und bringt sie ins eingeschlossene Berlin, wo der kleine Ulli durch Artilleriebeschuss ums Leben kommt. Am Grab seines kleinen Freundes stehend, schwört Wolfgang endgültig dem Nationalsozialismus ab. Gehlhorn bringt ihn zu seiner Mutter (Käthe Haack) zurück, die den heimgekehrten und geläuterten Sohn in die Arme schließt.

"Und finden wir dereinst uns wieder" wurde 1947 von der Studio 45-Film GmbH (Berlin) mit offenbar geringen finanziellen Mitteln produziert. Geld für Statisten war offenbar nur begrenzt vorhanden, sodass statt aufwendiger Schlachtszenen Wochenschaubilder vom Untergang des Dritten Reiches in die Spielszenen einmontiert werden. Regie führte Hans Müller, der während der NS-Zeit an Propagandafilmen wie "Achtung! Feind hört mit" (1940) und "… reitet für Deutschland" (1941) mitgewirkt hatte und später für die DEFA tätig war. Er inszeniert die in vieler Hinsicht naiv wirkende Handlung mit einem märchenhaften Anstrich, was durch die zum Teil penetrant kommentierende und deutende Erzählerstimme Carl Raddatz‘ noch verstärkt wird. Besonders befremdlich ist die Gleichsetzung des NS-Lehrers Paulke mit Hitler, die durch den finalen Selbstmord des ersteren besonders unterstrichen und die Frage nach Schuld und Sühne aufwirft.

Vieles an dem Film wirkt verkitscht und süßlich. Obwohl die jugendlichen Darsteller noch sehr im Stil der Zeit agieren, was sie glaubhafter macht als in modernen Produktionen aus der Sparte "Vergangenheitsbewältigung", bleibt der Realismus auf der Strecke: Zum Beispiel spielt der Film im Frühjahr 1945, wurde aber offensichtlich im Sommer / Herbst gedreht, wie die Belaubung der Bäume zeigt. Die idyllisierende Musik setzt dem ganzen die Krone auf und lässt den Film zum Kitsch ausarten, der die dargestellten Ereignisse verniedlicht statt sie aufzuarbeiten. Das zeitgenössische Publikum wird sich im Klaren darüber gewesen sein, dass ihnen hier kein wahrheitsgetreues Abbild der historischen Geschehnisse geboten wird: Welcher (getürmte) Wehrmachtsoldat hätte sich bei der Schlacht um Berlin freiwillig dorthin gewagt und dann auch noch die zur Front marschierenden Volkssturmmänner verspottet? Welche Familienzusammenführung hätte so idyllisch verlaufen können wie die am Schluss des Films, wo die Russen doch gleichzeitig jedes Haus plünderten und brandschatzten? Die Liste dieser Fragen lässt sich fortführen. Daher ist der Film sicher kein Zeitdokument, sondern eher eine Kuriosität, die der historisch unbedarfte Zuschauer eher mit Vorsicht genießen sollte.

Die DVD von Polar-Film kommt ohne Extras oder sonstiges daher. Statt der auf dem Cover angegebenen 95 Minuten bietet der Film tatsächlich nur 82 Minuten Laufzeit. Das Bild ist gut, der Ton teilweise etwas verrauscht. (df)

Wertung: 4 von 10 Punkten (4 von 10 Punkten)

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