Nachts um halb eins, wenn das Fernsehen rauscht

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Datum: 28.06.2009 | Kategorie: Generation Testbild

Heutzutage kann man zu jeder Tages- und Nachtzeit die Flimmerkiste einschalten, es läuft immer irgendetwas. Das war jedoch vor gar nicht allzu langer Zeit noch ganz anders. In den achtziger Jahren war das 24-Stunden-Fernsehen noch Utopie. Auf den wenigen Sendern, die man sehen konnte, war meistens nach Mitternacht Schluss oder höchstens mal nach 1.00 Uhr. Gelegentlich machten die Sender auch schon vor Mitternacht Schluss. Vor allem die dritten Programme verabschiedeten sich in der Regel noch vor ARD und ZDF in ihre tägliche Nachtruhe. Ein täglicher Sendeschluss konnte sehr praktisch sein, denn wenn es mal eine Sondersendung gab oder eine Sendung überzogen hatte, dann war zwar etwas später Schluss als geplant, jedoch am nächsten Morgen konnte das Vormittagsprogramm wieder pünktlich beginnen. Heutzutage kommt bei einer Sondersendung der ganze Programmplan durcheinander und ggf. müssen sogar Sendungen deswegen ausfallen. Damals, als man sich das hätte erlauben können, sah man jedoch kaum Anlässe für Sondersendungen. Während heute alle paar Tage nach der Tagesschau ein Brennpunkt kommt, so mussten in den achtziger Jahren noch richtige Katastrophen passieren, damit man das Programm unterbrach, wie etwa die Explosion des Kernreaktors in Tschernobyl.

Der tägliche Sendeschluss war ein Ritual, das immer nach dem gleichen Schema ablief. Nach dem Spätfilm kamen noch einmal Nachrichten, an dessen Ende der Sprecher das Programm für beendet erklärte und den Zuschauern eine gute Nacht wünschte. Anschließend kamen Schrifttafeln mit dem Programm vom nächsten Tag, ein Dia wies auf den Sendeschluss hin und schließlich kam das Testbild. Dies war aber nur kurz zu sehen, dann wurden die Sender komplett abgeschaltet und es rauschte nur noch. Manchmal ersparte man sich sogar das Testbild und schaltete sofort ab. Das alltägliche Sendeschlussritual wurde aber mit der Zeit immer weiter ausgeweitet. Seit 1985 haben ARD und ZDF jede Nacht die Nationalhymne gespielt, was bis zur Auffüllung der Nachtlücke in den Neunzigern beibehalten wurde. Als einziges drittes Programm hat auch das Bayerische Fernsehen die Nationalhymne gespielt und zusätzlich noch die Bayernhymne. Interessanterweise hat das Bayerische Fernsehen dieses Ritual bis heute beibehalten, nur das es heute dort keinen Sendeschluss mehr gibt. Die beiden Hymnen und heute zusätzlich noch die Europahymne sind dort immer vor der “Space Night“ zu hören. In den späten Achtzigern kamen im Ersten noch die “Nachtgedanken“ hinzu und “ Z.E.N“ (“Zuschauen, Entspannen, Nachdenken“) und insgesamt wurde der Sendeschluss im Laufe der Zeit immer weiter nach hinten hinausgeschoben. In den frühen Neunzigern konnte es bei ARD und ZDF schon einmal 2.00 Uhr oder später werden, während die Privatsender teilweise schon rund um die Uhr sendeten.

Als Mitte der Achtziger Jahre die ersten privaten Sender auf deutschen Mattscheiben auftauchten, sendeten auch diese noch nicht rund um die Uhr. Im Gegenteil, RTL plus machte ganz zu Anfang schon um 22.30 Uhr Schluss, weit vor den öffentlich-rechtlichen Sendern. Die ganzen Achtziger hindurch hatten die großen Privaten wie Sat 1, RTL plus, Pro 7 oder dessen Vorläufer Eureka wie selbstverständlich eine Nachtlücke. Es gab nur eine Ausnahme, den Sender Musicbox, aus dem schließlich Tele 5 wurde. Dieser war der erste deutsche Sender, der rund um die Uhr auf Sendung war. Die Rituale zum Sendeschluss waren bei den Privatsendern ähnlich wie bei den öffentlich-rechtlichen, bis auf die Nachrichten. Doch Programmvorschauen gab es auch hier und Sat 1 spielte sogar die Nationalhymne als einziger privater Sender. Doch dann kamen die Neunziger und die Privatsender wurden zu den Pionieren des 24-Stunden-Fernsehens. Bei ARD und ZDF dauerte es noch etwas länger, bis die Nachtlücke geschlossen wurde, die dritten Programme ließen sich teilweise noch mehr Zeit. Gerade dort kamen dann Pseudo-Nachtlückenfüller auf. Südwest 3 hatte etwa das “Non-Stop-Fernsehen“, was nichts weiter war, als eine etwas ausführlichere Programmvorschau in Endlosschleife. Man behauptete zwar, nun rund um die Uhr zu senden, aber ein richtiges Programm war das nicht, was dort nachts abgenudelt wurde. Aber auch Aquarien, Kaminfeuer, Landschaftsaufnahmen oder Bahnfahrten wurden gerne als nächtliche Lückenfüller eingesetzt.

Heute leben wir im Zeitalter des 24-Stunden-Fernsehens, das auch die meisten anderen Länder längst erfasst hat. In Benelux und Skandinavien hat man sich zumindest beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen mit der Schließung der Nachtlücken noch sehr lange Zeit gelassen. Doch interessanterweise gibt es auch im Deutschland des 21. Jahrhundert wieder Sender, die eine Nachtlücke haben, wie z. B. der ZDFtheaterkanal oder auch Pay-TV-Sender wie der National Geographic Channel oder Kinowelt TV. Doch trotz vereinzelter Nachtlücken ist das Testbild in Deutschland leider vollkommen ausgestorben, stattdessen sieht man nutzlose Hinweistafeln. Und selbst wenn die absolute Mehrheit der Sender heute rund um die Uhr auf Sendung ist, besonders berauschend ist das Nachtprogramm, das überwiegend aus Wiederholungen, Call-In oder Teleshopping besteht, meistens nicht. Da stellt man sich doch die Frage, ob manche Sender nicht lieber wieder nachts Sendepause haben sollten. Es kommt einem heute teilweise so vor, als müsste man um jeden Preis das Nachtprogramm auffüllen, egal womit. Vielleicht sorgt ja die Wirtschaftskrise zumindest bei den Privaten wieder für nicht ganz freiwillige Nachtlücken? (jh)