Bushido

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Datum: 15.08.2010 | VÖ: 18.01.2010 | Herausgeber: Riva | Kategorie: Biographie

Anis Mohamed Ferchichi, Jahrgang 1978 kommt aus Berlin und hat es geschafft, von seiner Rap-Musik leben zu können. Dabei großen Vorbildern nachzueifern dürfte ihm allerdings schwerfallen, denn im Sektor deutschen Hiphops ist er selber ein Vorbild: unter dem Namen Bushido hat Anis bislang am meisten erreicht, was ein deutscher Rapper schaffen kann. Da so eine Reise zur Spitze des Genres nicht in einer geraden unkomplizierten Kurve verläuft und man auf diesem Weg auch mal die ein oder andere mehr als außergewöhnliche Episode erlebt, hat sich Bushido nun entschlossen, seine Geschichte und die von seiner Familie, seinen Freunden und den Erlebnissen im Leben eines großen Rappers zu erzählen. Zusammen mit dem Musikjournalisten Lars Amend macht sich Bushido im gleichnamigen Buch auf die Reise in seine Vergangenheit und präsentiert die Hintergründe aus erster Hand.

Die Geschichte beginnt in Berlin. Der junge Anis hangelt sich so lala durch die Tage, hat eine ganz liebe Freundin und kommt halbwegs mit allem klar. Sein eigentlich sehr großer Ehrgeiz wird nur leider zu selten geweckt, z.B. nur als er sich entschließt Schulsprecher zu werden, um den siegessicheren Strebern eins reinzuwürgen. Oder als er sich denkt, dass er auf Dauer schon zu viel für Drogen einfach nur bezahlt hat, ohne dauerhaft etwas davon zu haben, also fängt er an zu dealen. Das Startkapital gibt ihm seine Mutter, deren Liebe und Loyalität zu ihrem Sohn ein ums andere Mal deutlich betont wird. Schließlich ist dieser Frau auch das ganze Buch explizit gewidmet.
Das Dealen mündet schließlich in einem Gerichtstermin und Bushido wurde in eine Jugendmaßnahme gesteckt, die er am Ende sogar erfolgreich als Maler- und Lackierergeselle verließ. Während seiner Ausbildung lernt er Patrick, den späteren Fler kennen und wird zu seinem engen Freund. Doch Hiphop ist für Bushido erst ein Thema, als er schon zwanzig Jahre alt ist. Dann legt er aber richtig los und will eigene Beats produzieren. Das Startkapital sponsert mal wieder die Mutter.
So entwickelt sich also aus einem eher leidenschaftlich gepflegten Hobby mehr und mehr eine ernste Beschäftigung und schließlich der Lebensunterhalt von Bushido und das Buch ist noch nicht einmal ein drittel geschafft. Hier mag sich der Leser etwas wundern, was denn da noch kommen möge, aber schnell wird klar, dass das Buch keine strenge zeitliche Abfolge entlang läuft, sondern sich thematisch auf bestimmte Bereiche von Bushidos Leben konzentriert. Das bedeutet, dass dann etwas später folgende Kapitel rund um die große Liebe Selina wieder einen Sprung in Bushidos Biographie macht. Nach diesem Schema erzählt Bushido die verschiedenen Dinge, die in beschäftigten und beschäftigen.
Andere Kapitel erzählen einfach nur ein paar Geschehnisse aus der Welt des Musikgeschäfts: Vertragsverhandlungen, Fehden unter den Rapper-Cliquen oder Berichte von Feiern und Veranstaltungen wie der Echo-Verleihung. Die Themen Freunde und Familie werden ebenfalls ausführlich beleuchtet, denn Bushido ist eine Botschaft besonders wichtig und auf sie trifft man nahezu unentwegt bei der Lektüre: er ist ein korrekter Mensch, der seine Familie und seine Freunde liebt, er ist loyal und aufrichtig und verlangt daher nichts anderes als dass man ihn ebenfalls korrekt behandelt und ihm und seinen Angehörigen Respekt entgegenbringt. Sollte sich jemand über diese klaren und einfachen Regeln hinwegsetzen wollen, gibt es Schellen zum "Therapieren".
Als ein paar Leute in Linz völlig grundlos Bushidos Reifen zerstechen kommt es zu einer von vielen rauen Situationen in Bushidos Leben, doch irgendwie endet diese besonders dumm und Bushido findet sich hinter Gittern wieder. Es handelte sich also nicht um einen PR-Gag, um das neue Album bekannter zu machen.
Bushido nutzt sein Buch um mit einigen anderen Vermutungen über ihn aufzuräumen: sein Verhältnis zu Aggro Berlin, Frauen, Homosexualität und seinem Vater, der die Familie vor langer Zeit verlassen hatte und plötzlich wieder Kontakt aufbauen möchte, was Bushido vor eine schwere Wahl stellt.
So bleibt das Buch durchweg ein buntes Sammelsurium an Anekdoten, Darlegungen von Ansichten und klaren Ansagen nach draußen, auf dass sie jeder lesen und kapieren möge. Einige Ausdrücke und Namen anderer Leute aus dem Musikgeschäft durften auf sicherlich rechtlichen Gründen nicht einmal angedeutet werden, weshalb diese Namen und Wörter durch kleine Symbole mitten im Text ersetzt wurden. So stehen dann da plötzlich symbolisierte Totenköpfe, Pistolen oder Schlagringe im Satz, deren Bedeutung man sich dann gewissermaßen frei ausdenken kann. Etwas schade ist dieser kleine "Zensur" schon, denn alles in allem geht es ja um klare Worte in diesem Buch.

Bücher wie dieses, die sich gewissermaßen als Biographien auffassen lassen, sollten ja immer unter der Maßgabe betrachtet werden, dass beim Verhältnis zwischen Form und Inhalt der Inhalt das weitaus größere Gewicht hat: es geht darum, was erzählt wird, nicht wie geschliffen die Sätze sind. Allerdings drückt sich die Form immer wieder in den Vordergrund. Die etwas störenden Symbole wurden zuvor schon erwähnt. Hinzu kommen Floskeln und Formulierungen, die sich zwar gut in einer Ansprache vor Fans oder einem anderweitigen Publikum machen, jedoch auf Papier etwas fehl am Platz wirken: "That's life, bitch." oder ein trockenes "Hehe."
Einen so wirklich tiefen Einblick gewährt Bushido dann auch wieder nicht, trotzdessen dass er von sehr persönlichen Dingen erzählt hat man nicht das Gefühl, dass er wirklich von sich spricht. Es wirkt ein wenig wie nacherzählt oder zu oft nochmal zurecht gelegt. Man kann hier nur vermuten, dass die Zusammenarbeit Bushido-Amend dafür gesorgt hat, dass ein paar Passagen mehr nach journalistischer Schule klingen als wirklich aus dem Bauch heraus erzählt.

Eine besonders spannende Lektüre bietet sich nicht dar. Alles was passiert, findet eben einfach so statt. Tiefe Einblicke in die treibenden Kräfte hinter Bushidos Texten und Musik findet man nur vereinzelt, wenn z.B. erklärt wird, wie ein bestimmtes Erlebnis zu einem bestimmten Liedtext geführt hat. Das Gesamtbild bleibt aber eher verborgen. Es geht Bushido wohl eher darum, das Buch für die Fans abzuliefern, die mehr von seinen Erlebnissen erfahren wollen. Das kriegen sie dann auch, aber eben eher Nacherzählungen der Geschehnisse.
Wer sich nicht zu Bushidos Fans zählt und dennoch dieses Buch zu lesen gedenkt, wird sich freuen, wenn er auf vielleicht zwei "Aha" oder "Soso." während der gesamten Lektüre kommt, denn im Grunde kann man dem Lesen ohne einen Bezug zu Hauptperson und Erzähler nichts abgewinnen, aber das war sicher auch nie der Gedanke dahinter. (mp)

Wertung: 3 von 10 Punkten (3 von 10 Punkten)

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