Die Retrospektive der diesjährigen Berlinale widmet sich nicht etwa der jetzt 80 Jahre zurückliegenden Machtergreifung der Nationalsozialisten, sondern den Traditionen des Weimarer Kinos. Die Pressemitteilung beschreibt den Grundgedanken dieser Retrospektive wie folgt:
ZitatDie Blütezeit des Weimarer Kinos ist nicht zuletzt der Demokratisierung von Gesellschaft und Kunst zwischen 1918 und 1933 zu verdanken. Das Weimarer Kino ist eines der Vielfalt – erprobte Erzählformen und stilistische Experimentierlust kennzeichnen es gleichermaßen. Es behandelt die soziale Not in den Städten und den subversiven Rollentausch der Geschlechter, kennt Slapstick und Wortwitz, Lachen und Schaudern. Aus der Spannung zwischen Gegensätzen bezog es seine schöpferische Dynamik. Zugleich profitierte das Weimarer Kino schon früh vom internationalen Austausch und den Aktivitäten deutscher
Filmschaffender im Ausland.
http://www.berlinale.de/de/pre…le/Alle-Detail_15508.html
Dass der erste Satz Schwachsinn ist, wird jeder einsehen, der einen Seitenblick auf die künstlerische Qualität des sowjetrussischen Kinos jener Jahre wirft. Dort waren gewalttätige Ausschreitungen und soziale Umwälzungen an der Tagesordnung, Massaker der "Roten" an den "Weißen" und umgekehrt - und trotzdem blühte die russische Filmkunst wie nie zuvor.
Aber wir müssen natürlich alle Lobhudeleien über das Weimarer Kino immer als Bezugnahme auf das Dritte Reich lesen. Deswegen wird das Weimarer Kino so gerne gleichgesetzt mit expressionistischer Filmkunst - an die Flut peinlicher früher Tonfilme, mit der diese Filmära in Deutschland zu Ende ging, möchte man sich lieber nicht erinnern!
Als Namen für die diesjährige Retrospektive hat man, ganz dem internationalen Trend folgend, keinen deutschen, sondern einen englischen gewählt - The Weimar Touch! ... Ist das geil? - Das ist geil.