Ich habe die BluRay gestern erhalten und geguckt, hier mal ein paar Eindrücke zur Edition.
Das wichtigste zuerst: die Bildqualität ist sehr gut, mit ein paar wenigen immer noch vorhandenen Filmbeschädigungen kann man angesichts eines 105 Jahre alten Films ziemlich gut leben. Eher weniger begeistert war ich von der musiklaischen Seite: der neu produzierte Soundtrack von Julian Gramm ist in einem leicht jazz-rockigen, aber zum Glück nur zurückhaltend 'experimentellem' Stil gehalten. Es nervt also nicht, aber hat mir trotzdem nichts gesagt und hilft meiner Ansicht nach dem Film nicht weiter.
Also hab' ich nach einer Viertelstunde umgeschaltet auf den Piano-Soundtrack. Das Problem hier ist bloß, daß es sich offenbar nicht um einen Soundtrack im eigentlichen Sinne handelt, sondern anscheinend um GEMA-freie Musik eines gewissen Jochen Schlierkamp, die ziemlich sicher nicht speziell für diesen Film komponiert wurde, was man leider auch hört. Das ist zumeist banales Piano-Gedudel mit 'Wellness'-Charakter, das offenbar auf 'gut Glück' an den Film angelegt wurde, weswegen dann an manchen Stellen völlig unpassend über Sequenzen hinweg weitergespielt wird und an Stellen, die definitiv Musik bräuchten, plötzlich Stille herrscht, eben weil da zufällig das Stück zu Ende ist. An einer Stelle wird dagegen mitten im Stück einfach abgeschnitten, weil die Produzenten wohl selbst gemerkt haben, daß da jetzt dringend eine andere Stimmung her mußte. Da hilft es auch nicht, daß man da an ein paar Stellen den Klang von Pistolenschüssen hineingemischt hat, weil die eben dann gerade im Film passieren.
Wenn man den eigentlichen Soundtrack von Julian Gramm mag, ist das natürlich kein Kritikpunkt. Ich hätte mir aber dennoch gerade bei einem solchen Premium-Produkt (wenn man den Verkaufspreis betrachtet!) einen 'echten' zweiten Soundtrack gewünscht. Oder eben nur einen Soundtrack, bei dem man dann aber einen echten Stummfilmspezialisten wie Stephen Horne oder Richard Siedhoff an Bord geholt hätte. So bleibt wohl als beste Option der 'dritte Soundtrack': nämlich ganz ohne Ton (kann man dankenswerter Weise auswählen).
Was die Extras angeht: der Audiokommentar ist eher eine angeregte, durchaus kenntnisreiche und informative Diskussion unter Filmfans. Nicht schlecht, wenn auch kein Vergleich mit so gut durchgearbeiteten Kommentaren wie etwa von David Kalat auf diversen Masters of Cinema-Stummfilm-Veröffentlichungen. Ähnliches gilt für die beiden Essays im Booklet. Die sind zwar durchaus informativ, bieten aber für Stummfilmfans wenig Neues: eine Analyse des Films im engeren Sinne sucht man in beiden Essays vergeblich. Stattdessen sind sie etwas von fanmäßigem Eigen-Enthusiasmus getragen. Da wird von dieser Veröffentlichung gesagt : "Angesichts des leider weiterhin äußerst überschaubaren Interesses der Öffentlichkeit an Filmen aus der Zeit vor Caligari ist dies [diese Blu Ray] geradezu eine Pioniertat". Im anderen Essay wird nochmal darauf hingewiesen, daß es ein Verdienst ist, "dass ein kleines Label wie OSTALGICA den Mut aufbrachte, es [d.h. dieses Filmwerk] dem Vergessen zu entreißen".
Das stimmt ja auch, aber sollte man das Lob nicht lieber dem Publikum überlassen? Und die Rede von der Pioniertat, was deutsche Filme vor Caligari angeht, ist auch ziemlich zweifelhaft. Ein Blick auf die Webseite von edition filmmuseum dürfte ausreichen, um sich vom Gegenteil zu überzeugen.
Also, ich hoffe, daß das jetzt nicht viel zu negativ herüberkommt, denn in der Tat ist das natürlich eine sehr verdienstvolle und absolut anschaffenswerte Veröffentlichung. Aber gerade weil es die erste Veröffentlichung in einer neuen Reihe ist, denke ich, daß man auch ein wenig Kritik üben kann, damit die nächsten Releases eben vielleicht noch besser werden können. Zumindest bei "Die Pest in Florenz" sollte es keine Soundtrack-Probleme geben: die Musik, die bei der arte-Ausstrahlung benutzt wurde, liegt ja vor und ist recht passend, wenn ich mich recht erinnere.