Russlandfeldzug

  • Alte Briefe zu lesen ist wirklich eine spannende Angelegenheit. Ich mach das immer so, dass ich vorab die Briefe aus einer Quelle chronologisch sortiere und dann nacheinander lese. So bekommt man einen guten Einblick in die damalige Zeit und mit Hilfe des Internets kann man wunderbar sich die Hintergrunddaten beschaffen, um die Zusammenhänge zu verstehen.


    Das Thema Russlandfeldzug ist dabei eine besonders grausame Angelegenheit. Ich habe heute zwei neue Zitate (beide vom 4. August 1941) ins Netz gestellt, die die Grausamkeiten und die damalige Situation gut darlegen: http://www.geschriebene-geschi…45/1939-1945-russland.htm


    Insgesamt wird durch die vielen unterschiedlichen und jeweils wichtigen Kernaussagen in dieser Rubrik ein immer deutlicheres und absolut authentisches (soweit man berücksichtigt, dass die Briefe sicher manchmal beschönigend geschrieben sind, um seine Familie nicht zu beunruhigen, aber bisher wirken die "harmlosen" Texte, die veröffentlicht wurden, recht plausibel - nicht jeder war direkt an der Front und in umkämpften Gebieten // auch zu berücksichtigen ist, dass die Texte alle von Deutschen stammen, von daher hat man hier an manchen Stellen auch eine gewisse einseitige Betrachtungsweise) Bild auf die damalige Situation in Russland gegeben, fast frei von subjektiven Färbungen, wie man es leider immer wieder in starker ausprägung vorgesetzt bekommt.


    In der Hinterhand habe ich noch zahlreiche weitere Zitate, die in Zukunft für ein noch ausführlicheres Gesamtbild sorgen werden. Man sieht an den Texten sehr gut, wie individuell die einzelnen Erfahrungen der Leute vor Ort waren. Aber auch wie grausam die Realität an vielen stellen war und wie es dazu kommen konnte, dass der Russlandfeldzug zum Vernichtungskrieg wurde. Leider wurde das durch das jeweils immer härtere Durchgreifen der jeweiligen Befehlshaber weiter angeheizt. Denen ging es aber natürlich nicht um Einzelschicksale, sondern darum, eine Entscheidung im Kriegsverlauf hervorzurufen. Wirklich spannend, was da alles dahinter steckte.


    Man muss ja auch bedenken, dass der Russlandfeldzug eines der prägensten Kriege seit Napoleon war. Hätte Russland Europa überrant, wäre ggf. heute ganz Europa kommunistisch. So konnte das Deutsche Reich Russland spürbar schwächen. Hätte das Deutsche Reich sich auf den Westen konzentriert und nicht auf Russland, hätte unter Umständen Russland irgendwann zugeschlagen und die Schwächung der westlichen Staaten genutzt. Ein Frieden war nach den Sieg gegen Polen und gegen Frankreich leider nicht durchzusetzen. Und selbst wenn es zu einer Einigung mit England gekommen und ein vorläufiger Frieden geschaffen worden wäre, heißt das nicht, dass es einige Jahre später doch noch einen großen Krieg gegeben hätte. So ging das Deutsche Reich unter - der Vorteil für die kleinen deutschen Staaten, die nicht neutral werden durften, war, dass durch den Kalten Krieg ein gewisser Wettbewerb vorhanden war und man jeweils von den Großmächten "aufgebaut" wurde. Am Ende war der Kapitalismus für die heute übrig gebliebenen deutschen Staaten wohl ohne Frage das kleinere Übel.

    "Es ist besser, ein einziges kleines Licht anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen."


    Konfizius

  • Lieber Sebastian,
    der Brief vom 09. April 1944 ist ein toller Fund. Falls Du es noch nicht getan hast, solltest Du ihn unbedingt einscannen. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich für Dokumente dieser Art eine ganze Reihe Zeithistoriker interessieren.


    Man muss ja auch bedenken, dass der Russlandfeldzug eines der prägensten Kriege seit Napoleon war. Hätte Russland Europa überrant, wäre ggf. heute ganz Europa kommunistisch. So konnte das Deutsche Reich Russland spürbar schwächen.

    Ob man sich dem Standpunkt anschließen kann, weiß ich nicht, denn immerhin verfügte die Sowjetunion bei Kriegsende über die zahlenstärkste Armee auf dem Kontinent. Durch Eroberung von ganz Osteuropa konnten Sowjetführung und rote Armee auf zahlreiche wichtige Zentren der Rüstungsindustrie und die Kampfkraft ihrer neuen Vasallenvölker zurückgreifen, der industrielles Potential zudem für den Wiederaufbau und die weitere Rüstung im zerstörten Rußland ausgebeutet wurde. Von einer Schwächung der Sowjetunion infolge des deutschsowjetischen Krieges kann da keine Rede sein - im Gegenteil!

  • Ja das habe ich letzte Nacht auch in Erfahrung gebracht, dass im Zuge des deutschen Angriffes noch einmal ordentlich gerüstet wurde in Russland. Aber schon vorher scheint ein großes militärisches Potential aufgebaut worden zu sein. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass nach den ersten Kriegsjahren erst einmal eine gewisse Sättigung vorhanden war, da der Krieg eine ungeahnte Dimension erreicht hat, außerdem setzte die USA erstmals die Atombombe ein - ich denke vor den Ausmaßen solcher Waffen hatten zumindest teile der Staatsoberhäuptler großen Respekt.


    Warum findest Du ausgerechnet den Brief vom 09.04.1944 so interessant? Die beiden Texte vom 04.08.1941 finde ich eigentlich noch viel interessanter. Natürlich davon abgesehen, dass alle diese Zitate einen unermesslichen zeithistorischen Wert haben. Beim Text vom April 1944 ist es besonders interessant, dass er in Cholm geschrieben wurde. Dort ging es drunter und drüber in dieser Zeit.


    Soweit es sich ergibt, werde ich natürlich alle besonderen Briefe einscannen. Im Moment bin ich erst einmal froh, wenn ics schaffe die vielen Stapel ungesichtete Briefe zu lesen und mit Hilfe von Stichworten zu dokumentieren, damit ich auf die jeweiligen Briefe direkt zugreifen kann, wenn ich etwas brauche. Ebenso versuche ich, die gesammelten Zitate, nach und nach auf die Seite zu stellen, damit sich auch hier nicht zuviel anhäuft. Es gibt also viel zu tun und das neue Material wird nicht weniger ;) Macht aber großen Spaß und man lernt unheimlich viel.

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    Konfizius

  • Ich wollte darauf hinaus, dass es ein Fehlschluss ist, die Sowjetunion habe durch den deutschen Angriff an militärischer Stärke eingebüßt. Durch die Waffenlieferungen der Angloamerikaner und ihre militärischen Erfolge ab Jahreswende 1942/43 konnten sie ihr militärisches Potential in einer für die Deutschen unerwarteten Weise entfalten. Hitler rechnete noch 1944 damit, Stalin würde allmählich die Puste ausgeben. Wir wissen leider, dass das nicht der Fall war.


    Warum findest Du ausgerechnet den Brief vom 09.04.1944 so interessant? Die beiden Texte vom 04.08.1941 finde ich eigentlich noch viel interessanter. Natürlich davon abgesehen, dass alle diese Zitate einen unermesslichen zeithistorischen Wert haben. Beim Text vom April 1944 ist es besonders interessant, dass er in Cholm geschrieben wurde. Dort ging es drunter und drüber in dieser Zeit.

    Der Wortlaut passt wie die Faust aufs Auge zum Bild des deutschen Kleinbürgers, der sich mit Kindern und Familie in seinem Garten tummelt, während nebenan Juden vergast oder Partisanen erschossen werden. Der Wortlaut könnte in einer Ausstellung stehen - Verbrechen der Wehrmacht - also damit könntest Du direkt zu einem Institut für Zeitgeschichte gehen und die würden den mit Kußhand übernehmen, falls gerade jemand an dem Thema sitzt--- aber das ist ja eigentlich immer der Fall, wenn es um Holocaust und NS-Verbrechen geht ;)

  • Ja eben, das ist das "Problem", das nur so etwas gesucht wird. Das längere Zitat vom 04.08.1941 finde ich da viel interessanter, weil es verstehen lässt, wie die damalige Situation damals war. Bei diesem Text handelt es sich nicht um tränendrüsen-dokutainment, sondern um die authentische Dokumentation der damaligen Zeit. Genau diese Zitate lassen verstehen, wieso die deutschen Soldaten, die vorher einen weitestgehend "sauberen" Krieg führten, keine Skrupel mehr hatten, Grausamkeiten zu begehen. Einfach weil es da um Kopf und Kragen ging. Man war von Grausamkeiten umgeben und hatte keine Soldaten mehr als Gegner, sondern Partisanen, Zivilisten usw., die hinterrücks angegriffen haben und sich nicht scheuten die deutschen Soldaten auf schlimme Art zu quälen. Die BBC-Doku "Hitlers Krieg im Osten", die ich letzte Nacht nebenher geschaut habe, behandelt das Thema recht gut. Dort kommen zahlreiche Wehrmachtssoldaten der damaligen Zeit zu Wort, die genau diese Situation schildern.


    Das von mir genannte Zitat ist so interessant, weil es so viele verschiedene Seiten zeigt. Also der einfache Soldat/Arzt, der Mitleid mit den Russen hat, an der Situation fast verzweifelt ("die Zivilisten gehen auch nicht weg und dann bringen sie uns Frauen und Kinder daher mit furchtbaren Verletzungen"). Einerseits hat er also Mitleid, Aufgrund der Grausamkeiten vergeht sein Mitleid aber dann auch wieder ("denkt man aber an die Kameraden die von Zivilisten wie Hasen hinterrücks abgeschossen wurden, oder die man erschlagen oder zu Tode gemartert hat ist das Mitleid vorbei"). Also so wie es wohl vielen Soldaten damals ergangen ist. Interessant ist dabei auch die Tatsache, dass die deutschen Ärtze auch russische Zivilisten behandelt haben. So etwas wird in der Wehrmachtsausstellung sicher nicht dokumentiert ;)

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    Konfizius

  • Sauspannend - zwar verstehe ich so gut wie nichts vom Kommentar, aber die Animationen zeigen sehr gut den Verlauf des ersten Kriegsjahres in Russland:

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    Konfizius

  • Ich bin gerade dabei die Zitate über den Russlandfeldzug auf meiner Archivseite in die neue Software einzustellen:


    https://geschriebene-geschicht…gged/813-russlandfeldzug/


    Da sind interessante Texte dabei, die das dortige Geschehen aus unterschiedlicher Sichtweise beleuchten. Material habe ich noch unendlich viel hier, das noch ausgewertet werden muss. Drei ganz krasse Texte habe ich im Kopf die ich unbedingt mal einstellen muss. Mal schauen wann mit die dazugehörigen Dokumente mal wieder in die Hände fallen.


    Mit der neuen Software klappt das alles viel einfacher und ist dann durch die Tags viel strukturierter. Da werde ich, soweit die Zeit es zulässt, noch einiges eintragen in Zukunft.

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    Konfizius