Die lieben Mitmenschen

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Datum: 01.05.2011 | VÖ: 11.02.2011 | Herausgeber: Studio Hamburg | Kategorie: Serie

Als ab dem 17. November 1972 die ersten sieben Folgen der Serie "Die lieben Mitmenschen" erstmals vom DFF ausgestrahlt wurden, konnte wohl niemand ahnen, dass diese so ein Publikumserfolg werden würde. Bereits 1974 wurden 3 weitere Folgen gedreht, die die Familienserie letztendlich abrundeten und abschlossen.
Im Mittelpunkt der Geschichten stehen Carola Bärenburg (Friedel Nowack) und ihr Großneffe Hans (Frank Schenk). Hans beginnt ein Physikstudium und zieht nicht, wie seine Kommilitonen, in ein Internat, sondern zu seiner Großtante zur Untermiete. Durch diese Ausgangskonstellation nimmt die Handlung sofort an Fahrt auf, besonders auch, als Hans einige Mitstudenten heimlich in seiner, selbst für DDR-Verhältnisse, ziemlich üppigen Herberge übernachten lässt. Tante Carolas barscher Unmut darüber bleibt nicht aus. Rückblickend sehr informativ und interessant ist, wie in den einzelnen Episoden sehr unterschiedliche Erscheinungen des typischen "DDR-Alltags" der 70er Jahre verarbeitet wurden.

Hauptsächlich geht es um die Menschen und ihre persönlichen Befindlichkeiten, ihre großen und kleinen Probleme, aber auch um Veränderungen und gewachsenes "Staatsbewusstsein" in der DDR. Deutlich zu spüren ist der relativ unverkrampfte Umgang der Autoren (Luderer/Billing) mit sogenannten Kardinalfragen. Da geht es natürlich auch um das "Verhältnis zur DDR", um "Westkontakte", die "Partei" oder die damals obligate "Freundschaft zur Sowjetunion".
In den Mittelpunkt jeder Folge werden die Geschichten der Familie Bärenburg, sowie der immer neuen Untermieter gestellt. "Tante Bärenburg" ist die Witwe eines angesehenen Arztes und lebt in ihren gelernten gesellschaftlichen Konventionen. Die Filmemacher haben damals mutig Neuland beschritten, indem sie den Prozess der zunehmenden Akzeptanz der neuen gesellschaftlichen Verhältnisse durch traditionelle bürgerliche Kreise thematisierten. Frau Bärenburg kommt immer mehr in der neuen Zeit an. Es ist erheiternd und spannend zu beobachten, wie es die Tante immer wieder schafft, mit überraschenden Einfällen Dinge in Gang zu bringen, zu verkomplizieren oder selbst verursachte Probleme zu lösen.

Friedel Nowack war in sehr erfolgreichen Filmen, wie "Wolf unter Wölfen", "Rotkäppchen" oder "Der Untertan" zu sehen. In "Die lieben Mitmenschen" glänzt sie in der Rolle der rustikalen, verschmitzten alten Tante. Manche Dialoge, z.B. über das Verhältnis von Jung und Alt oder die Rolle der Alten in der Familie und der Gesellschaft erscheinen derartig aktuell, sodass man die Entstehungszeit der Serie gar nicht glauben mag. Deutlich zu spüren, ist der politische Zeitgeist in den Episoden. Die "Neue Ostpolitik" der Regierung Brandt, die Anerkennung der DDR durch die UNO aber auch die zeitweilige Lockerung ansonsten restriktiv gehandhabter Kontroll- und Überwachungsmechanismen des DDR-Staates zu den 10. Weltfestspielen in Berlin 1973 hinterließen deutliche Spuren. Die Umsetzung solcher Themen war für die Filmemacher auch nur kurzfristig möglich. Wenn in den Dialogen von den unveränderlichen und für alle Zeit feststehenden neuen Verhältnissen gesprochen wird, mutet das heute rückblickend mitunter ziemlich skurril an, dürfte aber dem Geschichtsinteressierten interessante Einblicke in die "Denkwelt" und die "Illusionen" des DDR-Alltags vermitteln.

Die Darsteller-Liste ist hochkarätig. Neben Friedel Nowack sind in weiteren Rollen u.a. Frank Schenk (Hans), Agnes Kraus (Frau Reschke), Walter Richter-Reinick (Reichert), Peter Herden ( Prof. Erlebach), Monika Woytowicz (Karin), Marga Legal, Günter Grabbert, Uta Schorn und Peter Reuße zu sehen. Wolfgang Luderer (Regie/Drehbuch) und Gert Billing (Autor/Szenarium) schrieben interessante Geschichten, die auch heute nichts von ihrem Charme verloren haben.

Die DVDs sind in einer sehr guten Bild- und Tonqualität. Das Original 4:3 Bildverhältnis wurde erfreulicherweise beibehalten. Das DVD Menü ist mit Musik (Titelmusik) unterlegt. Alle Episoden sind einzelnen anwählbar. Zur Box gehört ein recht ausführliches Booklet mit zahlreichen Informationen zur Entstehung der Serie, zu den Machern, den Schauspielern und einem Episodenführer. Ich habe diese Serie neu für mich entdecken können und möchte diese DVD-Box sehr empfehlen! (al)

Wertung: 10 von 10 Punkten (10 von 10 Punkten)

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