So erfrischend illegal - TV-Piraten

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Datum: 08.05.2010 | Kategorie: Unendliche Weiten der Medienwelt

Wer den Film "Piratensender Powerplay" kennt, der weiß, dass dort Mike und Tommy nicht nur mit ihrem mobilen Radiosender dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk Dampf machen. Ganz zum Schluss sind sie mit einem Fernsehpiratensender auf Sendung, direkt nach dem Sendeschluss des ZDF, und zeigen dort ihren eigenen Film. Gut, das ist nur ein Film, aber es hat auch in Wirklichkeit Fernsehpiraten gegeben und es gibt sie bestimmt immer noch. Schon vor mehreren Jahrzehnten ging ein recht populärer Fernsehpiratensender auf Sendung und revolutionierte in seinem Land sogar das Fernsehwesen. Dieses Land war und ist seit je her das Paradies für unlizenzierte Rundfunksender, egal ob im Radio oder im Fernsehen, gemeint sind natürlich die Niederlande. Hier sind Piratensender ein fester Bestandteil der Alltagskultur. Nachdem dort vom Meer aus seit den frühen sechziger Jahren "Radio Veronica" frischen Wind in die Radiolandschaft brachte, ging einige Jahre später "TV Noordzee" als angeblich erster Fernsehpiratensender der Welt auf Sendung. Der Begriff "Piratensender" kommt übrigens daher, weil die ersten Sender dieser Art von einem Schiff aus gesendet haben. Im Falle von"TV Noordzee", der 1964 erstmals über den "ther ging, war es eine künstliche Insel. Damals bekamen die Niederländer erstmals überhaupt Fernsehwerbung zu sehen, diese war zu dieser Zeit im öffentlich-rechtlichen Fernsehen noch verboten. Der Betrieb des Piratensenders war recht aufwendig, denn alles nötige musste per Hubschrauber auf die Sendeinsel gebracht werden, auch die Ansagerinnen! Aber der Sender wurde zu einem Erfolg und konnte sich vor Werbekunden kaum retten. Viele Zuschauer schafften sich sogar eigens eine zusätzliche Antenne an, um den Sender empfangen zu können.

Bleiben wir in den Niederlanden, wo in den siebziger und achtziger Jahren vielerorts Fernsehpiraten zu sehen waren, mit ganz unterschiedlichen Inhalten und unterschiedlichen Motivationen. So gab es beispielsweise politische Fernsehpiraten aus der Amsterdamer Hausbesetzerszene. Andere Sender hatten ein unterhaltungsorientiertes Programm und zeigten Spielfilme, darunter auch Pornos. Auch diese illegalen Fernsehsender finanzierten sich durch Werbeeinnahmen, die politischen Untergrundsender natürlich eher durch Spenden. Manche Sender machten sogar ein recht gutes Geschäft damit. Mit Hilfe eines technischen Tricks konnten die TV-Piraten viele Zuschauer erreichen. Zu dieser Zeit war in den Niederlanden der Kabelanschluss schon recht weit verbreitet. Andererseits sendeten weder die niederländischen noch die ebenfalls in die Kabelnetze eingespeisten deutschen Fernsehsender rund um die Uhr. Man nutzte also die Nachtlücken der legalen Sender aus und belegte deren Frequenz im Kabelnetz. Dies erreichte man, in dem man in der Nähe der Kabelkopfstation, wo die legalen Sender per Antenne empfangen und auf die Kabelfrequenzen umgesetzt wurden, einfach den Sendeschluss eines Senders abwartete und danach auf dessen terrestrischer Frequenz in Richtung der Empfangsantennen der Kopfstation sendete. Dafür benötigte man nicht einmal hohe Sendeleistungen, um in ganzen Großstädten im Kabelfernsehen empfangbar zu sein. Die Sendezeiten wurden sogar offen in den lokalen Zeitungen angekündigt. Natürlich waren und sind auch in den Niederlanden Piratensender sowohl im Radio als auch im Fernsehen verboten, jedoch sah man dies dort von offizieller Seite häufig recht gelassen.

In Deutschland war die Piratensenderszene bei weitem nicht so ausgeprägt wie in den benachbarten Niederlanden, aber auch hierzulande gab es sogar mal einen Fernsehpiratensender. Genauer gesagt in Leipzig im Jahre 1990, kurz vor dem Zusammenbruch der DDR, der Sender nannte sich "Kanal X". Man benutzte einen gewöhnlichen Videorecorder als Sender, an dessen UHF-Modulator man einen Antennenverstärker und eine Antenne anschloss. Laut den Veranstaltern von "Kanal X", die keine kommerziellen Interessen verfolgten, stieß ihr Programm durchaus auf eine gewisse Resonanz. Vor allem andere Medien berichteten über die Initiative einiger Künstler, die mit diesem Sender der Bürgerbewegung eine Plattform bieten wollten. Neben der ARD interessierte sich sogar das japanische Fernsehen für "Kanal X". Neben ihrem selbst produziertem Programm mit selbst gebauter Technik wurde zeitweise auch das Programm von CNN übernommen. Nach der Wiedervereinigung versuchte man, eine offizielle Sendelizenz zu erhalten, um legal auf Sendung gehen zu können, was jedoch nicht gelang. Anfang 1991 verschwand "Kanal X" schließlich aus dem "ther.

Zur Zeiten des Kalten Krieges gab es auch in den Ostblockstaaten einige politisch motivierte Aktivitäten von Piratenfernsehsendern. So gab es 1968 zur Zeit des Einmarsches der Warschauer-Pakt-Staaten in Prag einen systemkritischen TV-Piraten, der mehrere Monate in Betrieb war. Die Solidarnosc in Polen betrieb ebenfalls einen illegalen Fernsehsender. Auch aus Rumänien und Litauen sind derartige Aktivitäten bekannt.

Es gibt also verschiedene Möglichkeiten, einen Fernsehpiratensender zu betreiben. Man kann einen Videorecorder oder einen HF-Modulator mit Antennenverstärkern und Antennen zu einem kleinen Sender umfunktionieren, wird aber keine große Reichweiten damit erzielen können, abgesehen von möglichen Störungen durch Oberwellen. Geschickter haben es da schon die niederländischen TV-Piraten der 70er und 80er angestellt, die ihre Programme gezielt über die Kopfstationen in die Kabelnetze eingeschmuggelt haben. Man könnte auch professionelle Sendetechnik verwenden, was aber ein teures Vergnügen werden würde. Wenn man aber richtig große Reichweiten erzielen will und gleich in mehreren Ländern oder einem ganzen Kontinent als Pirat empfangbar sein will, muss man sein Piratenprogramm auf einen Satelliten befördern. Das ist allerdings die größte technische Herausforderung, denn normalerweise benötigt man für einen Satelliten-Uplink einen riesigen Parabolspiegel, der fast zehn Meter Durchmesser hat. Und dennoch hat es auch einzelne Fälle von Satellitenpiraterie gegen. Beispielsweise hat in den 80ern ein Amerikaner, der sich über die hohen Abo-Gebühren des Pay-TV-Senders HBO ärgerte und Zugang zu solch einer Uplink-Antenne hatte, das Satellitensignal des Senders mit einer entsprechenden Textbotschaft überlagerte. Diese Sabotage-Aktion hatte ein saftiges Bußgeld zur Folge. Ansonsten gibt es auch in der heutigen Zeit noch häufiger Fälle, wo gezielt Satellitenausstrahlungen gestört werden. In der letzten Zeit kam es vor allem im Iran zu derartigen Aktionen, um dem iranischen Volk den Empfang unabhängiger Berichterstattungen über das dortige Regime zu erschweren. Man bezeichnet solche Störmaßnahmen auch als "Jamming".

In bestimmten Fällen könnte es aber auch mit geringeren Aufwand möglich sein, einen Fernsehpiratensender über Satellit auszustrahlen. Nämlich dann, wenn das Fernsehsignal für den Satelliten-Uplink analog terrestrisch zugeführt wird. Dann müsste man nur in unmittelbarer Nähe des Uplinks die entsprechende Frequenz besetzen und schon wird man zum Satellitenpiraten. Zumindest ein deutscher Radiopirat hat auf diese Art einmal ein einstündiges Programm über Astra europaweit ausstrahlen können. Eine vergleichbare Aktion eines Fernsehpiraten ist mir jedoch nicht bekannt. Doch auch im heutigen digitalen Satellitenzeitalter soll es immer noch Sender geben, die einfach ein analoges Antennensignal digitalisieren und auf den Satelliten schicken. Eine solche Aktion bedeutet aber auch, dass ein bestehendes Programm überlagert wird, was eigentlich gegen den Ehrenkodex der Piratenszene verstößt. Wenigstens unter den professionellen Radiopiraten achtet man darauf, dass legale Sender nicht gestört werden. Auch von Satellitenfernsehpiraten war bekannt, dass diese freie Transponder belegt und somit auch niemanden gestört haben. Schließlich haben die früheren niederländischen Kabelfernsehpiraten ja auch erst nach Sendeschluss der legalen Stationen deren Frequenz gekapert und diesen daher nicht geschadet.

Aus technischen Gründen lohnt sich der Betrieb eines Fernsehpiratensenders nur im analogen Standard, da eine digitale Ausstrahlung aufwendige und teure Technik erfordern würde. Deshalb hat in Ländern, wo das Antennenfernsehen bereits weitgehend oder vollständig digitalisiert wurde, Piratenfernsehen keinen Sinn mehr. Man würde auf diese Weise dort keine Zuschauer mehr erreichen können. Aber in manchen Ländern wird heute noch häufig die analoge Terrestrik genutzt. In Griechenland zum Beispiel, wo angeblich auch viele Fernsehpiraten im Betrieb sind. In Italien soll es angeblich nicht viel anders sein, dort herrscht sowieso sowohl im Radio als auch im Fernsehen ein großes Chaos im terrestrischen Bereich.

Doch in Deutschland, Österreich oder der Schweiz und auch in den Niederlanden ist es in der heutigen Zeit praktisch sinnlos geworden, noch einen Fernsehpiratensender zu betreiben. Das Antennenfernsehen ist dort bereits digitalisiert und sowieso nur noch von untergeordneter Bedeutung, terrestrischer Empfang scheidet also schon mal aus. Auch in das Kabel hereinzukommen, kann man weitgehend vergessen. Zwar wird über Kabel noch viel analog geschaut, jedoch werden die Signale in der Regel nicht mehr analog terrestrisch in den Kopfstationen empfangen (wie auch!), man kann die Kabelnetze also gar nicht mehr anzapfen. Abgesehen davon gibt es heute auch praktisch keine Nachtlücken mehr. Piraten über Satellit haben, wie bereits erwähnt, sowieso nie eine nennenswerte Rolle gespielt. Dafür kann man heute als Hobbyfernsehmacher legal über einen sogenannten "Offenen Kanal" ins Fernsehen kommen und wäre dann zumindest in lokalen Kabelnetzen zu sehen, wenn auch wahrscheinlich kaum jemand diese Sender einschaltet.

Jedoch könnte man in der heutigen Zeit einen Internet-Fernsehpiratensender betreiben, was aber auch eine entsprechende technische Ausstattung und Infrastruktur erfordern würde, die nicht überall vorhanden ist. Vielerorts gibt es schließlich keine schnellen Breitbandanbindungen, über die man ein Videosignal in guter Qualität verbreiten könnte. Aber auch für Internetfernsehen benötigt man meines Wissens nach zumindest in Deutschland eine gültige Sendelizenz. Doch ab wann wird ein Videostream eigentlich zum Internetfernsehen? Wann wird man im Internet zum Piraten? Kritisch und ggf. sehr teuer könnte es dann werden, wenn man über diesen Internet-Piratensender urheberrechtlich geschütztes Material verbreitet und dabei erwischt wird. Der Piratenfernsehsender wäre zwar theoretisch weltweit zu sehen, doch ist dann auch die Gefahr entsprechend größer, von den falschen Leuten entdeckt zu werden.

Die Fernsehpiraten hatten nie die gleiche Bedeutung wie Radiopiraten und der technische Fortschritt hat den Fernsehpiraten heute zumindest in Mitteleuropa faktisch die Grundlage entzogen. Abgesehen davon würden Fernsehpiraten bei der heutigen Anzahl von Fernsehsendern kaum noch auffallen. Aber weltweit betrachtet wird es wohl noch eine Weile den einen oder anderen Fernsehpiraten geben, auch wenn darüber im Gegensatz zur Radiopiraterie sehr wenig bekannt ist. (jh)