Nord - Ein anti-depressives Off-Road Movie

Zurück zur Übersichts-Seite

Datum: 14.06.2010 | VÖ: 16.04.2010 | Herausgeber: Alive AG | Kategorie: Film

Jomar Henriksen ist Liftwärter in einer abgelegenen Gegend Norwegens. Vor einigen Jahren setzte ein Unfall seiner Skifahrerkarriere ein Ende. Danach verließ ihn sogar die Liebe seines Lebens, Linnea, und ging mit seinem besten Freund Lasse fort. Seitdem ist Jomar depressiv. Manchmal ist er so phlegmatisch, dass er sich nicht einmal dazu aufraffen kann, die Liftkarten auszugeben " die Skifahrer müssen sie sich selbst nehmen. Die meiste Bewegung verschafft ihm noch seine Psychotherapeutin, denn um die Gesprächstermine wahrzunehmen, muss er zu ihr hinfahren. Ansonsten verbringt er seine Tage mehr oder weniger schlafend im Kreise seiner Lieben: Selbstmitleid, Schnaps und Kippen. Doch eines Tages steht Lasse vor seiner Tür.

Nachdem Jomars anfängliche Wut verraucht ist, eröffnet ihm Lasse, dass Linnea damals nach ihrem Weggang einen Sohn bekommen hat. Linnea war nämlich von Jomar schwanger. Lasse hat dies erst vor kurzer Zeit erfahren und kommt damit nicht klar. Er verließ Linnea, brachte jedoch den Mut auf, den alten Freund aufzusuchen und ihm mitzuteilen, dass er Vater ist. Als Jomar nach Lasses Weiterreise mehr versehentlich seine Hütte abfackelt, bleibt ihm kaum eine Wahl. Er setzt sich auf seinen Schneescooter und macht sich mit einem Kanister Schnaps sowie Tabletten und Zigaretten auf den Weg nach Tamok Land, wo Linnea mit ihrem Sohn lebt. Unterwegs trifft er die merkwürdigsten Typen: ein einsames Mädchen mit seiner Oma, einen alten lebensmüden Mann, einen jungen Mann mit einer ganz merkwürdigen Trinkgewohnheit, und ein paar Soldaten. All diese Begegnungen sowie einige Mißgeschicke holen Jomar nach und nach ins Leben zurück …

"Nord" ist kein Film, der bei jedem Zuschauer auf Anhieb sein Potential entfaltet. Auf den ersten Eindruck scheint es sich um einen Film zu handeln, dessen Handlung gemächlich vor sich hin dümpelt. Trotzdem hat man Lust, ihn sich nochmal anzuschauen. Und schon bemerkt man Dinge, die man vorher nicht gesehen oder gehört hat. Und wie bei Jomar klärt sich auch beim Zuschauer immer mehr und mehr, was alles in Jomar brodelte, um nach und nach an die Oberfläche zu kommen. Spätestens nach dem dritten oder vierten Anschauen ist man hin und weg von Jomars Reise und den skurrillen Personen, die er unterwegs trifft. Man sieht zwar auch Bezüge zu Filmen David Lynch’s, doch viel mehr noch mit einer längst bekannten Märchenfigur. Nämlich Hans im Glück, der mit einem Goldklumpen beladen seine Reise beginnt und mit Nichts am Ziel ankommt " extrem froh und glücklich darüber, dass er nun frei von jeder Last sei. Jomar hat zwar keinen Goldklumpen, doch sein Scooter und sein Schnapskanister sind halt sein persönliches "quivalent dessen, was Hans zu tragen hatte. Nach und nach verliert Jomar immer mehr seiner Last, sowohl physisch als auch psychisch, denn er kommt bei Linnea nur noch mit ein paar Skiern und einem Rucksack an. Er mag um viele materielle Dinge und um seine Schwermütigkeit entlastet sein, aber dafür hat er nun das Leben wiedergefunden. Und möglicherweise auch wieder sein Lebensglück.

"Nord" wurde bei den 59. Filmfestspielen 2009 in Berlin als Eröffnungsfilm des Panorama vorgeführt und mit dem "Fipresci-Preis" und dem "Europa Cinema Label" ausgezeichnet. Für Rune Dengstad Langlo war es der erste Spielfilm, denn bis dahin hatte er sich als Regisseur von Dokumentarfilmen einen Namen gemacht. "Off-Roadmovie" ist wirklich eine korrekte Bezeichnung, denn angesichts der norwegischen Winderlandschaft sind Straßen ohnehin Mangelware. "Anti-depressiv" einerseits, weil Jomar aus seiner Lethargie ins Leben zurückfindet, andererseits, weil es erfreulicherweise einmal etwas ganz anderes als die üblichen 08/15-Action-Roadmovies " insbesondere aus amerikanischer Produktion " ist, die der Zuschauer sonst vor die Nase gesetzt bekommt. Wirklich erfrischend anders.

Die DVD enthält den 75-minütigen Film im Breitwandformat. Der DD 5.1-Ton ist in deutsch und norwegisch verfügbar. Untertitel sind erfreulicherweise auch vorhanden, aber nur in deutsch. Das Bild ist schön klar und scharf, die Landschaftsaufnahmen kommen gut zur Geltung " Langlo kann sein früheres Metier nicht verleugnen. Als Bonus gibt es noch "Deleted Scenes", wobei ich einige im Film gelassen hätte, um Jomars Lage und Hintergrund zu verdeutlichen. Außerdem gibt es noch zwei "Making Of"s, einmal über die Dreharbeiten, einmal über die Darsteller. DVD in Amaray-Box in Schuber.

Fazit: Eine Überraschung in jeder Hinsicht, sowohl was Handlung als auch Darsteller angeht. Wer mal etwas anderes als Action sucht, nämlich Stimmung, ist hier genau richtig. Zu Recht prämiert. (gh)

Wertung: 8 von 10 Punkten (8 von 10 Punkten)

Jetzt kaufen

Besuchen Sie unser Forum!

Hinweis: Unsere Kritiken geben logischerweise die Meinung des jeweiligen Autors wieder und sind NICHT zwingend identisch mit der Ansicht der gesamten Redaktion.