Die Macht der Bilder

Zurück zur Übersichts-Seite

Datum: 10.10.2011 | VÖ: 31.07.2002 | Herausgeber: Film 101 | Kategorie: Dokumentation

Der 1993 unter der Regie von Ray Müller entstandene, zweiteilige Dokumentarfilm "Die Macht der Bilder " Leni Riefenstahl" (Produktion Omega Film / Nomad Films) entwirft ein faszinierendes Portrait der titelgebenden Regisseurin, deren Name heute beinahe synonym mit der nationalsozialistischen Filmpropaganda gebraucht wird. In Interviews mit Ray Müller und Ausschnitten aus ihren Filmen zeichnet der erste Teil der Dokumentation ihr Leben bis Mitte der 30er Jahre nach, der zweite Teil schlägt dann den Bogen bis in die Gegenwart.

Riefenstahl begann Anfang der 20er Jahre eine Karriere als Tänzerin, bevor sie Arnold Fancks Bergsteigerfilm "Der Berg des Schicksals" (1924) für den Film begeisterte. Einer Begegnung mit dem Star des Films, Luis Trencker, folgte das Engagement durch Arnold Fanck, der Trencker und Riefenstahl gemeinsam in "Der heilige Berg" (1926) auftreten ließ. Mit Fanck drehte sie nun weitere sogenannte Bergfilme: "Der große Sprung" (1927), "Die weiße Hölle vom Piz Palü" (1929), "Stürme über dem Montblanc" (1930). Als sie 1931 ihren ersten Film in Eigenregie dreht " "Das blaue Licht" " setzt sie um, was sie in der Vergangenheit von ihren Lehrmeistern Arnold Fanck, G.W. Pabst und Josef von Sternberg gelernt hatte. Die von ihr selbst verkörperte Hauptfigur dieses Films, das von der Dorfgemeinschaft ausgestoßene Mädchen Junta, bezeichnet sie im Interview selbst als "Vorausahnung ihres eigenen Schicksals".
Anfang der 30er Jahre lernte die politisch desinteressierte Künstlerin Riefenstahl den Politiker Adolf Hitler kennen, den sie als Mann "ausgesprochen hässlich" fand, der aber im privaten Kontakt eine hypnotische Wirkung ausübte. Die Annäherung an Hitler stellte die Weichen für ihre Karriere nach 1933: Auf Wunsch des eben ernannten Führers und Reichskanzlers drehte sie die Propagandafilme "Sieg des Glaubens" und "Triumph des Willens" über die Reichsparteitage der NSDAP in Nürnberg 1933 und 1934. 1936 folgte der zweiteilige Film über die Olympischen Sommerspiele in Berlin: "Olympia. Fest der Völker" und "Fest der Schönheit", der bis heute zu den am meisten gefeierten Filmen der Kinogeschichte gehört. Während des Krieges drehte sie mit der Opernverfilmung "Tiefland" ihren letzten Spielfilm. Nachdem sie die letzte Kriegsphase auf einem Bauernhof bei Kitzbühl verbracht hatte, wurde sie verhaftet, mit den nationalsozialistischen Verbrechen konfrontiert und schließlich in einem Entnazifizierungsverfahren als Mitläuferin eingestuft. Die Nachkriegsjahre verbrachte sie weitgehend isoliert und verfemt in München, bis sie Anfang der 60er Jahre auf einer Expedition in den Süd-Sudan auf den Stamm der Nuba traf, deren Vertrauen sie gewann und die sie in umfangreichen Fotoserien dokumentierte. Ein 1973 veröffentlichter Bildband machte diese Arbeiten weltweit bekannt. Seit den 70er Jahren widmete sie sich auf Tauchgängen mit ihrem Lebensgefährten Horst Kettner der Unterwasser-Filmarbeit. Zur Entstehungszeit des Films "Die Macht der Bilder" erlebte Riefenstahl eine Art Renaissance und stand noch einmal im Mittelpunkt der Medien: Sie ließ sich von Helmut Newton fotografieren, fotografierte Siegfried & Roy, eröffnete eine eigene Ausstellung in Tokio und feierte am Starnberger See medienwirksam ihren 90. Geburtstag in Anwesenheit von Leo Kirch.

Der Film von Ray Müller ist ein spannendes Zeugnis dieser filmgeschichtlich bedeutenden Künstlerin. Im Mittelpunkt von "Die Macht der Bilder" steht die Frage nach der politischen Verantwortung des Künstlers. Müller versucht in diesem Film einen Spagat, der ihm weitgehend gelingt: einerseits Riefenstahls Ausnahmebegabung gerecht zu werden, andererseits ihre Aussagen und Selbstdarstellung in Bezug auf die NS-Vergangenheit kritisch zu hinterfragen. Die Höhepunkte des Films sind dabei nicht die sorgsam vorbereiteten Interview-Sequenzen, in denen Riefenstahl flüssig und bisweilen charmant vor der Kamera Auskunft gibt, sondern die eigentlich "mißglückten" Szenen der Konfrontation zwischen Interviewer und Regisseurin, die die Natur der Künstlerin jenseits ihrer Selbstinszenierung durchscheinen lassen: Als sie mit Tagebuch-Einträgen von Goebbels konfrontiert wird, die ihre eigenen Aussagen widerlegen, beginnt sie zu toben. Ihre Erklärung: "Goebbels war ja ein Meister der Lüge." " Wann immer Lücken in ihrer Darstellung aufgedeckt werden, unternimmt sie den Versuch, sich dem Gespräch zu entziehen. Dennoch wirkt ihr Entsetzung über die fremdenfeindlichen Ausschreitungen in Rostock glaubhaft, wenn sie die Täter als "dumme Jungs, Chaoten, Kriminelle" bezeichnet. Am Schluss des Films verweigert sie das Schuldbekenntnis, das Müller von ihr verlangt. Diese Entscheidung ist wohl als logische Konsequenz ihrer Verteidigungsstrategie anzusehen.

"Die Macht der Bilder " Leni Riefenstahl" ist ein politisch, historisch und psychologisch hochinteressanter Film. Es wäre eine gute Entscheidung gewesen, das sicherlich aufschlussreiche Behind-the-Scenes-Material, das bei den Dreharbeiten entstand, zusätzlich auf der DVD zu veröffentlichen. Leider ist das nicht der Fall, und überhaupt wirkt die Präsentation des Films reichlich lieblos. Die DVD-Hülle enthält als einzigen Schmuck einen Einleger. An Extras werden nur Trailer geboten, wobei der Trailer zum Hauptfilm lediglich aus dessen ersten zwei Minuten (!) besteht und damit eigentlich überflüssig ist. Eine kleine Entschädigung ist zwar der Original(?)-Trailer zu "Die weiße Hölle vom Piz Palü" " angesichts der Qualität des Hauptfilmes hätte man sich aber doch mehr gewünscht. (df)

Wertung: 8 von 10 Punkten (8 von 10 Punkten)

Jetzt kaufen

Besuchen Sie unser Forum!

Hinweis: Unsere Kritiken geben logischerweise die Meinung des jeweiligen Autors wieder und sind NICHT zwingend identisch mit der Ansicht der gesamten Redaktion.