Drei Stern Rot

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Datum: 17.02.2010 | VÖ: 27.11.2009 | Herausgeber: epix | Kategorie: Film

Man hört Hundegebell, dann Rockmusik. Das Bild blendet auf, drei rote Leuchtkugeln steigen pfeifend in den nächtlichen Himmel " in der damaligen DDR als Alarmsignal "Drei Stern Rot" bekannt, welches auf einen versuchten Grenzdurchbruch hinwies. Ein junger Mann läuft im Schneeregen zur Grenzmauer, wird jedoch kurz vorher von einem Grenzposten aufgehalten, der ihn zur Aufgabe auffordert. Als der Flüchtling aufsteht und den Grenzposten verwundert fragt "Wat?", ruft aus dem Hintergrund eine Stimme "Aus!". Es handelte sich nämlich nur um eine Szene, die von einem Filmteam im Winter 2000/2001 an einem Überbleibsel der früheren Grenzmauer gedreht wird, doch der Regisseur Schrubber (Frederick Lau) erwartet, dass der Grenzpostendarsteller den Flüchtlingsdarsteller 'erschießen' soll anstatt ihn groß mit Worten aufzuhalten. Der Schauspieler des Grenzpostens, Christian Blank (Rainer Frank), war jedoch früher selbst als Grenzposten tätig und hat endgültig genug von dem Befehl "Schieß! Schieß!". Als er dann noch in einer Drehpause glaubt, einen alten Widersacher namens Nattenklinger aus früheren Zeiten wieder zu erkennen, dreht er endgültig durch und greift diesen an.

Christian Blank findet sich auf einer Liege in einer psychiatrischen Klinik in Halberstadt wieder und glaubt, Nattenklinger getötet zu haben. Kurz darauf nimmt ihm eine "rztin Blut ab, die ihn darüber informiert, dass es sich bei dem vermeintlichen Feind aus früheren Tagen tatsächlich um Christians Schauspielerkollegen Karl Lüderitz handelte. Die Psychiaterin Dr. Pamela Wehmann (Petra Kleinert) setzt sich zu Christian und bittet ihm, mehr von früher zu erzählen. Und Christian erzählt. Von seiner unerwarteten Geburt in einem Taxi. Von seiner im Westen arbeitenden Oma. Von seiner Freundin Jana Siebenschuh (Meriam Abbas), die er später heiraten möchte und die er dank seiner Oma mit Barbie-Puppen beschenken kann. Von seinem Freund Schrubber, der auch hinter Jana her ist. Von seiner Mutter (die unserer Kanzlerin Angela Merkel auffallend ähnlich ist). Vom Sportunterricht in der Schule. Von seiner Studienzeit als angehender Journalist, bis hin zu seiner Zeit als Grenzposten. Und überall, wo Christian erschien, wartete das Ekelpaket Nattenklinger ("der kleinste Polizist Berlins, nur 1 Meter 59 groß") schon auf ihn, um ihm das Leben schwer zu machen: Im Taxi als Geburtshelfer, in der Schule als Sportlehrer, als Lehrmeister während seiner Lehre, schließlich sogar als schikanierfreudiger Ausbilder bei den Grenzern.

Für den Zuschauer ist der Film nicht leicht zu durchschauen, denn angesichts dessen, dass Christian augenscheinlich als Kind bereits den Sportlehrer Nattenklinger beim Kugelstoßen getötet habe, ist das wiederholte Auftauchen von Nattenklinger nicht nachvollziehbar. Christian scheint immer mehr zu Recht ein Fall für die Psychatrie zu sein, denn entweder hat er sich die Tötung beim Sportunterrischt eingebildet oder aber die späteren Personen, die wie Nattenklinger aussehen. Vereinzelt bricht der Surrealismus des bürokratischen bzw. soldatischen Alltags durch, wenn z. B. Christian beim "Cowboy und Indianer" spielen an einen als Marterpfahl dienenden Grenzpfosten gebunden wird und in dieser Lage darüber aufgeklärt wird, dass es sich bei der "Mauer" um einen "antifaschistischen Schutzwall" handelt, der vor dem Eindringen der Kapitalisten schützen soll. Oder wenn ein Soldat nach dem Reinigungsmittel "Nuth" benannt wurde, mit dem sich dieser schnüffelnd berauschte, denn das Mittel war tatsächlich bekannt für diese ‚Nutzungsmöglichkeit’. Oder wenn Kompaniechef (Victor Schefé) mit beschrifteten NVA-Püppchen den Dienstplan zu erstellen versucht, damit die Patrouillen immer mindestens eine staatstreue Person enthalten.

Der Film sieht aus, als wäre hier an Originalschauplätzen gedreht worden, denn die detaillierten Inneneinrichtungen als auch die Umgebungen bei den Außenaufnahmen scheinen sehr realistisch. Hier wurde schließlich kein Actionfilm produziert, sondern versucht, recht genau den Alltag darzustellen, der oft schon abstrakt genug war. Der ganze Film zeigt zudem einen leichten Grünstich und gibt ihm dadurch eine sehr unterkühlte Stimmung. Auch die Schärfe lässt gelegentlich zu wünschen übrig, bleibt aber noch im akzeptablen Bereich. Der Ton ist dagegen anstandslos und zu jeder Zeit klar verständlich. Die Farbgestaltung mag beabsichtigt sein, bei der Tiefenschärfe bin ich da nicht so sicher, beides unterstützt jedenfalls einen gewissen Dokumentationscharakter. Wessis erhalten dabei den deprimierenden Eindruck, als würde der damalige Alltag der DDR sich nur um Staatstreue und Einhaltung von staatskonformen Vorschriften drehen, bei dem fast jeder irgendwie trotzig versucht, trotzdem seinen persönlichen Freiraum um sich herum zu bauen. Außer Typen wie Nattenklinger halt, die in diesem Leben wohl ihre Erfüllung finden. Ossis können dies zwar ebenfalls nachvollziehen, doch war es für sie weniger bedrückend spürbar, weil es für einfach zum normalen täglichen Leben gehörte. Spätestens mit der Schlussszene scheint aber zumindest eine Aussage klar: Typen wie Nattenklinger scheint es überall zu geben.

Gezeigt wird der Film im 16:9 Format, der Ton ist ausschließlich in deutsch vorhanden. Auch Untertitel gibt es keine, sehr schade. Auf der DVD ist lediglich noch ein Trailer zum Film enthalten, eine ebenfalls auf der Scheibe vorhandene PDF-Datei zum Film ist allerdings nur über einen PC zugänglich. Fazit: Ein Film nicht für jeden Geschmack. Wer damals in der DDR lebte, wird an der Authentizität des Films Gefallen finden und mehr Humor darin entdecken als die Zuschauer, die nicht dort lebten und sich daher mit eben diesen witzigen Gelegenheiten schwer tun werden. Wer generell aber an etwas abgedrehten Filmen Gefallen findet, sollte hier zuschlagen. (gh)

Wertung: 7 von 10 Punkten (7 von 10 Punkten)

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