Die Sendermacher

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Datum: 16.05.2010 | Kategorie: Unendliche Weiten der Medienwelt

Viele Fernsehzuschauer in Deutschland sind unzufrieden mit dem Programm der großen Privatsender. Man muss sich nur einmal in Internetforen rund um das Thema Fernsehen umschauen, dort tun viele Zuschauer ihre Abneigung gegen die großen Privaten kund. Der von Harald Schmidt geprägte Begriff "Unterschichtenfernsehen" gehört inzwischen bei vielen Zuschauern zum alltäglichen Vokabular. Aber das gehört eher noch zu den harmlosen Titulierungen, für viele Zuschauer sind die großen Privaten einfach nur Schrott und dienen nur noch zur systematischen Verblödung. Viele entnervte Zuschauer rühmen sich gar damit, diese Privatsender entweder in der Programmliste weit hinten oder sogar komplett aus der Liste gelöscht zu haben. Bei so häufig offen geäußerter Unzufriedenheit, teilweise artet es fast schon in Hass aus, muss man sich eigentlich wundern, wie die hohen Zuschauerzahlen bei diesen Sendern zustande kommen. Was man den großen Privatsendern vor allem vorwirft, und zwar völlig zu Recht, ist deren Einfallslosigkeit und anscheinende Konzeptlosigkeit bei der Programmgestaltung. Man schaut dort nur noch auf die Quoten und dabei scheinen die Inhalte sowie Anspruch kaum noch eine Rolle zu spielen. Formate werden nur noch kopiert und bis zum Gehtnichtmehr in die Länge gezogen, es fehlt wohl der Mut zu Innovationen und zum Experimentieren. Oder man könnte auch sagen, da es sich schließlich um privatwirtschaftliche Unternehmen handelt, es mangelt an Unternehmergeist.

Es wäre aber unfair, das gesamte Privatfernsehen pauschal zu verurteilen und undifferenziert als "Primatenfernsehen" zu diffamieren, bloß weil ausgerechnet die größten, etablierten Privatsender nicht mehr zu wissen scheinen, wie man gutes Programm macht. Es gibt nämlich auch Privatsender, die anscheinend wirklich Wert darauf legen, den Zuschauern ein ansprechendes und abwechslungsreiches Programm zu bieten. Ich spreche hierbei aber nicht vom Pay-TV, wo auch nicht immer alles Gold ist, was glänzt, ich meine schon das freie Privatfernsehen. Als Beispiel möchte ich den österreichischen Sender Servus TV nennen. Hinter dem Sender steckt Dietrich Mateschitz, ein milliardenschwerer Geschäftsmann, dem unter anderem eine Firma gehört, die einen Energy-Drink vermarktet, der Flügel verleiht. Ursprünglich gehörte Mateschitz der Regionalsender Salzburg TV, den er jedoch unter dem Namen Servus TV zu einem richtigen Vollprogramm ausbaute, das diese Bezeichnung auch verdient. Dieser Sender bietet wirklich ein breites Programmspektrum, von Filmen und Dokumentationen über Sport bis hin zur Musik. Hier scheint die Programmgestaltung wirklich durchdacht zu sein und die Programmacher scheinen mit Leib und Seele dahinter zu stehen, auch wenn hier gewisse Programminhalte etwas mehr im Vordergrund stehen als andere. Insbesondere beim Sport fällt auf, dass wohl vor allem die Sportereignisse bevorzugt gezeigt werden, wo der bereits erwähnte Energy-Drink als Veranstalter auftaucht. Aber was hier wirklich zählt, ist, dass es den Machern wirklich um Inhalte zu gehen scheint und den Zuschauern nicht ewig der gleiche kalte Kaffee vorgesetzt wird wie bei den großen Privaten. Es mag wohl damit zu tun haben, dass ein schwer reicher Geschäftsmann hinter dem Sender steht, der wohl einfach Interesse daran hat, einen Fernsehsender zu betreiben. Bei den etablierten großen Sendern findet man einen solchen Idealismus nicht, dort möchte man nur noch Kasse machen, auch zu Lasten des Zuschauers, wie man an den Verschlüsselungsplänen gut erkennen kann. Die Besonderheit von Servus TV ist aber, dass das Programm auch im hochauflösenden HDTV-Format ausgestrahlt wird, und zwar unverschlüsselt. Wenigstens über Satellit, denn einige deutschen Kabelnetzbetreiber enthalten dem Zuschauer diesen unverschlüsselten HDTV-Sender entweder ganz vor oder verschlüsseln diesen künstlich und ermöglichen den Empfang nur mit einem Zwangsreceiver. Gegen die Zuschauerunfreundlichkeit deutscher Kabelkonzerne sind leider auch idealistische Programmveranstalter machtlos. Wenigstens kann man den Sender im deutschen Kabel überwiegend in herkömmlicher Auflösung sehen.

Wo wir gerade beim Thema HDTV sind, möchte ich natürlich auch den ersten deutschen, frei empfangbaren privaten Sender mit hochauflösendem Programm erwähnen, nämlich Anixe HD. Aber obwohl Anixe HD schon einige Jahre in HDTV auf Sendung ist, habe ich selbst noch nie etwas hochauflösendes auf diesem Sender sehen können. Und wer ist wieder einmal daran schuld? Ja klar, es kann nur einen geben, der Kabelnetzbetreiber! Immerhin ist aber auch bei mir im Kabel der Empfang in SD-Auflösung möglich. Bemerkenswert ist, dass ein Privatsender seit 2006 ununterbrochen in HDTV auf Sendung ist, während ARD und ZDF erst seit Anfang dieses Jahres in den HDTV-Regelbetrieb gegangen sind. Auch Anixe HD (bzw. Anixe SD) ist inzwischen ein richtiges Vollprogramm geworden. Anfangs gab es überwiegend nur Filme und Serien zu sehen, von denen viele auch häufig wiederholt wurden. Aber nun gehören dort auch Sportereignisse und Dokumentationen zum Programmspektrum. Aber der Clou ist, dass es dort keine Werbeunterbrechungen gibt. Ein deutscher, frei empfangbarer Privatsender ohne Werbeunterbrechungen während einer Sendung, dass es so etwas überhaupt gibt! Zu schön, um wahr zu sein. Ohne Werbung kommt der Sender aber nicht aus und leider auch nicht ohne Teleshopping. Auffällig ist die häufige Eigenwerbung für den sendereigenen Blu-Ray-Shop sowie Werbung für bestimmte Sat-Receiver. Da man anscheinend ein vollwertiges Vollprogramm sein möchte, zeigt man dort seit einiger Zeit sogar eine Nachrichtensendung oder wenigstens so etwas in der Art. Es ist fraglich, ob man wirklich von einer Nachrichtensendung sprechen kann, wenn man nur sieht, wie eine Moderatorin aus einer Zeitung angestrichene Artikel einfach nur vorliest. Als ich diese Nachrichten zum ersten Mal durch Zufall gesehen habe, traute ich meinen Augen nicht, so etwas bezeichnen die als Nachrichten? Aber Schwamm drüber, den Ausrutscher mit den Nachrichten kann man den Machern von Anixe wirklich verzeihen. Der Sender scheint sich für sein Publikum ansonsten mächtig ins Zeug zu legen, denn immerhin werden in den eigenen Studios ältere Filme neu abgetastet, so dass sie in HDTV-Auflösung ausgestrahlt werden können.

Wenn man sich einmal anschaut, wer hinter Anixe HD steckt, dann erkennt man gewisse Parallelen zu Servus TV. Gegründet wurde der Sender vom Geschäftsmann Emmanouil Lapidakis, einem früheren Betreiber von Internet-Unternehmen. Lapidakis steckte einen beträchtlichen Teil seines privaten Vermögens in diesen Sender und verkaufte hierfür sogar seine Internet-Unternehmen. Und das ist noch nicht alles, Anixe ist nicht nur ein Fernsehsender, es ist auch eine Produktionsfirma für hochauflösendes Video.

Ist das die Lösung, um den Zuschauern mehr ansprechendes Privatfernsehen zu bieten? Sollten die privaten Sender nicht von Medienkonzernen betrieben werden, die in den Zuschauern nur nützliche Idioten sehen, die Marktanteile beschaffen und die am besten auch noch für schlechtes Programm zahlen sollen, sondern stattdessen von reichen Geschäftsleuten, die eben nicht aus der Medienbranche stammen und mit ihrem Vermögen ihren eigenen Fernsehsender betreiben können? Wäre das Privatfernsehen insgesamt besser, wenn mehr Multimillionäre ihren Traum vom eigenen Fernsehsender in die Tat umsetzen würden? Eine Garantie dafür kann es nicht geben, aber man kann nicht abstreiten, dass hierzu ein gewisser Idealismus notwendig ist, den man bei den großen Medienkonzernen vergeblich suchen wird. Ob es den Zuschauern gefällt, ist schließlich Geschmackssache. Ob einem das Programm zusagt oder nicht, der gute Wille der Programmacher zählt, aber bei vielen etablierten Sendern scheint dieser Wille nicht mehr vorhanden zu sein.

Nun gibt es im privaten Fernsehen ja nicht nur Vollprogramme, sondern eine große Zahl an Spartensendern aller Art. Aber alleine die Tatsache, dass man ein Programm für eine gewisse Zielgruppe oder zu einem gewissen Zweck veranstaltet, bedeutet noch lange nicht, dass dort Enthusiasten am Werk sein müssen. Insbesondere den zahlreichen Shoppingkanälen sowie den Kanälen, die ihren Gewinn mit Quiz-Abzocke oder Telefonsex erwirtschaften, spreche ich jeglichen Idealismus ab, dort geht es nur ums Kasse machen. Dann gibt es aber Sender, die eine gewisse Idee verfolgen, wie etwa Bibel TV. Ob man sich von diesem Sender nun angesprochen fühlt oder nicht, man muss anerkennen, dass der Sendebetrieb überwiegend durch Spenden finanziert wird und Werbung eine stark untergeordnete Rolle spielt. Auch hier werden die Macher durch ihren Idealismus angetrieben und verfolgen anscheinend keine kommerziellen Absichten. Oder nehmen wir als weiteres Beispiel den vom ehemaligen Viva-Moderator Mola Adebisi gegründeten Musiksender iMusic 1. Zwar ist dies ein kommerzieller Sender, der sich aber von den etablierten Musiksendern dadurch abhebt, dass dort wirklich die meiste Zeit auch Musik zu sehen ist. Außerdem zeigt dieser Sender, dass Musikfernsehen auch abwechslungsreich sein kann und nicht auf penetrante Klingeltonwerbung angewiesen ist. Der Sender erinnert ein bisschen an das alte Viva Mitte der 1990er Jahre. Nicht ganz so eindeutig ist der Fall beim inzwischen eingestellten Sender Tier TV. Einerseits wurden dort auch Themen wie Tierschutz und Tierrechte angesprochen, aber andererseits bekam man dort auch Astro-Shows für Tiere zu sehen, was nicht gerade für Seriosität spricht. Auch die Tierliteratursendung mit Kader Loth gehört wohl nicht zu den intellektuellen Höhepunkten des deutschen Fernsehens. Es ließen sich bestimmt noch weitere Sender als Beispiele nennen, die mehr oder weniger durch Idealismus motiviert sind, genauso wie es unzählige Sender gibt, welche die Zuschauer entweder nur abkassieren oder auch manipulieren wollen. Gerade über Satellit senden viele fragwürdige Sektensender.

Ich möchte aber behaupten, dass man einen Privatsender als Zuschauer schnell durchschaut hat, wenn man nur die Augen offen hält. Ob ein Sender wirklich Programm für die Zuschauer macht oder die Zuschauer nur als Einschalt- oder Zahlvieh betrachtet, ist in vielen Fällen leicht ersichtlich. Eigentlich sollte der Zuschauer die Macht haben, mit der Fernbedienung abzustimmen. Dennoch erreichen gerade die Sender, bei denen Enthusiasmus und Idealismus die Programmgestaltung bestimmen, leider nicht viele Zuschauer. Hierfür sind aber vermutlich deren geringe technische Reichweite und deren geringer Bekanntheitsgrad verantwortlich. Auch die schleichend vorangehende Digitalisierung der Fernsehhaushalte verhindert den Zugang zu vielen Zuschauern. Umgekehrt gilt natürlich auch, dass hohe Einschaltquoten bei etablierten Sendern nicht für Qualität sprechen müssen. Ebenso wenig bedeuten hohe Marktanteile, dass eine Sendung bei weiten Teilen der Bevölkerung populär sein muss. Wenn eine Sendung 20% Marktanteil hat, bedeutet das immer noch, das 80% etwas anderes schauen. (jh)