Bauern, Bonzen und Bomben

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Datum: 22.12.2007 | VÖ: 29.08.2007 | Herausgeber: Unbekannt | Kategorie: Film

Der erste Teil beginnt im Stil eines Stummfilms: Unbewegte Kamera, Totalen, eine Übersicht. Schrifttafeln, die teilweise in der Zeitungsfrakturschrift gesetzt sind, läuten das Geschehen ein. Der Zuschauer empfindet sogleich das Ambiente und den angehauchten Zeitgeist: Später Zwanzigerjahre. Durch Aufnahmen von kleinen Backsteinreihenhäusern wird man auch direkt in das maritime, hanseatische Norddeutschland geführt. Die Figuren der Handlung werden durch ihr Agieren dem Zuseher peu à peu vorgestellt. So fällt es einem sehr leicht, in die Handlung einzusteigen. Die Geschichte wird sehr langsam erzählt, sodass tiefere Charakterstudien der Einzelfiguren ermöglicht werden. Die Schauspieler haben sich grandios in ihre Rolle verwebt, sodass nichts künstlich oder unrealistisch wirkt; ihr natürliches Handeln wirkt weder aufgesetzt noch theatralisch. Dem Regisseur Egon Monk ist es wohl zu verdanken, dass die Figuren der Handlung so menschennah herüberkommen, indem er allen Marotten, Fehler oder ganz besondere Eigenschaften eingegeben hat. So assoziiert der Zuseher die Figuren mit sich oder seinen Mitmenschen. Gier, Schadenfreude, Geiz, Ungerechtigkeit, Selbstdarstellung " dies alles sind auch heute bekannte wenn auch miesere Menscheneigenschaften. In der Geschichte von den Bauern, Bonzen und Bomben geht es aber hauptsächlich eben um diese Eigenschaften, die die meisten aber ins Verderben stürzt. Gekonnt versteht es Monk mit seinem Team, einen Spannungsbogen zu formen, der dem Zuschauer gar nicht im Oberbewusstsein klar wird. Durch das langsame Erzählen vertiefen sich Anti- und Sympathien mit den Agierenden.
Echte Glaubwürdigkeit wird vermittelt durch gezieltes Verwenden angebrachter Kostüme; so hat der Bauer ein braun-graues Arbeitsgewand an, während die Amtsbeschäftigten edle Anzüge tragen. Noch stärker aber wird diese Glaubwürdigkeit durch ihre Sprache: Das Landvolk kann sich nur in Plattdeutsch verständigen ("Hey, waat? Du häs en grout Muul!") und beherrschen die reine hochdeutsche Sprache nicht. Die Stadtleute artikulieren in akzentfreiem Hochdeutsch, können jedoch sehr wohl das Plattdeutsche verstehen. Somit werden auch Unterschiede in Stand und Intellekt herauskristallisiert.
Ein wichtiger Beitrag zum Gelingen der Fernsehadaption ist das geschickte Ausnutzen reeller Schauplätze.
Man findet sich in kleinstädtischen, hanseatischen Backsteinmilieus wieder. Für die Kameraausschnitte wurden Straßen und Häuser so bearbeitet, dass keine modernen Utensilien der Heutezeit wie etwa Telefonzellen, Straßenlaternen, Zigarettenautomaten, etc. erkennbar sind. Modische Trends werden somit ganz ausgeblendet.
Auch für die Innenaufnahmen, die im hauptsächlich im Studio aufgezeichnet wurden, sind Mobiliar und Zimmerschmuck exakt auf die Spätzwanziger abgepasst.
Alle Außenaufnahmen wurden auf 16mm-Zelluloid aufgenommen. Die Innenaufnahmen sind mit Farbfernsehkameras auf große Magnetbänder aufgezeichnet worden, um vermutlich etwas Budget-Geld einzusparen. Für Außenaufnahmen war es damals noch zu umständlich, Fernsehkameras aufzubauen, da diese ja nicht selber aufzeichnen können, sondern große 2-Zoll-Bandmaschinen mitgeschleppt hätten werden müssen. Den Bildmischern (Film und Elektronisch) ist es ausgezeichnet gelungen, Film und Video in Farbe, Kontrast und Lichtstimmung so anzugleichen, dass man den Übergang nur bei genauem Hinsehen erkennen kann. Gerade bei den Innenaufnahmen ist der Zuschauer leider immer eine Lichtsoße gewohnt; hier wird ihm ganz anderes serviert; ein reelles Licht, das man zurückverfolgen kann: Kommt es vom Fenster oder von einer Zimmerleuchte? Somit wird ein etwaiger theatralischer Eindruck vereitelt.
Die Filmmusik ist leise, sehr sparsam und äußerst unspektakulär, so dass sie einem nicht gesondert ins Ohr geht: Sie dient lediglich (wenn auch in selteneren Fällen) der dramaturgischen Unterstützung.
Im Ganzen lässt sich sagen, dass Egon Monks Inszenierung keine Superstars braucht, um Falladas Roman zu erzählen. Einige Schauspieler, die man alle in die norddeutsche Ecke assoziiert, kennen wir aus anderen Produktionen. Als Kalübbe agiert Gottfried Kramer: die Stimme von KITT aus Knight Rider, von F. Murray Abraham in "Amadeus" (1984), Oskar aus der Mülltonne (Sesamstraße), Piggeldy und Frederick, aus der Fernsehwerbung und aus vielen Europa-Höspielen der 70er und 80er Jahre. Als Graf Bandekow wurde Ernst von Klipstein engagiert: Ihn kennt man ebenfalls aus hunderten von Hörspielen (Europa-Gruselserie, TKKG, Die drei Fragezeichen, Fünf Freunde und dergleichen). Andere Schauspieler sind bekannt aus hamburgischen und überregionalen Fernsehfilmen: Gert Haucke, Edgar Bessen, Siegfried Wischnewski, Henning Schlüter oder Kurt A. Jung.
Die DVD-Aufmachung ist schlicht und zweckmäßig: Bild- und Tonqualität sind ausgezeichnet " so, wie man’s im Fernsehen auch erwarten würde. Als Zusatz nach den fünf Teilen, die alle etwa 90 Minuten gehen, kann der interessierte Zuschauer in der Sendung "Ort der Handlung: Deutschland " Egon Monk und seine Filme", einer Dokumentation von Stephan Reichenberger (NDR 1985), mehr über die Hintergründe von Monks Filmen erfahren. In diesem 72-minütigen Film kommen Eberhard Fechner, Professor Walter Jens und Dieter Meichsner zu Wort, die sehr einfühlsam und ergiebig über die Machart Monks berichten. (cb)

Wertung: 7 von 10 Punkten (7 von 10 Punkten)

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