23 Zeilen mit 40 Anschlägen

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Datum: 01.06.2010 | Kategorie: Generation Testbild

Der Videotext mag heutzutage zumindest rein optisch etwas zurückgeblieben wirken, hat er doch immer noch den Charme einer 80er-Jahre-Computergrafik. Aber auch im Internet-Zeitalter ist der Mediendienst noch nicht tot und wird noch fleißig genutzt. In Deutschland feiert der Videotext nun seinen 30. Geburtstag. Die Anfänge des Teletextes, wie er international genannt wird, liegen aber schon 40 Jahre zurück. Damals hatte man sich in Großbritannien gedacht, ein Bild im PAL-Standard hat 625 Zeilen, aber es werden nur 576 davon für die Bildinformationen benötigt. Warum nicht die restlichen Zeilen " man spricht auch von der Austastlücke " für etwas sinnvolles nutzen, etwa zur Übertragung von zusätzlichen Informationen? Die Idee des Teletextes war geboren und bereits 1974 ging man auf der Insel damit regelmäßig auf Sendung. Damals standen auch die technischen Spezifikationen fest, 23 Zeilen mit je 40 Anschlägen und zusätzlich eine Kopf- und Fußzeile. In Deutschland wurde der Teletext, der hier Videotext genannt wurde und noch immer so heißt, erstmals 1977 auf der Internationalen Funkausstellung präsentiert und schließlich ging er 1980 auf Sendung. Nur die Österreicher waren uns mit der Einführung ihres Teletextes ein paar Monate zuvorgekommen. Manche Zeitungsverlage waren damals von der Einführung des Videotextes gar nicht begeistert, da sie ihn als mögliche Konkurrenz betrachteten. Andererseits haben sich aber auch fünf überregionale Tageszeitung an der Erstellung des Videotextes für ARD und ZDF beteiligt, in dem sie hierfür eine Pressevorschau lieferten.

Der Videotext von ARD und ZDF ist genauso alt wie ich, genau genommen sogar ein kleines bisschen älter. Trotzdem hat es noch viele Jahre gedauert, bis ich selber den Videotext erstmals aktiv nutzen konnte. Zwar war mir auch als kleines Kind der Videotext schon ein Begriff, aber das technische Prinzip dahinter kannte ich noch nicht. In den 1980ern hatten wir noch keinen Fernseher mit Videotext-Decoder. Aber trotzdem hat man im laufenden Programm regelmäßig von diesem Mediendienst erfahren. In der ARD kam nämlich immer vor dem nachmittäglichen Programmbeginn die Sendung "Videotext für alle". Das war eine mit Musik unterlegte Zusammenstellung einiger ausgewählter Seiten des Videotext-Angebots von ARD und ZDF. Also wusste ich damals immerhin schon, wie der Videotext aussah. Dass man die einzelnen Seiten über die dreistellige Seitenzahl mit der Fernbedienung anwählen kann, konnte ich mir natürlich nicht vorstellen, denn unsere Fernseher hatten nicht einmal eine Fernbedienung. Wie ich überhaupt erst durch TV-KULT erfahren habe, war es Mitte der 1980er noch üblich, dass der Videotext-Decoder ein externes Modul war, das in das Fernsehgerät eingesetzt werden musste.

In den späten 1980ern ist mir dann erstmals das Prinzip der Nutzung des Videotextes bekannt geworden. Es war im Frühstücksfernsehen von Sat.1, wo der Moderator Wolf-Dieter Hermann " von dem hat man auch schon eine Weile nichts mehr gehört, was macht der eigentlich heute? " an einem Fernseher den Videotext demonstriert hat, in dem er einzelne Seiten aus dem Sat.1-Text aufgerufen hat. Sat.1 war der erste deutsche Privatsender, der 1988 Videotext eingeführt hat. Als wir dann endlich einen Fernseher mit Videotext hatten, war es wohl schon ungefähr 1990. Damals hatte ich den Videotext recht häufig genutzt. Besonders die Quizseiten hatten mir Spaß gemacht, wo man per Tastendruck die Lösung einblenden konnte. Darüber hinaus hatte ich mir alle möglichen Seiten angeschaut. Eine besondere Faszination übten damals die Frequenzlisten der Fernseh- und Radiosender auf den Videotextseiten der öffentlich-rechtlichen Sender auf mich aus, da kam wohl schon der DXer in mir durch. Auch den Wetterbericht hatte ich mir oft angeschaut und viele andere Sachen. Schließlich wären da noch die Videotext-Untertitel zu erwähnen, auf die auch in den frühen 1980ern schon vor den jeweiligen Sendungen mit einer entsprechenden Programmtafel hingewiesen wurden. Auch wenn ich nie schwerhörig war und somit eigentlich nicht zur Zielgruppe gehörte, so hatte es mir früher trotzdem manchmal Spaß gemacht, Filme mit den Videotext-Untertiteln zu schauen. Dabei war mir aufgefallen, dass die Untertitel nicht immer dem Wortlaut entsprachen. Dann gab es auch noch diese Testseite, die ich früher faszinierend fand, ähnlich wie das Testbild. Kürzlich habe ich noch einmal nachgeschaut und es gibt die Testseite auch heute noch, etwa im ARD-Text auf Seite 199.

Aber kommen wir noch einmal zurück zu "Videotext für alle" in der ARD. Das Prinzip, Programmlücken mit einer Auswahl aus Videotext-Tafeln zu füllen, wurde auch in anderen Sendern auch noch in den 1990ern genutzt. In Zeiten, wo viele Sender noch nicht rund um die Uhr sendeten, aber das Testbild schon verpönt war, strahlte man Videotext aus. Jedoch nicht immer in der original pixeligen Computergrafik, sondern in einer für das Fernsehen aufbereiteten Form. Das Bayerische Fernsehen und 3Sat haben auf diese Art ihren Videotext-Dienst in der programmfreien Zeit gesendet. Im SR Fernsehen habe ich sogar noch vor einigen Jahren, es war wohl 2004, nachts den Saartext im Programm gesehen, zur gleichen Zeit, als in den Schwesterprogrammen des SWR "Leute Night" lief.

Welche Rolle spielt der Videotext aber heutzutage noch? Wirkt dieser Mediendienst mit einem begrenzten Angebot an Seiten und stark eingeschränkten grafischen Gestaltungsmöglichkeiten in der multimedialen Internet-"ra und im Zeitalter des digitalen Fernsehens nicht schon anachronistisch? Keineswegs! Auch heute noch nutzen Millionen von Zuschauern regelmäßig den Videotext. Ich nutze ihn auch noch, allerdings längst nicht mehr so umfangreich wie in den 1990er Jahren. Aber sogar das digitale Fernsehen profitiert vom Videotext. So sind die Untertitel, die man mit einem Digitalreceiver aufrufen kann, häufig die Videotext-Untertitel. Man kann sogar die Videotext-Untertitel, wenn diese vom Receiver mit aufgezeichnet werden, als einblendbare Untertitel auf DVD brennen. Die kostenlosen Programme Project X und IfoEdit machen es möglich.

Der Videotext mag heute so aussehen, als sei er in die Jahre gekommen, aber er ist nicht totzukriegen. Irgendwie ist diese 80er-Jahre-Retro-Grafik heute schon wieder kultig, auch wenn moderne Geräte zumindest die Zeichen im Videotext viel runder und flüssiger darstellen können und nicht mehr so verpixelt wie früher. (jh)