Canale Grande

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Datum: 27.09.2010 | Kategorie: Der Satellitenhimmel über Europa

Jeder, der schon mal durch die unzähligen Sender auf der Hotbird-Position 13° Ost gezappt hat, wird festgestellt haben, dass dort vor allem eine Vielzahl an italienischen Sendern zu empfangen ist. Es ist so eine große Menge, dass man diese gar nicht überschauen kann. Daher wollen wir einmal versuchen, diese Sender grob in Kategorien einzuteilen, was aber auch nicht einfach ist. Am einfachsten ist es noch bei den Sendern der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt RAI. Auch hier fällt auf, dass zu RAI doch recht viele Sender gehören. Neben den drei Hauptsendern betreibt die RAI noch verschiedene Spartensender wie z.B. Rai Sport, Rai Storia u.v.m. Genau wie Deutschland gehört Italien in Europa zu den Ländern mit den meisten öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern. Doch es gibt beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen einen bedeutenden Unterschied. Auf den Hauptsendern wird man zu jeder Tageszeit relativ viel Werbung sehen. Doch manchmal bekommt man auf den RAI-Sendern auch mitten am Tag überhaupt nichts zu sehen außer einem Schwarzbild. Das ist dann der Fall, wenn die Formel 1 übertragen wird oder eine andere Sendung, für die nur Ausstrahlungsrechte für Italien vorliegen. In diesem Fall muss über Satellit nämlich verschlüsselt werden. Das ist besonders ärgerlich für jene, die sich für italienischen Fußball interessieren. Zumindest live bekommt man dort die Spiele über Satellit nicht zu sehen, nur die Zusammenfassungen. Aber wenigstens werden nur die lizenzrechtlich relevanten Sendungen verschlüsselt und der größte Teil des Programms frei ausgestrahlt. Im Gegensatz dazu wird in vielen anderen Ländern Europas das öffentlich-rechtliche Fernsehen komplett verschlüsselt.

Eine weitere wichtige Sendergruppe bilden die Sender des Konzerns Mediaset, der vom Medienzar und mehrfachem Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi geleitet wird. Dazu gehören unter anderem die größten Privatsender Italia 1, Rete 4 und Canale 5. Diese Sender scheinen vom Programm her den großen deutschen Privatsendern zu ähneln, viel Shows, viel Filme, viel Serien, viel Werbung. Auch hier bekommt man als Satellitenzuschauer gelegentlich einen schwarzen Bildschirm zu sehen, wenn mal wieder aus lizenzrechtlichen Gründen verschlüsselt werden muss.

Doch die große Masse machen unzählige kleine Privatsender aus. In Italien ist die Fernsehlandschaft äußerst chaotisch, was wohl damit zu tun hat, dass es bisher so gut wie keine Regulierung gegeben hat und in allen möglichen Teilen des Landes Fernsehsender einfach eröffnet wurden und munter vor sich hin sendeten. Aufwendige Lizenzierungsverfahren wie in Deutschland scheint es dort nicht zu geben. Auffällig ist, dass viele dieser kleinen Privatsender zumindest dem Namen nach einen regionalen Bezug haben. Doch der Anteil an regionaler Berichterstattung ist vielfach nur gering, meistens bekommt man dort tagsüber nur Teleshopping zu sehen. Im Vergleich zum Teleshopping im deutschen Fernsehen fällt auf, dass im italienischen Teleshopping häufig Teppiche oder Wandbilder angepriesen werden. Und wenn es mal kein Teleshopping zu sehen gibt, dann sieht man irgendwelche Wahrsagerinnen oder man bekommt auch am helllichten Tag die Art von Werbung zu sehen, die in Deutschland nur nachts gezeigt werden darf. Da man über Satellit sendet, ist man sich bewusst, auch in anderen Teilen Europas gesehen zu werden, wo auch Italiener leben. Daher sieht man bei mancher Teleshopping- oder Wahrsagersendung auch Telefonnummern für Zuschauer in Deutschland oder der Schweiz eingeblendet.

Es sind aber nicht nur diese tatsächlichen oder vermeintlichen Lokal- und Regionalsender, es gibt eine Unmenge an Privatsendern, die man gar nicht richtig einordnen kann und man gar nicht weiß, wofür diese überhaupt stehen. Die Namen der Sender sagen oftmals nichts über den Inhalt aus, zumindest bekommt man diesen Eindruck beim Durchzappen. In letzter Zeit bekommt man auch immer häufiger Hinweistafeln zu sehen, dass das Programm erst am Abend beginnt oder gar für längere Zeit komplett pausiert. Andererseits wird auf Tafeln der Start eines neuen Senders angekündigt, wobei man aber nicht sicher sein kann, ob dieser Sender jemals starten wird.

Auf den kleinen italienischen Privatsendern läuft tagsüber zwar viel Schrott, aber nicht ausschließlich. Gelegentlich bekommt man auch regionale Sportveranstaltungen wie etwa Fußballspiele vor fast leeren Stadien, aber auch viel Folklore und traditionelle Volksfeste und Prozessionen zu sehen. Dann gibt es auf Hotbird auch noch die verschiedensten italienischen Spartensender. So dreht sich auf Super Tennis alles um den weißen Sport und man bekommt auch viele klassische Tennisspiele zu sehen, während sich der ACM Channel mit Architektur und Kunst beschäftigt. Freunde des Angelsports werden dafür vom Sender Passione Pesca angesprochen. Religiöse Sender gibt es in Italien selbstverständlich auch, es wäre ja auch komisch, wenn es ausgerechnet dort nicht so wäre. Bei den Sendern RTL 102,5 TV und Radio Radio TV handelt sich hingegen um Radiosender mit Bild.

Ordnet man auch die kleinen Privatsender aus Italien in seine Senderliste ein, so wird diese schon ziemlich schnell nicht mehr aktuell sein. Nach einiger Zeit wird man auf vielen Programmplätzen nur noch ein schwarzes Bild sehen, weil der Sender abgeschaltet wurde oder die Frequenz gewechselt hat. Manche haben ihr Programm eingestellt und senden nur noch ein Testbild oder einen Hinweis des Uplink-Betreibers. Es ist ein ständiges Kommen und Gehen, ein stetiges Auf- und Abschalten. Teilweise stimmen auch die eingelesenen Senderkennungen nicht mit dem tatsächlich ausgestrahlten Sender überein. Manche Sender wandern auch auf andere Satelliten ab. Viele dieser kleinen Sender scheinen nicht viel Geld zu haben und müssen daher anscheinend an der Technik und auch an der Datenrate sparen. Die Bildqualität ist oftmals miserabel und der Ton klingt wie aus dem Blecheimer. Außerdem scheint man das Signal teilweise vom analogen Antennensignal abzugreifen. Einmal habe ich auf Telefoggia analoges Rauschen gesehen. Über einen digitalen Satellitenreceiver den guten alten analogen Schnee zu sehen, das hat schon etwas. Ein anderes Mal habe ich auf einem Sender das Menu eines DVD-Players gesehen. So kann man also auch Fernsehen machen, einfach den Ausgang eines DVD-Players über einen Uplink auf den Satelliten schicken und auf diese Art in ganz Europa und dem Orient verbreiten. Solche Pannen haben schon etwas von unfreiwilliger Komik und offenbaren einen Mangel an Professionalität. Aber in Italien bekommt eben auch Garagenfernsehen eine Chance.

Zwischen den öffentlich-rechtlichen und den großen Privatsendern auf der einen Seite und den nicht zu überschauenden kleinen Regional-, Lokal- und Spartensendern auf der anderen Seite liegen Welten, was die Qualität betrifft, sowohl inhaltlich als auch technisch. Doch wer sich wirklich ein paar Mal durch sämtliche italienischen Sender auf Hotbird durchgezappt hat, der wird wahrscheinlich nicht mehr so leichtfertig behaupten, dass in Deutschland das Fernsehen schlecht sei. (jh)