Ich kann Kanzler!

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Termin: 01.05.2012 - 22:00 Uhr Uhr | Sender: ZDF

Beschreibung

Bereits zum zweiten Mal gibt das ZDF politisch interessierten Bürgern die Chance, ihre Ideen einem großen Publikum zu präsentieren. Vier Kandidaten wurden von einer Jury fürs Finale ausgewählt, einen fünften durfte die Netz-Community ins Rennen schicken. Nun können sie vor dem Fernsehpublikum beweisen, dass sie nicht nur ein gutes Konzept haben, sondern dieses auch zu präsentieren wissen. So werden sie unter anderem mit den Fragen von Journalisten und Krisensituationen konfrontiert.

Der Gewinner kann sich dann nicht nur darüber freuen, dass er sich mit seiner politischen Überzeugungskraft gegen die anderen Kandidaten durchsetzen konnte, sondern erhält auch noch einen Geldgewinn in der Höhe eines Kanzlergehalts.

Kritik

Nachdem der erste Versuch, ein Polit-Casting ins Programm zu nehmen, im Jahr 2009 nur von mäßigem Erfolg gekrönt war, versuchte sich das ZDF nun an einer weiteren Auflage von "Ich kann Kanzler" - freilich mit einigen "nderungen. So wurde die Altersgrenze von 35 Lebensjahren abgeschafft, zudem trafen nicht die Zuschauer zu Hause, sondern das Studiopublikum die Entscheidung, wer von den fünf Teilnehmern mit einem Scheck über ein Kanzlergehalt nach Hause gehen soll.

Zu Beginn wurden die fünf Teilnehmer erst einmal mit einem Video vorgestellt und hatten anschließend 45 Sekunden Zeit, um ihre Idee für Deutschland zu präsentieren. Hans Bulach präsentierte sich als Ampel am schwarzen Mast, also als Konservativer, der auch für grüne, liberale und sozialdemokratische Ideen offen ist und plädierte für ein einfacheres Steuersystem. Berthold Wagner würde gerne ebenfalls an den Steuern drehen - vor allem an der für Erbschaften: Alles über einer Million soll direkt an den Staat gehen, damit dieser innerhalb der nächsten 10 Jahren seine Schulden abbauen kann. "Die Reichen machen uns schuldenfrei" lautete sein Motto. Allison Jones plädierte für die Anschaffung des Kindergeldes nach dem 1. Lebensjahr und möchte die frei werdenden finanziellen Mittel in den Ausbau der Kinderbetreuung stecken. Susanne Wiest, die über den Online-Wahlkampf ins Finale gelangte, fordert ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle Bürger. Der letzte Kandidat, Leslie Pumm, gehört als einziger einer politischen Partei an - der FDP - und würde das Wahlrecht gerne auf 16 Jahre herabsetzen, um mehr Demokratie zu schaffen.

Bereits bei der Vorstellung wurde der Unterschied zur ersten Ausgabe von "Ich kann Kanzler" deutlich: Damals überwogen parteipolitisch aktive Jungpolitiker, dieses mal stellten die Parteilosen die deutliche Mehrheit dar. Nach der ersten Vorstellung gab es ein erstes Stimmungsbild mittels Publikumsvoting, bei dem Hans Bulach auf dem letzten Platz lag. Nach der Präsentation des im Vorfeld erfolgten Straßenwahlkampfs und der Wahlplakate arbeitete er sich bei der ersten ernsten Abstimmung aber auf den dritten Platz vor und durfte somit weiter in der Sendung bleiben - zusammen mit Allison Jones und Leslie Pumm. Das Ergebnis war nicht weiter verwunderlich - letztendlich schieden die beiden als erstes aus, deren Konzepte am wenigsten durchdacht wirkten und eher den Eindruck vager Ideen machten, deren Umsetzung in der Realität nur schwer möglich sein dürfte.

Anschließend mussten die verbliebenen drei Kandidaten Stellung zu aktuellen politischen Themen beziehen, etwa zu der Frage ob die EM in der Ukraine boykottiert werden und ob ein Betreuungsgeld eingeführt werden sollte. Überraschend war dabei, dass der 18-jährige Leslie Pumm eine Position bezog, die komplett entgegen der Linie seiner Partei war, was durchaus sympathisch wirkte, zeigte sich daran doch dass es sich um einen jungen Politiker mit eigenem Kopf handelte. Für das Finale reichte es dennoch nicht - das bestritten Hans Bulach und Allison Jones, die abschließend noch einen Wahlappell an die Zuschauer richten durften. Diese entschieden sich für Allison Jones, die bereits im Lauf der Sendung in allen Abstimmungen vorne gelegen war, eine Überraschung zum Abschluss blieb also aus. Letztendlich dürfte sich Hans Bulach selbst im Wege gestanden haben, denn im Gegensatz zu seiner Konkurrentin, an der hauptsächlich ihre thematische Verengung zu kritisieren wäre, griff er doch recht häufig zu politischen Floskeln und brachte die Jury manches Mal dazu, den "Phrasen-Alarm" auszulösen, wozu ein roter Button zur Verfügung stand.

Maybrit Illner, Michael Spreng und Oliver Welke machten ihre Sache gut und stellten die Kandidaten gekonnt auf den Prüfstand, dennoch machte die Sendung einen eher durchwachsenen Eindruck. So stellt sich etwa die Frage, ob das Quiz im Halbfinale wirklich nötig war - die Teilnehmer mussten wichtige Ereignisse wie die "nderung der Volljährigkeit dem Namen des damals amtierenden Kanzlers zuordnen. Das mag ja ganz nett anzuschauen sein, hat aber keinerlei Relevanz dafür, ob die Kandidaten mit der Behauptung "Ich kann Kanzler!" Recht haben oder doch eher im Bereich der politischen Leichtgewichte anzusiedeln sind. Auch bei der Vorauswahl hätte man sicher anders vorgehen können - die Zusammensetzung der Show lässt vermuten, dass die Bewerber darin nicht ausreichend dahingehend geprüft wurden, ob sie wirklich mit einer durchdachten Konzeption am Start sind, ansonsten wären Aussagen wie von Susanne Wiest, man müsse erst entscheiden ob man so etwas wie das Grundeinkommen realisieren wolle, danach könne man sich Gedanken um die Finanzierung machen, gar nicht nötig gewesen. Ordentliche Unterhaltung war "Ich kann Kanzler" allemal, von einem hochkarätigen politischen Format bleibt die Sendung aber weit entfernt. (ck)